MARRIED

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November

"Ich mag sie nicht." Xiaojun steht neben Donghyuck am Kaffeeautomaten und sie glotzen beide auf die Flüssigkeit, die viel zu langsam in den Becher tropft. Donghyuck spannt seinen Kiefer an. Seit Donnerstag haben sie nicht mehr miteinander gesprochen und da auch nur wegen des Fahrens für Freitag. Trotzdem hat Mark ihm in den Pausen immer mal wieder Kaffee und Snacks am Schreibtisch platziert, sodass er tatsächlich erstmal schauen musste, welcher der richtige ist. "Die könnte mir nicht egaler sein", lügt Donghyuck gleichgültig. In Wirklichkeit ist ihm diese hübsche Frau Mitte 30 viel zu oft bei Mark, aber was soll er tun?

Die einzigen Lichtblicke sind die Tatsachen, dass 'Mia' jetzt wohl noch in der Mittagspause ist und ab morgen sowieso nie mehr hier sein wird. "Ist bei dir und dem Boss eigentlich alles gut? Ihr seid so, weiß nicht, anders?" Xiaojun schaut ihn forschend an. Donghyuck grummelt und löst seinen Becher aus der Vorrichtung. Vielleicht muss man das noch einmal korrigieren: er spricht jeden Tag mit Mark, und nach wie vor freundschaftlich und wirklich angenehm, aber auf private Gespräche oder gar die Erwähnung des Namens Kyung vermeidet der junge CEO geschickt. "Hm, ja, alles bestens, wieso? Und warum magst du sie genau nicht?"

"Naja, in der Kantine hat sie es kurz vor dem Mittagessen bei Taeyong von der Hardware-Abteilung versucht. Und vorhin hat sie mich angegraben. Und jetzt Mark."

~

"Hey, Boss, wir sollten..." Donghyuck kommt bemüht fröhlich in Marks Büro geschneit und sein Lächeln fällt auf den Boden, als er sieht, wie diese... diese Frau bei dem Blonden am Fenster steht und ihr Notizbüchlein in einer affigen Haltung vor ihre kichernden Lippen hält. Mark dreht sich zu ihm um. "Gleich, Donghyuck. Warte bitte einen Moment. Und nächstes Mal bitte klopfen, ja?" Er zwinkert dem Jüngeren zu.

"Klar", sagt der leise und bleibt an der Tür stehen. Er legt eine Minitüte gelber M&Ms - hoffentlich unauffällig und für Mark sichtbar - auf die Kommode neben Tür. Mag sein, dass Mark irgendwie distanziert ist oder heute einfach keinen Kopf für seinen Kaffee hat, aber welche rational erklärbaren Konsequenzen sollte das für ihn, für Donghyuck, haben? Viel zu lange steht er da und wartet, bis Mark Mia auf sein Sofa gesetzt hat und sich an den Rechner setzt. "Jetzt, Donghyuck, was gibt's?"

Es ist seltsam, nicht allein hier zu sein, und zur selben Zeit weiß Donghyuck auch, wie komisch und gekünstelt sich die beiden ohne sie verhalten hätten. Aber trotz der leichten Dankbarkeit schaut er mehr als einmal irritiert zu der Frau, die immer wieder ungefragt unqualifizierte Meinungen von der hellen Sitzgelegenheit einbringt in die "Nerd-Sprache" der beiden jungen Männer. Und Mark ist nett, er ist charmant und lässt sich überhaupt nicht anmerken, wenn er genervt ist. Einzig seinem Vorschlag, das Gespräch auf später zu verschieben, könnte man vielleicht einen minimalen Grad an nervlicher Erschöpfung entnehmen, oder einfach nur diplomatische Pragmatik.

"Ich schaue später bei dir vorbei", lächelt Mark ihm zu und zwinkert. "Danke, Boss." Donghyuck nickt und richtet sich auf. Als er sieht, dass Mia die eine Fotografie von Mark und seinem Vater betrachtet, die - wie Mark ihm einmal auf dem Nachhauseweg erklärt hat - pflichtbewusst und aus Prestigegründen auf dem Couchtisch steht, betrachtet, fügt er mit gesenkter Stimme hinzu: "Hab dir was neben die Tür gelegt." Mark guckt, registriert blitzschnell, lächelt. "Danke, Donghyuck", murmelt er höflich. Donghyuck verlässt das Bürozimmer, einfach so schnell wie möglich.

~

Aber das nützt ihm kaum etwas, denn sie steht auf dem Gang, als - ungewöhnlich spät - er nach Hause will. Was macht die denn noch hier, denkt Donghyuck und lächelt. Hoffentlich sieht er müde und lustlos genug aus, dass Mia jetzt nicht auf die Idee kommt, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Aber - zu seinem Glück - ist er grundsätzlich selten interessant für irgendjemanden und auch jetzt scheint die Gutachterin nicht an einem längerem Gespräch interessiert zu sein. "Hi, ähm, Donghan?" Sie verzieht ihre Lippen und Donghyuck fragt sich, wieso er sich überhaupt die Mühe gemacht hat, seines zu fälschen.

"Ja?"

Er tastet in seiner Manteltasche nach dem Bonbon, welches einmal aus einer Geburtstagstüte von Kyungies bester Freundin gerutscht ist. Gefunden. Und zack, ab auf die Zunge damit. Es ist dieser furchtbar künstliche Wassermelonengeschmack, wie er reuevoll feststellen muss. Er hustet. "Sag mal, weißt du zufällig, ob Mark vergeben ist?" Gott, diese Bonbons... Wie können Kinder sowas mögen? Donghyuck räuspert sich. "Jaaaa", sagt er mit fragendem Unterton, "er ist sogar verheiratet!" Keine Ahnung, wo diese Behauptung herkommt und warum er überhaupt solche Lügen erzählt. "Oh, wirklich?" Mia geht einen Schritt zurück, als wäre Donghyuck eben dieser Ehepartner und ab jetzt ihr Kontrahent. "Wo ist sein Ring?"

Donghyuck blinzelt. Mist, ja, stimmt. "Er hat mal erwähnt, dass er oft nach der Arbeit zum Wassersport geht. Vielleicht deswegen? Keine Ahnung, frag ihn selbst." Donghyuck merkt, wie undurchdacht und dumm, wie unsinnig und hirnrissig einfach alles an dieser Aussage ist. Er schiebt sich das Bonbon von der rechten Wange in die linke. "Tut mir leid, ich muss zum Bus." Sie betrachtet ihre schrecklich grell glänzenden und viel zu langen Nägel. "Klar, bye!", sagt sie freundlich, aber unüberhörbar enttäuscht.







Freitag zuvor

Jaehyun stößt die angehaltene Luft aus und streckt die Beine ungeduldig von sich. "Uff", murmelt er müde, "Wusste gar nicht, dass Ärzte so ewig brauchen..." Er nestelt eine Kaugummidose aus seinem Rucksack und nimmt sich einen heraus, ehe er dem Jüngeren einen anbietet. "Der hier bracht schon extra lang." Donghyuck wackelt schlaftrunken mit den Knien und versucht, einen halbwegs wachen Kontrollblick auf seinen Neffen zu werfen, der sich mit selbsterzeugten Soundeffekten und zwei seiner Actionfiguren gut unterhält.

"Aber du kannst ruhig fahren, wirklich!"

Das war die verlogenste Anstandsfloskel, die Donghyuck jemals geäußert hat. Er will nicht mit einem Taxi fahren, überhaupt nicht. Dann würde er wieder bei Jeno anfragen, ob dessen Cousin wieder aufgetaucht ist. Denn bei seinen Freunden traut er sich zu fragen. Immer noch ungeschickt und alles, aber es muss auch gar nicht perfekt sein bei Jeno und Renjun. Sie kennen Donghyuck.

Aber Gott sei Dank schüttelt Jaehyun den Kopf. "Alleine schläfst du doch ein hier! Plus, ich kann schonmal üben für Soris Impftermin im Dezember. Und Mark erinnert mich regelmäig, dich bloß nicht allein zu lassen", entgegnet er munter. Donghyuck lacht leise. "Impfen geht sehr viel schneller. Mark hat was?"

"Ist ihm extrem wichtig. Allein heute hat er zweimal unterschwellig nachgefragt. Ist bei euch eigentlich alles easy?" Jaehyun hält seinen Kopf schief und scannt Donghyuck von der Seite ab. Der gibt ein ratloses Geräusch zum besten. "Weiß nicht", antwortet er wahrheitsgemäß, "ich glaube, Mark will kein Vorbild sein für den kleinen Mann hier." Er nickt mit dem Kopf zu Kyung. Jaehyun betrachtet sie beide lange. "Ist trotzdem gerne mit euch zusammen, wie ich das mitbekommen habe. Und ist das nicht Vorbild genug?"

KYUNG [SANA]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt