* FAUX-PAS *

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Mai

(flashback)

"Es war fürchterlich." Donghyuck sitzt auf dem uralten Sofa in der WG seiner Freunde und pustet frustriert in seinen Tee. Renjun und Jeno sitzen links und rechts von ihm, versuchen, teilnahmsvoll auszusehen. "Ach was, jeder macht mal Fehler", sagt Renjun. Jeno nickt. "Ein faux-pas sozusagen." In diesem Semester ist er Teilnehmer im Grundlagen-Sprachkurs Französisch und er baut seit dem französische Besserwisserfloskeln ein, wo er nur kann. Allerdings ist Donghyuck ziemlich sicher, dass Jeno in seiner Aussprache irgendwas massiv falsch macht.

"Naja, eigentlich nicht, war ja vorherzusehen", entgegnet ihm Renjun vorsichtig und angelt vom Tisch ein Bounty. Die würden ohne Donghyuck in der Celebrations-Packung, die da immer steht, auf dem Kaffeetisch in ihrer WG, vergammeln. "Dann war es halt sau dumm. Kein faux-pas", geht Jeno schulterzuckend darauf ein und schnappt sich ein Mars. "Das hast jetzt du gesagt", merkt Renjun penibel an, "außerdem ist das X stumm, Jeno. Ganz stumm, auch kein gelispeltes S." Jeno wirft ihm einen sehr bösen Blick zu, und ehrlich, viel lieber ist Donghyuck in diesem Moment der Typ mit dem vermasselten Date als der Chinese, dem der Blick gilt. Aber Renjun schaut seinen Mitbewohner nicht einmal an. "Vielleicht probierst du nächstes Mal, Kyungie etwas mehr... etwas weniger zu berücksichtigen?", schlägt er zögerlich vor. Jeno brummt bloß. "Ja, so verschreckst du den nächsten auch wieder, hundert pro."

"Jen!" Renjun schickt einen ähnlich bitter-bösen Blick zurück, vorbei an Donghyuck. "Was denn? Bei Hyuck staubt doch jetzt schon alles ein, was nicht Kyung gehört", argumentiert der Schwarzhaarige angriffslustig. "Jetzt übertreibst du aber, so stimmt das nicht."

"Das stimmt überhaupt nicht!"

"Überhaupt nicht auch wieder nicht."

"Seit wann kannst du eigentlich Französisch, Renjun?"

"Letzten Herbst musste ich mich in französischen Impressionismus einarbeiten, inklusive Claude Monet. da kommst du nicht an der Sprache vorbei und- Halt, Jeno, apropos einstauben. Hast du gesaugt?"

"Hö, bist nicht du dran?"

"Nein, du Trottel. Ich übernehme erst ab nächster Woche in deiner blöden Klausurenphase. Und am 18. Juni kannst du erstmal mit dem Staubwedel feiern!"

"Hallo? Was ist mit erholen?"

"Jaja."

"Jaja."

Donghyuck lacht kurz auf. Diese Hassliebe hat schon von Anfang das Miteinander der zwei dominiert. Ein freischaffender Maler und ein exzentrischer Biologiestudent, die nichts eint außer der Tatsache, dass sie beide in finanzieller Hinsicht seit geraumer Zeit einen Looping nach dem anderen fahren. Notgedrungen hat Renjun sich damals einen Anruf auf eine Zeitungsannonce durchgerungen - was ein Albtraum wäre für Donghyuck. Aber anders als bei ihm gestern ist Jeno vor gut einem Jahr ein wunderbarer Weggefährte geworden, eine wichtige Bezugsperson für Kyungie, und ist - warum auch immer - das perfekte Gegenstück zu Renjun.

Jeno ist schmerzhaft ehrlich, wenn Renjun lieb ist.

Jeno ist verständnisvoll, wenn Renjun doch mal der Kragen platzt.

Jeno ist sorgenfrei und witzig, wenn Renjun über alles zehnmal nachdenkt.

Aber Jeno ist keineswegs blauäugig oder denkt nicht nach, nein, er tut es nur auf eine andere Weise und zu anderen Zeitpunkten als Renjun.

Jeno kümmert sich hingebungsvoll um all die Dinge, die Renjun aus seinem Essen zupft - Pilze, Paprika, Mais, Erbsen, Zucchini, Rindfleisch, das Gelbe vom Ei. Jeno isst alles, in dieser Hinsicht sind sie nicht komplementär.

Aber irgendwie macht trotzdem er alles, was einen besten Freund für Donghyuck perfekt macht, noch perfekter. Die beiden 'Jaja'-Laute, ein genervtes und ein geäfftes, noch viel genervteres, hängen noch im Raum, als Renjun motiviert auf Donghyucks Rücken schlägt. "Vielleicht will das Schicksal auch einfach nicht, dass du diesen Kerl datest.  Wie hieß er noch gleich? Markus?"

"Hmm."

"Aber wenn er so wahnsinnig toll ist", mischt sich Jeno ein, "solltest du mal deine Erwartungen runterschrauben, Kollege. Du vermasselst jedes einzelne Date, seit wir uns kennen! Du jagst seit einem guten Jahr, seit ich hier wohne, jeden einzelnen von ihnen davon und jedes Mal wird es dramatischer. Er würde es dir nie ins Gesicht sagen, aber Renjun hat vorhin geschworen, dich nie mehr zu einem Date zu überreden. Du musst echt mal deinen Neffen hinten anstellen, wenn es um Liebe geht!"

"Danke, Jeno."

"Keine Ursache."

Donghyuck hört weder den Sarkasmus in Renjuns 'Danke' noch den Vorwurf der von Jeno immer noch in seine Richtung geht.

KYUNG [SANA]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt