80. Kapitel

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This ground I'm on keeps shaking ~ Somebody To You (The Vamps)

Juliette

Ich wirbelte herum als ich von einer Druckwelle erfasst wurde. Da stand sie. So kraftvoll und stark, wie es nur eine Göttin sein konnte. Emilias Kraftball erwischte Xenia und sie wurde in die Luft geschleudert. Kurz noch bewegte sie ihre Finger, dann starb sie. Nein. Nein! Die Worte von Benjamin hingen noch immer schwer in meinem Kopf. Als er mir während des Kampfes von dem Rätsel und dessen Lösung erzählt hatte, war ich wie erstarrt gewesen.

Und jetzt war es so. Keine Sekunde, nachdem Xenia am Boden lag, traf die Wucht der Drachenenergie meine Tochter. Sie wirbelte herum, bevor sie mit einem dumpfen Knall auf der Wiese landete. Um mich herum war es erstaunlich still geworden. Xenias Marionetten waren nur noch Aniral. Sie waren frei.
Ich stolperte los. Ich rannte auf meine Tochter zu, als hinge ihr Leben davon ab. Und das tat es tatsächlich. Ich wusste nicht, wie viel Zeit ich hatte. Emilia schrie, brüllte und weinte vor Schmerzen, die unglaublich sein mussten. Mir liefen ebenfalls Tränen über die Wangen.

Kurz darauf erreichte ich sie und drehte sie mit all meiner verbliebenen Kraft auf den Rücken. Ich griff mir ins Dekolleté, wo ich das kleine Gläschen hingesteckt hatte. Meine Finger fühlten nichts als Luft und Haut. „Nein!“ Atemlos sah ich mich um. Tote Aniral überall. Doch darauf achtete ich nicht. Ich musste es finden! „Mama?“, vernahm ich eine leise Stimme. Sie war schwach. Sehr schwach. Ich fuhr herum und sah Benjamin, der auf mich zu gekrochen kam. Seinen Arm zierte ein riesiger Schnitt, das T-Shirt hing ihm in Fetzen von der Brust, wo er ebenfalls eine Wunde hatte.

„Gott! Was ist los?! Benni! Antworte!“ Statt einer Antwort kroch er näher, bis er neben Emilia erschöpft ins Gras fiel. Er röchelte. Blut rann ihm aus dem Mundwinkel. „Emmi … Ich … Wir … Seelen … Hilfe …“ Er schloss flatternd die Augenlider. In meinem Kopf drehten sich die Rädchen viel zu schnell. „Was?! Ihr seid Seelenverwandte?! Warum habt ihr das nicht gesagt!? Scheiße! Hört zu! Ihr sterbt nicht! Okay? Alles wird gut! Ich muss nur …“

Panisch sah ich mich um. Tränen verschleierten meine Sicht und ein bestialischer Gestank trat mir in sie Nase. Der Gestank von Tod. Meine Kinder bekam er nicht! Nicht, solange es … „Julie! Ich hab’s! Fang es auf!“ Ich fuhr schluchzend herum und sah meinen Mann, der etwas in den Händen hielt. Ein kleines Gläschen. Es war noch voll und nicht kaputt! Auch auf seinen Wangen glänzten Tränen. Ich nickte. Er hob den Arm. Es waren zwanzig Meter. Schaffte er das? Christian holte aus und warf.

Das Glas segelte durch die Luft, überschlug sich mehrmals, ehe es perfekt in meinen Händen landete. Ich wandte mich wieder meiner Tochter zu. Benjamin hielt ihre Hand. Sie beide hatten die Augen geschlossen. Keine Brust bewegte sich. Nein! Es durfte nicht zu spät sein! Ich zog den Korken aus dem Gläschen und warf ihn ungeachtet ins Gras. Dachte ich. Stattdessen hörte ich ein leises Platschen, als er in eine Blutlache fiel. Ich unterdrückte den Würgereiz und beugte mich über Emilia.

„Bitte, bitte, bitte.“ Immer wieder wiederholte ich dieses Wort, während ich ihr die kleinen Kristalle in die Wunde am Bauch schüttete. Es musste die richtige Stelle sein! Sie konnte nicht mehr schlucken, also musste es doch direkt am Bauch sein, oder? Oder?!

Sobald die kleinen lilanen Kristalle ihre Haut berührten, lösten sie sich auf. Sie schienen in ihre Haut hineinzufließen. Das Salz, das ich all die Jahre wie meinen Augapfel gehütet hatte, mit dem Gefühl, es für irgendwas zu brauchen, war nicht mehr da. Ich hatte getan, was ich tun konnte. Warum fühlte ich mich dann so hilflos? Meine Schläfen pochten und meine Rippen taten weh, doch es kümmerte mich nicht. Christian erreichte mich und legte beide Arme um mich, als ich aufschluchzte. Sie durften nicht sterben! Es durfte nicht zu spät sein! Emilia und Benjamin hatten es verdient, ein Leben zu führen! Frei zu sein.

„Was ist das denn?“
„Hilfe!“
„¿Que pasó aquí?“
„Mama! Wo bist du?“
„Scheiße, ich glaub, ich muss kotzen!“
„What is going on?“
„Ihhhh!“
„Was ist passiert?!“
„Sono una farfalla!“
„Hör auf zu spannern, du Idiot!“
„Morte! Tout!“
„Dó ég?“

Ich wandte verwirrt den Kopf zur Seite. Hunderte Menschen aus allen möglichen Ländern der Menschenwelt standen auf dem Schlachtfeld. Was zum Teufel war hier
los? „Was hat das zu bedeuten?“, fragte Christian. „Ich habe nicht die leiseste Ahnung“, gab ich zurück und wischte mir über das Gesicht.

„Entschuldigung? Können Sie mir sagen, was das für ein Ort ist und was passiert ist?“ Eine ältere Frau tippte mir auf die Schulter. Sie hatte ein Buch auf dem Arm und über ihren Schultern hing ein Tuch. Unter ihren Augen befanden sich tiefe Augenringe, als hätte sie seit Wochen nicht mehr geschlafen. Mein Blick fiel auf einen Zettel, der auf dem Buch klebte. Als ich den Namen las, der draufstand, zog sich in mir alles Erdenkliche zusammen.

Ich hob den Kopf und als ich das kleine Tuch um ihre Schultern genauer ansah, war es, als zöge mir jemand den Boden unter den Füßen weg. Auf dem Tuch waren lauter kleine Samaluna abgebildet. In diesem Tuch hatte ich das Kostbarste in meinem Leben weggegeben. Und dann das Buch … Das konnte doch unmöglich ein Zufall sein! Die Frau, die Christian und ich uns ausgesucht hatten, hatte ebenso braune Augen wie die vor mir. Als sie dann weitersprach, verschwand auch noch das letzte bisschen Unsicherheit. „Geht es Ihnen gut? Ich bin übrigens Mina. Ich weiß gar nicht, was passiert ist, plötzlich …“ Ihr Blick fiel auf meine Tochter.
„Emilia!“, keuchte sie und taumelte.

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