BOUNTY

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Oktober

Lange ist Donghyuck leise, schockiert und verletzt. Mark ist auch leise, schockiert über seine eigenen Worte. "Ich warte draußen", kündigt Donghyuck kleinlaut an. Ist Mark wütend auf sein Auto oder auf ihn oder was? Naja, wenn ihm das mit Gaeul so leicht über die Lippen kam, liegt es vermutlich an ihm. Er will die Beifahrertür öffnen, aber sein Boss sagt noch einmal seinen Namen. "Gott, Donghyuckie, tut mir leid, ich wollte... ich bin... warte doch hier drinnen. Bitte. Es ist windig."

"Okay."

Der Jüngere setzt sich starr wieder gerade hin. Er sagt kein Wort, aus Angst, etwas Falsches zu sagen und aus Angst, dass Mark nochmal laut und böse wird. Wie viel einfacher doch alles wäre, wenn er besser mit Menschen könnte. Beide strahlen furchtbar schlechte Laune aus, ist das Hass im Auto, woher kommen die Vorwürfe, an wen sind sie gerichtet, von wem geht diese Wut aus und wer verbreitet pure Traurigkeit? Die Atmosphäre im Wageninneren lädt sich deutlich negativ, undurchsichtig und merkwürdig auf und es ist so unangenehm, dass Mark erleichtert auflacht, als er einen blauen Wagen neben sich auftauchen sieht.

"Jaehyun ist da", sagt er so beschwingt wie möglich. "Wir holen manchmal die Tochter eines Freundes ab, er weiß, wohin. Er ist im dunkelblaue Qashqai da, direkt neben uns", erläutert und deutet nach rechts. Donghyuck dreht den Kopf zur Scheibe. "Oh, okay. Dann sehen wir uns morgen, Mark." Der schaut hinterher. Vermutlich wollte der Jüngere einfach nur weg, verständlich, aber augenscheinlich hat Donghyuck das nicht zu Ende gedacht. Mark bleibt trotzdem sitzen, Donghyuckie schafft das schon und außerdem erkennt Jaehyun den Jüngeren vermutlich an mindestens einem der hundert Merkmalen, die Mark schon mehr als einmal schwärmend erwähnt hat.

Mark lächelt erleichtert, als Jaehyun im Rückspiegel grinst und kurz die Hand hebt, bevor er Donghyuck lässig den Weg zu seinem Gefährt weist und dann selbst verschwindet.


~


Im Auto, das verglichen mit Marks altem Fox geräumig und riesig erscheint, sitzt Donghyuck stumm auf dem Beifahrersitz. Wie lernt er alle von Marks Freunden so kennen? Yuta todmüde, frierend und ausgelaugt abends nach einem Arzttermin, und jetzt Jaehyun, nach einer Autopanne. Nicht, dass es ihn kümmern würde, was die Freunde des Blonden von ihm denken, aber oh Gott, was macht das für einen Eindruck? Er ist doch so viel mehr als ein hilfsbedürftiger Kollege ohne Auto und mit Kind. Zumindest dachte er das.

"Danke fürs Fahren." Jaehyun beantwortet seinen unbeholfenen Gesprächsauftakt mit einem Lächeln. "Kein Ding. Hör mal, Mark hat erzählt, dass du nicht gerne redest. Das ist voll okay für mich", bietet er an. Dankbar blinzelt der IT-Spezialist. "Ich will Marks Freunde kennenlernen", entgegnet er leise, "aber ich weiß nicht, wie."

Jaehyun lacht laut und schrill. Irgendwie sympathisch, obwohl es eigentlich total unangebracht ist. "Da bist du nicht alleine mit. Ich mach einfach mal den Anfang: du bist einer von Marks Laufburschen in Lee Tech, oder? Der, den sein Alter immer verflucht hat?"

"Schätze, das bin ich, ja." Donghyuck legt seine eiskalten Finger an die immer röter werdenden Wangen. Trotzdem grinst er. "Und du bist der unbekümmerte Architekt, der sich vor Jahren aus Spaß in denselben Kurs wie Mark eingeschrieben hat?" Auf seine Gegenfrage kichert Jaehyun. "Ich brauchte Leistungspunkte in einem Wahlbereich. Und Mark wahrscheinlich auch, denn das Thema des Kurses war total gegen alles, was Mark irgendwie mag."

"Was war denn das für ein Kurs?"

"Verschwörungstheorien."

Jaehyun schnaubt amüsiert und dreht das Radio etwas lauter. 

KYUNG [SANA]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt