Dezember
calum scott, come back home
Kyung darf Silvester mit Mark und Donghyuck verbringen, eine riesige Freude für alle drei. Trotzdem geht er um zehn hundemüde ins Bett und so sitzen Mark und Donghyuck alleine im Wohnzimmer, bemüht um Distanz, denn seit Josy ist Donghyuck extra vorsichtig und das ist nichts, bei dem Mark mitbestimmen will. Gaeul, hat er das Gefühl, macht das schon, und Jaehyun. Und Donghyucks beste Freunde. Und schließlich sein Donghyuckie selbst.
"Kommst du zur Zeugnisvergabe der ersten Klasse am Freitag?" Donghyuck streicht penibel die Decke auf seinem Schoß, Marks unordentliche Seite versucht er mit einem kleinen Naserümpfen zu ignorieren. "Um elf, und danach wünscht er sich Pfannkuchen mit Leo. Bei dir."
"Ich hab da ein Meeting", fängt der Blonde an, "du hast ja einen Schlüssel...", er sieht den tödlichen Blick auf dem niedlichen, perfekten Gesicht des Jüngeren, "... Aber ich kann mir bestimmt frei nehmen!" Donghyuck nickt zufrieden und scannt Marks Gesicht kurz ab. Dann nickt er vorwurfsvoll zum Fernseher: "Warum genau läuft da jetzt eigentlich Tennis?" Mark grinst süffisant und legt besitzergreifend eine Hand auf die Fernbedienung. "Was denn sonst?"
"Was weiß denn ich, Nachrichten oder irgendein Tatort?" Donghyuck versucht, die Bedienung zu greifen, aber Mark scheinen die Attacken an seinen Finger überhaupt nichts anhaben zu können. "Ich bitte dich, um halb elf ist jeder Tatort längst aus, und so spät passiert doch nichts Weltbewegendes mehr."
"Trotzdem! Gib mir die..."
Mark hebt die Fernbedienung mit gestrecktem Arm über sich. Donghyuck weiß ganz genau, in welchem Klischee das enden wird, aber er lässt sich darauf ein und lehnt den Oberkörper nach rechts zu Mark. "Oder..." Marks zweite Hand legt sich an seinen Rücken und zieht ihn näher, "wir gehen einfach ins Bett." Sein Atem ist ganz nahe und Donghyucks Puls schießt in die Höhe. "Einverstanden", flüstert er, aber keiner der beiden regt sich. Zumindest solange nicht, bis Mark die Fernbedienung beiläufig neben sich legt und die zweite Hand an den Hinterkopf des Dunkelhaarigen legt, um ihn sanft zu zwingen, näher zu kommen. Was Donghyuck bereitwillig und gerne macht.
"Onkel Hyuck?"
Es ist eine leise, schüchterne Jungenstimme, die Donghyuck bewusst macht, dass er nicht allein mit Mark ist in seiner Wohnung. Sein Neffe steht in der Tür, müde und verloren, vermutlich von einem Albtraum aus dem Bett getrieben, und hält sich verwirrt und fragend am Türrahmen fest. "Mark? W-warum küsst ihr euch?"
Donghyuck spürt Marks Lippen an seinen zu Stein werden. Sie weichen voneinander zurück, als wären da Ameisen zwischen ihnen. Mark beißt sich auf die Lippen und schaut zu, wie der Andere hastig aufsteht und auf Kyung zuschreitet. "Das ist jetzt nicht wichtig, Kyungie, was ist los?"
"Ella ist weg. Warum küsst ihr euch?", fragt der Junge nochmal. Donghyuck geht vor ihm in die Hocke und wägt seine Möglichkeiten ab. "Warum nicht?", kommt es von Mark. Kyung dreht sich wortlos um und rennt in sein Zimmer. Die Tür knallt. "Warum nicht, echt jetzt, Mark?" Donghyuck dreht den Kopf, ein verletzter Schatten liegt in seinen Zügen. "Du machst das grundlos und das erzählst du meinem Neffen auch noch? Also pädagogisch wertvoll bist du echt nicht!", braust er auf. "Ich..." Mark unterbricht sich selbst und schaut hilflos umher. Donghyuck rauscht aus dem Zimmer und aus der Wohnung. Mark zuckt nur zusammen, als er die Tür hört. Bestimmt zehn Minuten steht er da, gesteht sich ein, dass das wirklich blöd war von ihm, pflückt dann das Kuscheltier - Ella? - von der Couch und wankt ins Gästezimmer, wo Kyung hinter der Tür seine Toniebox auf ganz laut gestellt hat.
Eigentlich wollte er das nicht ohne Donghyuck machen, aber, tja, das Leben kommt, wie es kommt.
~
Mark schert sich nicht um die Tränen, die eine halbe Stunde später an seine Wange trocknen und vielleicht rot sind oder fleckig. Jetzt weiß er, wieso Donghyuck das alles so viel dramatischer sieht als all die Anderen - es ist faktisch vielleicht nichts Großes, aber unheimlich nervenaufreibend als Beteiligter und jeder Satz steckt voller Zweifel, die falschen Worte gewählt zu haben. Kyung ist so zerbrechlich, er hat im Leben genug schwarz-weiß-graue Flecken, wortwörtlich, und welche Farbe stellt dann bitte sein Onkel, der seinen Boss und Kumpel küsst, dar? Farblos? Vermutlich kein strahlendes Weiß. Dunkelgrau?
Sein Handy an sein Ohr gepresst, kontrolliert er, ob Ks Tür zu ist - ist sie - und ob abgesehen von dem regelmäßigen Tuten Geräusche zu vernehmen sind - Fehlanzeige. "Ja?" Da sind zwei Felsen, die Marks Herz zermalmen, als Donghyuck abgehoben hat und sich mit dieser kalten, distanzierten Stimmlage meldet. Mark öffnet vier Mal den Mund und haucht tonlos alle Luft aus seinen Lungen, ehe er krächzt: "Komm zurück nach Hause." Donghyuck antwortet lange nichts, so lange nicht, dass Mark a) nur wegen des ausbleibenden Tutens ausschließen kann, dass der Jüngere aufgelegt hat und b) trotzdem Sorge hat, seine Bitte ist akustisch nicht einmal bis zum Mikrofon vorgedrungen. Dann antwortet er doch und die Felsen malmen emsig weiter, jetzt allerdings nicht mitten im Herzen, sondern an Fasern außenrum, die stechender und schlimmer sind als zuvor. "Ich will das nicht."
"Donghyuck", sagt Mark flehend, "Kyung soll doch auch lernen, nicht einfach davon zu laufen. Also sei vorbildlich und komm zurück. Wir zwei bereden das von mir aus morgen."
"Wir zwei?"
"Ich hab mit dem Kleinen geredet. Jetzt komm heim, es ist Dezember!"
"Ah", macht Donghyuck. Er fragt nicht nach, was genau sie besprochen haben. Er brummt bloß nachdenklich. "Ich kann das nicht", sagt er noch einmal. Mark schnalzt mit der Zunge. "Wie oft hast du das in den letzten zwei Jahren gedacht? Und dieses Mal bist du nicht allein."
Seufzen. "Ja, Boss." Noch mehr Seufzen. "Ich will einfach nur, dass es für Kyungie okay ist. Dass es normal für ihn ist und ihn nicht verstört. Dass wir für ihn normal sind und du nicht übermorgen weg bist. Oder morgen weg sein musst."
"Wird nicht passieren. Und wann ist etwas normal?"
"Keine Ahnung? Wenn es den Normen entspricht?"
"Nein, wenn es zuhause nicht wie ein Tabu ist. K braucht jetzt Sicherheit, Donghyuckie, dass das kein Tabu ist. Ich glaube, das ist jetzt das Wichtigste jetzt. Rückgängig machen können-"
"Du glaubst?"
"Hm, ja, ich hab noch nicht so viele Kinder großgezogen."
Donghyuck lacht trocken auf und schnieft.
"Aber Jungwoo sagt, Familie ist das schönste Chaos."
"Der wird es ja wissen."
Donghyuck legt auf und es dauert fast 50 Minuten, bis er die Tür aufsperrt.
Bin nicht sicher, ob das mit den Zeitsprüngen alles einer logischen Linie folgt, i'm sorry
