MARK (1)

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August

Ab spätem Nachmittag sitzt Mark Lee tatsächlich bei Donghyuck und sie brauchen den restlichen Tag sowie den nächsten Vormittag, um grundsätzliche Strukturen auszudiskutieren und zu besprechen. Für den Rest der Woche haben sie sich nur auf die Python-Probleme konzentriert, und auch wenn sie am Freitag auch damit noch nicht komplett durch sind, so gibt der blonde, neue CEO von Lee Tech Donghyuck dennoch das Gefühl von nie dagewesenem kompetentem und motiviertem Support.

Und noch in der selben Woche, am Freitagabend, steht Mark vor seiner Haustür. Donghyuck ist erstmal einfach nur froh, dass Kyung bis Sonntag bei Jihyeon und ihrem Freund ist, bevor er sieht, dass Mark nur etwas vorbeibringen will. "Ich wollte nicht bis Montag warten", Mark kratzt auf der dunkelroten Kapuze seiner Regenjacke herum und zaubert einen Stapel Papiere aus seiner Aktentasche, "sehr unprofessionell am Freitagabend, ich hoffe, das ist okay."

"Klar. Danke, Sir."

Mark schnaubt. "Privat gerne Mark. Nur im Büro, weißt du?"

"Ähm, klar. Mark."

"Ich hab einen Vertrag aufgesetzt, einen bis 26.11. und einen ab dem Ferigstellen der App. Und einige Bestätigungen und Einwilligungen für dich. Papierkram, da musst du durch." Der Blonde verzieht das Gesicht. Donghyuck nimmt die Dokumente behutsam. "Alles klar. Die Daten der Augenarztfirma kann ich... dir... morgen Abend per Mail schicken, ist das in Ordnung?"

Mark grummelt zustimmend. "Geht auch per WhatsApp. In meine Geschäftsmail schaue ich am Wochenende eigentlich nicht." Donghyuck lacht leise. "Hat dein Vater auch nicht gemacht", bemerkt er frech grinsend. "Willst du reinkommen, dann kannst du die Papiere gleich wieder mitnehmen?" Unbeholfen zeigt der Jüngere irgendwo hinter sich. Marks Augen blitzen kurz erstaunt auf.

"Danke, nein, ich muss gleich weiter. Bin noch verabredet. Aber morgen Vormittag würde ich sie abholen, wenn du nichts dagegen hast?" Mark zieht seine Augenbrauen fragend zusammen. "Dann kannst du sie dir in Ruhe anschauen." Dass Mark eine Jeans und Sneakers statt dem täglichen Anzugsoutfit trägt, fällt Donghyuck erst jetzt auf.

Unweigerlich fragt er sich, was für ein Oberteil sein Vorgesetzter unter der Jacke trägt - denn in Alltagskleidung sieht er zwar ganz anders, aber gut-anders aus. "Klar, gerne." Er hält die Papiere hoch und grinst verlegen. "Danke, und bis morgen."

"Bis dann, Donghyuck."

Den restlichen Abend verbringt Donghyuck mit abspülen - seine Spülmaschine ist kaputt - und aufräumen. Kyungies Spielzeug wirft er in sein Zimmer, die Kleider des Kleinen legt er ihm lückenlos und akribisch in den Schrank und erst bei dem knallgelben Kissen in Miniondesign auf seinem Sofa zögert er lange, ehe er beschließt, es liegen zu lassen.

Soll Mark Lee doch denken, was er will, er wird den Jungen sicher nicht verleugnen. Es ist sowieso schon fast zum Lachen, wie putzwütig und hektisch er sein kann, nur weil sein Boss morgen eventuell die Wohnung betreten könnte.

Tatsächlich erscheint Mark nicht um zehn, nicht um elf, nicht um zehn vor zwölf. Obwohl Donghyuck sich innerlich auf Vormittag eingestellt hat und er sich um ein Uhr von jedem sozialen Kontakt für heute verabschiedet hat, klingelt es um halb zwei an der Tür. "Mark", sagt der Jüngere überrascht. Mark erzeugt ein Lächeln, das so falsch aussieht wie die Fertig-Wackelpudding-Portionen, die Kyung so gerne isst.

"Hi." Mark Lee ist ungesund blass im Gesicht, aber vielleicht ist das auch der Kontrast zu dem dunkelblauen Beanie, der seine helle Mähne - bis auf ein paar widerspenstige Strähnen - komplett verdeckt. Die Mütze lässt ihn noch weniger wie einen CEO aussehen, bemerkt Donghyuck erfreut. Trotzdem legt er den Kopf schräg. Er hat nicht mehr mit seinem Boss gerechnet, sich inzwischen schon wieder in seine gemütliche Klamotte geschmissen, ein hässlicher Pullover, den sein Bruder und dessen Freundin erst kürzlich geschickt haben, eine farblich abartige grelle fliederfarbene Jogginghose, blaue Kuschelsocken und einer von Kyungs Haarreifen mit UFOs darauf. "Hi", erwidert er vorsichtig.

"Steht das Angebot mit dem kurz reinkommen noch?"

"Hab nicht aufgeräumt", weicht Donghyuck aus. Auf einmal kommt ihm persönliche Zeit mit Mark unvernünftig und riskant vor, aus mehreren Gründen. "Aber gestern Abend hast du?", gibt Mark zurück und seine Stimme wird merklich instabiler, "bitte, Donghyuck, ich brauch echt n Kaffee. Eventuell geht's mir nicht so gut." Er macht seine Augen ganz groß und wartet ab, weiß bestimmt, dass er so flehend wahnsinnig niedlich aussieht. Donghyuck gibt seinem inneren Ablehnen nach und rümpft die Nase. "Hast du getrunken?"

"Jungsabend. Vielleicht kennst du das", erklärt Mark nur und der Andere denkt wehmütig an seine Freunde. Dank Kyungie ist der letzte sorglose und grenzenlose, vielleicht auch etwas eskalierte Abend ewig her. "Und später muss ich zu meinem Vater. Kaffee und Kuchen. Bitte." Auf Marks Aussage hin verzieht Donghyuck das Gesicht und macht einen Schritt zur Seite. "Na komm schon rein", seufzt er, "ich gebe dir Jenos Katersaft." Marks Augenbrauen ziehen sich alarmiert zusammen. "Jeno?", echot er. "Ist das nicht dein Physikerfreund?"

"Du hast es dir gemerkt, wow!" Donghyuck hilft Mark aus der roten Jacke, "Aber eigentlich ist es Bio. Und der Saft ist wirklich lecker. Hab immer was im Kühlschrank." Der graue Hoodie, der unter dem Jackenstoff zum Vorschein kommt, ist Donghyuck persönlich fast lieber als der Anzug. Wortlos entledigt sich Mark seiner Schuhe. "Setz dich erstmal hin. Wo warst du bitte über Nacht? Du wohnst doch an anderen Ende der Stadt." Mark lässt sich mit einem Seufzer auf das Sofa fallen und nimmt das Minionkissen kommentarlos auf den Schoß.

Donghyuck wandert hinüber zum Kühlschrank und scannt ihn nach Jenos heiliger Plörre ab. "Ich hab bei einem Freund geschlafen. Der ist hergezogen mit seiner Freundin. War seit gestern Abend bei ihm, hier gibt es ja auch kaum Bars oder so." Mark betrachtet seine Fingernägel und erblickt dann Donghyuck mit dem wässrig-grün schimmernden Fläschchen. Unbewusst quetscht er den Minion in seinen Armen stärker. "So schlecht geht's mir eigentlich gar nicht", startet er einen schwachen Versuch.

Donghyuck tätschelt lächelnd seine blutleere Wange. "Wir müssen das immer präventiv trinken. Versprochen, es ist eigentlich ganz gut. Die ersten Male ist erbrechen trotzdem gut wahrscheinlich. Ich find das Zeug inzwischen aber einfach nur lecker. Und meine Küchenfliesen sind bisher nur dreimal... ähm..."

"Wow", Mark lacht freudlos auf, "danke auch." Er nimmt das Fläschchen unschlüssig in die Hand während Donghyuck ein Glas auf den kleinen Tisch stellt. "Und was heißt die ersten Male? Ich hab nicht vor, dass zu meinem neuen Standard-Katermittel zu machen!"

"Hatte ich auch nicht vor, glaub mir." Donghyuck zwinkert. "Halt. Bist du auf Walnüsse oder Muskat allergisch?" Er nimmt neben Mark Platz und beginnt, die Flasche aufzuschrauben. "Wie bitte, was? Ich glaube nicht." Er hüstelt verlegen. "Ein Kaffee hätte eigentlich vollkommen gereicht..." Er schaut besorgt zu, wie der Jüngere das Glas halb voll schenkt, nein fast dreiviertelt voll. "Kaffee kriegst du danach." Donghyuck schiebt das Glas bestimmt zu seinem Boss.

"Das sieht nicht wirklich... biologisch aus."

"Doch doch. Da ist Gurke drin, und Karotte... das grüne ist gepresste Petersilie." Der Jüngere lächelt ihn aufmunternd an. Dann fügt er hinzu: "Ich hätte dann noch Fragen bei meinem Projekt, wenn du schonmal hier bist." Er nickt ermutigend und wartet geduldig ab, bis Mark zögerlich die Lippen ansetzt und ängstlich einen Mini-Schluck nimmt.




KYUNG [SANA]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt