28. Kapitel

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You found me ~ I Knew You Were Trouble (Taylor Swift)

Was war das? Irgendetwas schien die ganzen Raum durchzurütteln. Während das Rütteln immer stärker wurde, gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Es war also noch Nacht. Die gesamte Koboldfamilie kam müde ins Wohnzimmer und sah sich um. „Was ist denn das?", fragte Maik verschlafen. Ich zuckte mit den Schultern, doch Torsten antwortete aufgebracht: „Da rüttelt jemand an unserem Baum. Was will der Verrückte damit erreichen? Jetzt tritt er sogar!"

Woher wollte er das denn wissen? Ich musste wohl ziemlich verwirrt ausgesehen haben, denn Merle flüsterte mir zu: „Papa kann in seinem Kopf sehen, was vor dem Baum vor sich geht. Das kann sehr nützlich sein, wenn zum Beispiel jemand zu uns will, muss er nur kurz stehen bleiben und wenn Papa ihn durchlässt, kann er durch die Salasa gehen. Normalerweise rütteln die Leute nicht an unserem Baum."

Ich nickte verständnisvoll. Salasa war wahrscheinlich der Fachbegriff für den leuchtenden Tunnel, durch den ich reingekommen war. Torsten schüttelte irritiert den Kopf. „Warum schreit er immer wieder nach einer Emmi? Wer soll das sein?" Ich erstarrte zur Salzsäure. Konnte das sein? Aber wie sollte er mich gefunden haben?

Ich räusperte mich. „Ich bin Emmi", sagte ich dann zaghaft. Alle drehten sich zu mir um. „Ich würde mal sagen, dein Retter wartet auf dich", sagte Lena grinsend.
„Na los. Geh raus. War schön dich kennengelernt zu haben. Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder." Merle grinste nun ebenfalls bis über beide Ohren. Perplex nickte ich.

Im nächsten Moment erschien vor mir eine Salasa. Ich nickte der Koboldsfamilie noch einmal dankbar zu, bevor ich durch das blaue Licht lief.
Als sich meine Augen geklärt hatten, blieb mir das Herz stehen. Benjamin stand vor mir und schaute mich an, als fiele ihm gerade eine ganze LKW-Ladung Steine vom Herzen. Mein Herz fing im Gegensatz an zu rasen und mein Puls schnellte in die Höhe.

„Hi. Ich...", setzte ich vorsichtig an, doch im nächsten Augenblick nahm mich Benjamin so fest im den Arm, dass ich
fast umgekippt wäre. Er war so groß, dass meine Füße in der Luft baumelten. Wir sagten beide nichts, sondern hielten uns einfach nur fest. Ich war unglaublich glücklich darüber, nicht mehr alleine zu sein und schloss die Augen. Ich machte mir gerade keine Gedanken darüber, warum er das tat, oder wieso er so erleichtert war, mich zu sehen und atmete seinen Duft nach Wald tief ein. Niemand roch so unglaublich gut wie er.

Mein Herz schlug kräftig gegen meine Rippen. So doll, dass ich seins nicht spüren konnte. Plötzlich ließ Benjamin mich abrupt los und ich machte vor Überraschung ein paar Schritte rückwärts. Wir starrten uns an und ich glaubte, so etwas wie leises Bedauern in seinem Blick zu sehen, doch gleich darauf wurde seine Miene kalt und undurchdringlich. „Setz dich auf das Schwebemotorrad und halt die Klappe", wies er mich genauso kalt an. Es fühlte sich an, als würde mir jemand ein Messer ins Herz rammen.

Er war schon wieder hinter seiner Mauer, die er ständig aufrecht hielt und das schmerzte. Manchmal, in den Momenten, in denen er einen Teil der Mauer einreißen ließ, konnte ich mir vorstellen, wie er war, wenn er glücklich war. So richtig glücklich und nicht nur gut gelaunt. Doch das war er fast nie.

„Darfst du das eigentlich fahren?“, fragte ich ihn. „Ja.“ Mehr sagte er nicht. In Gedanken versunken setzte ich mich auf ein Gefährt, dass aussah wie ein Motorrad mit horizontalen Reifen. Benjamin saß vor mir. „Festhalten“, sagte er knapp und ich legte meine Arme um seine Mitte. Er gab Gas. Am Anfang versuchte ich noch, meinen Oberkörper von seinem Rücken fernzuhalten, doch ich merkte schnell, dass das sehr gefährlich ausgehen konnte. Also lehnte ich mich gegen Benjamin.

Vor meinen Augen flogen Bäume, Büsche und Sträucher vorbei und wir schwebten über das Gras, das auf dem Boden wuchs, hinweg. Der kühle Nachtwind peitschte gegen meine Beine. Nach ungefähr zwei Minuten erreichten wir die große Wiese vor dem Schloss. Ich löste mich von Benjamin und stieg von dem Motorrad, sobald es zum Stillstand kam. Benjamin stieg ebenfalls ab und mit einem Schnipsen der rechten Hand verschwand es vor meinen Augen.

„Was…?“, fragte ich verwirrt. „Es ist jetzt in der Garage“, antwortete er und lief in Richtung Tür. Schnell hastete ich ihm hinterher. „Sag mal, wie hast du mich eigentlich gefunden?“
Benjamin schwieg.
„Ernsthaft? Jetzt gibst du mir noch nicht einmal auf diese einfache Frage eine Antwort?“, fuhr ich ihn wütend an und ging an ihm vorbei. Ich riss die Tür auf, die aus irgendeinem Grund nicht abgeschlossen war.

„Ich wusste es einfach.“ Seine Worte waren so leise, dass ich sie fast nicht gehört hätte. Langsam drehte ich mich um. „Wie, du wusstest es einfach? Ich war zwei Minuten mit dem Schwebeteil entfernt, das gute vierhundert km/h
draufhat und du wusstest einfach, wo ich war?“ Er nickte. „Und warum bist du erst nach so langer Zeit aufgekreuzt, wenn du es wusstest?“ Es klang sehr ungläubig, dass er es einfach gewusst haben sollte.

„Weil ich es erst dann wusste, um Himmels willen! Sei doch einfach froh, dass ich überhaupt gekommen bin und dich abgeholt habe!“ Die letzten Worte schrie er und rauschte dabei schnaubend an mir vorbei durch die immer noch offenstehende Tür. Sein Ausbruch machte mich nachdenklich. Es stimmte. Ich sollte froh sein, dass er gekommen war. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob er mich nur geholt hatte, weil ich war, was ich war, oder einfach nur, weil ich ihm doch nicht ganz egal war.

Außerdem konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass er einfach wissen sollte, wo ich war. Ich wusste nicht, wie groß der Wald war, aber ich war mir sicher, dass er so klein nicht sein konnte. Hinter mir zog ich die Tür ins Schloss und lief Benjamin hinterher, dessen Schritte man auf den Fliesen gut hörte. Die Lampen an der Decke waren gedimmt und schummriges Licht fiel im Korridor. Ich beeilte mich, in mein Zimmer zu kommen.

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