Mark erreicht die Ampel, an der sein Up vor gefühlten Jahrzehnten den Geist aufgegeben hat, fast zeitgleich mit Yutas "Markie boy!" zu, der den Anruf schon nach einem Klingeln annimmt. "Was geeeeht? Schön, dich zu hören!" Der Japaner klingt so fröhlich wie eh und je, und in seiner Nähe irgendwo ruft Sana eine herzliche Begrüßung. Sie quatschen eine Weile - Smalltalk - und irgendwann zieht Yuta sich in einen anderen Raum zurück. Er scheint zu wittern, dass sein bester Freund etwas auf dem Herzen hat.
"So, Mark, was ist wirklich los?", will er fürsorglich wissen. "Ach." Mark seufzt lange und ist plötzlich froh, dass seine Rückfahrt fast 30 Minuten dauert. Er wechselt die Spur, als es grün wird und dreht seinen besten Freund im Autolautsprecher etwas lauter. "Donghyuck?" Mark zuckt zusammen, sowohl wegen des Namens als auch wegen der zu hohen Lautstärke des Japaners. Er dreht den Regler fahrig wieder nach unten. "Ist das so offensichtlich?", will er wissen, ohne eine Antwort zu geben. Gut, die Rückfrage ist eigentlich Antwort genug und Yuta kennt ihn ohnehin in- und auswendig. "Ja", erwidert der trocken, "ich meine, du hast seit deiner Flamme übers gesamte Studium hinweg niemanden mehr so angeschaut - und niemand hat dich so angeschaut."
"Drew war etwas ganz anderes!"
"Stimmt, ihr habt euch nach dem Abschluss auseinander gelebt und du wolltest deinen Vater nicht verärgern mit jemandem mit Augenbrauenpiercing. Obwohl wir alle dachten, das hält für immer. Aber ich bezweifle ziemlich stark, dass du dich mit Donghyuck auseinander lebst. Um ehrlich zu sein, dachte ich, du kommst nie wieder über diesen Dude im Mai hinweg, man, du hast von dem geredet, bis Donghyuck kam. Dann hast du von Donghyuck geredet, nonstop." Mark hält an einer Ampel und klappt das Handschuhfach auf, um zu kontrollieren, ob da noch genügend M&Ms sind. "Echt, so schlimm?"
Yuta grunzt. "Ich war damals vermutlich genauso schlimm, als ich in jedem Telefonat nur von Sana geredet hab. Und du bist immer noch um Welten harmloser als Jungwoo!" Er kichert vor sich hin. "Wobei ich nicht verstehe, was Donghyucks Problem ist. Ist er nicht sogar bisexuell?" Er pustet ins Mikrofon und für einen Augenblick besteht die Luft im Mitsubishi aus einem unschönen, undurchgängigen Ton, und ja, komisch, aber der Klang spiegelt Mark Inneres ganz gut wieder. Er bläst die Wangen auf und lässt lautlos die Luft wieder entweichen. "Hm, ja, aber das weiß sein Neffe nicht. Warum redest du nicht mal mit ihm?"
"Wer bin ich, die Seelsorge Hotline?" Yuta lacht leise. "Aber irgendwann erfährt der Kleine es so oder so. Und so wie ich deinen Donghyuck einschätze, wäre ein ungeplantes Outing für sein Erziehungskonzept ungefähr das Schlimmste, was passieren könnte." Mark sendet ihm an der nächsten Ampel kommentarlos das Bild von gestern Abend. Yuta schweigt lange, bis er ganz leise irgendeinen japanischen Fluch ausstößt. "Es ist alles so normal und keine Ahnung, aber irgendwie will er es nicht aussprechen. Bin mir nicht mal sicher, ob K der einzige Grund ist." Yuta schnauft erstmal. "Du hast doch gesagt, du fährst von Donghyuck nach Hause, wie kannst du im Auto am Handy", er regt sich auf, für ihn ist ein Handy am Steuer ein unverzeihliches Verbrechen, seit Sana einmal drei Monate wegen eines Smombie-Autofahrers im Koma lag. "Normal? Wie meinst du?"
"Naja, bevor er nach Daegu ist, habe ich seine Familie kennengelernt."
"Du meinst seinen Bruder?"
"Der in Japan, ja, mit seiner Freundin. Über Skype."
"Ach so. Und was war daran jetzt normal?"
"Alles irgendwie. Er war so wie immer. Ich glaube, sein Bruder hat ihm gut zugeredet. Hätte mich nicht gewundert, wenn er mich geküsst hätte, ehrlich gesagt."
"Wenn er WAS?"
Mark ignoriert ihn und fährt in seine Einfahrt. "Er hat aber so viel geredet und kurz hab ich überlegt, die Initiative zu ergreifen. Hab es aber gelassen und ihn stattdessen nach hinten gezogen, wenn von der Kamera."
"WAS?"