ARBEITSBEZIEHUNG

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Dezember

"Hi, Onkel Hyuck!", schreit der kleine Junge knapp zwei Wochen später in den Hörer. Donghyuck liegt mit dem Rücken auf der viel zu harten Matratze seines Hotelzimmers in Daegu und wünscht sich, die Augen geschlossen, Kyungie würde neben ihm auf dem Bett herumrutschen und seine blöden, sinnlosen, irrationalen Kinderfilme anschauen und irgendetwas knabbern. Er könnte sogar krümeln, was sein Onkel für gewöhnlich immer strengstens untersagt. Seine Freunde begrüßen ihn unbeschwert und für einen Moment ist alles gut, alles schön, alles top. Dann vernimmt er die Stimme seines tollen, attraktiven Vorgesetzten und nichts ist mehr perfekt. Donghyuck kneift die Augen noch fester zu. Mark wartet immer noch auf eine klare Ansage und er wird nicht für immer warten. Aber der Jüngere läuft davon und um es treffend zu formulieren: er ist ein Meister darin.

"Hey, Jungs", sagt er und seine Stimme hallt müde in dem kleinen, unpersönlichen Zimmer wider. "Wie war dein erster Schultag, mein Großer?"

"Der war spitze!", ruft Kyung. Sein Onkel am Telefon lächelt und guckt hoch an die Decke. "Sind die Lehrer nett?"

"Jaa."

"Mark hat eine Schultüte gemacht, mit einem Spiderman-Onesie. Sieht drollig aus." Renjun kichert. "Ich schicke dir später ein Bild." Renjun klingt immer ziemlich laut, daher ist es quasi unmöglich für Donghyuck zu sagen, ob er direkt neben Kyung am Mikro hockt oder am anderen Ende des Raumes in der WG. Kyungies Kichern nach zu urteilen sitzt er gerade neben ihm und ist ihm soeben durch die Haare gewuschelt. "Oh, sehr schön! Und deine Klassenkameraden, auch alle nett?"

"Sind sie! Aber Onkel Hyuck?"

"Was, Kyungie? Haben sie dich geärgert?"

"Nein bloß... Die sind alle größer als ich. Auch die Mädchen, ist das schlimm?" Kyung klingt zögerlich und unsicher. Sein Horizont hat nie die Durchschnittgröße sechsjähriger Jungen umfasst. 115-120 cm. 

"Dass du kleiner bist, ist nicht schlimm. Das sind nur Zahlen." Mark räuspert sich. "Ich hab dir das doch vorhin erklärt, K. Das ist nur eine blöde Größenangabe, vergleich dich nicht mit anderen, vor allem nicht bei sowas. Worauf es wirklich ankommt, ist dein Lachen und dass es dir gut geht. Und wenn dich jemand nett findet, werdet ihr Freunde. Egal, wie groß du bist oder er oder sie.", erklärt er leise. "Du arbeitest doch das gleiche wie Hyuck", überlegt der Junge laut. "Ja, und?"

"Naja, ihr arbeitet doch auch nur mit Zahlen."

"Das stimmt gar nicht! Haskell zum Beispiel oder Java oder Phyton sind Sprachen, Kyungie, das weißt du do..."

"Wir sind keine Freunde geworden, weil mir die Körpergröße deines Onkels gefällt, K. Nicht einmal Arbeitsbeziehungen funktionieren so, egal was er dir erzählt hat."

"Ist das, was ihr da habt, eine Arbeitsbeziehung?"

Mark schweigt und es wird stumm am anderen Ende der Leitung. Donghyuck schweigt auch. "Hyuck, bist du noch da?", plappert der kleine Junge sofort los. "Hm, was, ja, wie man es nimmt, ja, doch, Arbeitsbeziehung", murmelt der Dunkelhaarige. Ein gefälschtes Lachen ertönt. "Autsch", sagt Mark spielerisch, "ich würde schon sagen, wir sind Freunde abseits der Arbeit."

"Ja... Und Kyungie, bei Renjun und Jeno klappt es? Bist du schön brav?

"Er ist super brav, Hyuck, mach dir keine Sorgen. Und Kyung, denk doch an diesen einen Jungen, mit dem du dich angefreundet hast, Leon? Hatte der ein Maßband dabei oder fand er dein tolles SpongeBob-Oberteil cool?"

"Leo!", krächzt Kyung aufgeregt. Donghyuck lächelt erleichtert. Seine Befürchtung, sein Neffe würde wie er als Einzelgänger in die erste Klasse starten, bis in der dritten Klasse eventuell ein kleiner Renjun dazustoßen würde, wie es bei ihm der Fall war, wird vermutlich nicht eintreffen. "Hast du gerade 'saucool' gesagt", wispert Mark amüsiert. Jeno antwortet wohl nur mit einem Nicken oder ähnlichem. "Wie dem auch sei, Hyuck, wie war der zweite Konferenztag?", hakt er nach. Der Dunkelhaarige schmunzelt. Und Mark hat gesagt, ER wäre schlecht im Ablenken? "Gut, gut. Meine Präsentation hat gleich viele Interessenten angezogen. Ich hab auf meinen Boss verwiesen, das ist nicht mein Fachgebiet. Könnte sein, dass du morgen ein paar Anrufe kriegst, Mark." Mark seufzt leise auf und Donghyuck klappt die Augen wieder zu, damit er sich den Blonden zu sich und Kyungie aufs Bett wünschen kann.

"Wir sind mal Kochen. Dann könnt ihr berufliches besprechen." Renjun klingt so zweideutig wie nie zuvor und Donghyuck kann sich den Blick vorstellen, welchen er seinem Boss zuwirft, bevor er Kyungie zum Mitkommen auffordert.


~


"Ein Geschäftsmann hat Kontakte zu einem Unternehmen, dass als Partner infrage kommt."

"Mhm."

"Er lässt dir die Daten zukommen und kümmert sich um ein erstes Angebot.

"Mhm."

"Alles gut?"

"Ja. Nein. Nur... deine Energie, deine Wärme, deine Stimme, alles an dir. Wir vermissen es jetzt schon, Donghyuckie. K war unendlich traurig gestern Abend. Ich vermisse es auch. Dich."

"Ich vermisse euch auch." Er zögert kurz, hofft einfach, dass Mark weit weg von den anderen ist. Aber war das vorhin nicht das Schaben von Jenos Zimmertür? "Dich."

KYUNG [SANA]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt