Dezember
"Und ihr kommt erst wann wieder?" Mark teilt ungefragt zum siebten Mal die Rommé-Karten an seine Gäste aus. Vielleicht begründet er diese lange Spielfolge damit, dass er viel zu selten wirklich mit ihnen Zeit verbringt, mit ihnen spielt oder richtig plaudert. Jungwoo hat dafür grundsätzlich kaum Zeit, Jaehyun ist jede Woche mindestens einmal hier, aber mit Yuta, dem Kerl, den er eigentlich schon am längsten und am besten kennt, und seiner Freundin, pardon, Verlobten, hat er nur sporadisch gemütliche Abende. Vielleicht sollte er das wirklich mal ändern, und ein zentraler Grund dafür ist Donghyuck. Mark will es nicht zugeben, aber es verletzt ihn irgendwie, dass Donghyuck sich den ganzen Tag nicht gemeldet hat.
Gut, vielleicht ist ihm etwas dazwischengekommen, Kyung womöglich, aber es kam noch nicht einmal eine Nachricht. bis jetzt nicht, und Mark ist ins Grübeln versunken, bis Yuta und Sana mit einer halbstündigen Verspätung aufgetaucht sind. Mark hat teilnahmslos wenig aufwendige Käsespätzle in den Ofen geschoben, weswegen er nicht komplett unvorbereitet aus allen Wolken gefallen ist. Und eigentlich dachte er, in seiner derzeitigen Stimmungslage wäre ein Abend alleine am besten, aber Yuta und Sana sind eine perfekte Ablenkung gewesen. Für mehrere Stunden hat Mark den liebenswerten Softwarespezialisten und seinen bezaubernden Neffen tatsächlich vergessen und wieder einmal feststellen müssen, wie toll seine beiden Freunde eigentlich sind, und, wenn man es genau nimmt, sind sie keine Ablenkung, sondern etwas, was Mark vor lauter Donghyuck nicht gesehen hat.
Der Whiskey, ein sicher ziemlich teurer Glen Grant von Sana, ist geschmacklich wirklich fabelhaft, doch keiner von ihnen hat mehr als einen gewollt. "Am 2. Eigentlich habe ich frei bis zum 10., aber für einen Patienten muss möglichst bald eine OP her." Sana nimmt ihre Karten auf und beginnt sie zu sortieren. Auch Yuta steckt seine halbkonzentriert um. "Wir machen dann hier in Seoul noch Urlaub zuhause", sagt er. Mark zieht eine Karte und wirft eine sechs weg. Den ganzen Abend hat er noch nicht einmal gewonnen und diese Runde wird sich das nicht plötzlich ändern, wie es aussieht. "Wie genau wirkt sich ein zusätzlicher Fall in der Familie eigentlich auf den Patienten aus?", fragt er beiläufig.
Sana blickt nur kurz irritiert auf, denn ihr Beruf und Augen generell sind nie auch nur nahe von den anderen Interessen des Blonden gelegen. "Rechnerisch gravierend", sagt sie, "dann kommen ganz neue Behandlungsperspektiven auf. Ob eine Operation überhaupt Erfolg verspricht, ob bestimmte Medikamente mit den zusätzlichen Symptomen weiterhin Wirkung zeigen, sowas. Aber in der Realität kann es auch wenig Effekt haben. Dieser Patient, den wir im Januar operieren, ein kleiner Junge, hat vermutlich viele seiner Leiden von seiner stark sehbehinderten Mutter, wenn nicht alle. Aber seit Kurzem kann man seinen Onkel auch als Faktor mit einberechnen. In dem speziellen Fall ändert sich faktisch nichts, da er nur medikamentös auf die Sehschwäche und die Anfälle mit völligem Sehverlust zwischen drei und elf Minuten und nicht auf die schwache Dysfunktion seiner Farbrezeptoren... Warte, seit wann interessierst du dich dafür?"
Sana legt völlig unaufmerksam eine Damenreihe auf den Tisch, in der zwei Herzdamen liegen. Yuta steckt ihr wieder auf die Hand. "Schatz, du musst schon richtig gucken." Er stockt nach seinem liebevoll-neckischen Hinweis. "Ja, Mark, warum?" Der schaut auf den bodenlangen Vorhang rechts hinter seinem schwarzhaarigen besten Freund. Kyung hat damit gespielt, kurz bevor sie gemalt haben. Und runtergerissen, und Mark weiß immer noch nicht, was herzerwärmender war: der Anblick des kleinen Jungen, begraben von einem überlangen Stofffetzen oder alles an Donghyuck, der sich hochrot und stotternd mehrfach entschuldigt hat. "Ach, nur so."
"Hat dein Loverboy nicht irgendwas an den Augen?" Mehr als diese Info - ohne den Namen - hat er seinen Jungs nicht gegeben, aber Mark verflucht Sana dafür, dass sie ausgerechnet dieses Beispiel bringen musste. "Er ist nicht mein...", murrte er zickig, aber Sana legt schon höchst neugierig ihre Hand auf Yutas. "Sein was??"