"Donghyuckie", murmelt Mark und rutscht dem siebenjährigen Kyung die Mütze aus den Augen, "kommst du mit zu meinem Vater zum Kaffee und Kuchen nächstes Wochenende?" Er schaut hoch und dem Jüngeren ins Gesicht, das jegliche Emotionen verliert und das wird, was Kyung jetzt schon so treffend als 'kalt' betitelt. "Ich kenne deinen Vater doch schon. Danke, nein."
"Josy kommt auch!"
"Josy ist nett, aber überzeugt mich nicht."
"Ich will ihm zeigen, dass du mehr bist als ein aufmüpfiger Angestellter. Dass ich... dich liebe." Mark und Donghyuck schauen beide zu Kyung, aber der hört gar nicht zu. Er sucht mit den Augen angestrengt den Flug seiner Eltern, der in drei Minuten Seoul erreicht. "Du weißt, wie ich dazu stehe. Zeig es mir heute, indem du nicht schon wieder die Decke an dich reißt, und gut ist."
"Na gut. Krieg ich n Kuss?" Mark schmollt, innerlich aufgeregt und stolz, weil er weiß, dass das für Donghyuck immer ein Riesending sein wird vor seinem Neffen - auch wenn der nicht einmal mehr hinschaut. Aber er küsst ihn jedes Mal und das macht Mark glücklich und stolz.
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Donghyuck hat noch letztes Jahr Bekanntschaft mit Marks Schwester gemacht, in einem unglücklichen, peinlichen Zufall. Es war der zweite Weihnachtsfeiertag, nachdem Donghyuck und Mark bei Jaehyun Weihnachten gefeiert haben und noch mehr als Mark sich über einen nagelneuen coolen Kindersitz von seinem langjährigen Kumpel gefreut hat, hat er - so blöd es auch klingt - einen Kuss von Donghyuck bekommen und okay, es ist ziemlich sicher an irgendwas Materiellem nicht zu toppen. Mark hätte nicht gedacht, dass die beiden wegen ein paar Fahrten zum Arzt so zusammengewachsen sind, aber Donghyuck hat ihm nie gesagt, dass Jaehyun ein Riesenvorbild für Kyung war und ist und dass sie schon beim zweiten tiefsinnigen Gespräch im Wartezimmer Nummern getauscht haben.
Das "Und, Donghyuck, so schlimm war es doch gar nicht, oder?" würde für Mark auf ewig ein Mysterium bleiben, vielleicht wollte er auch gar nicht im Detail wissen, inwiefern Jaehyun das möglich gemacht hat. Es dauerte noch Monate, bis Donghyuck bereit war, seinen Boss vor anderen zu küssen, aber das war okay für Mark. Marks Schwester war auch eher ein Versehen, wer hätte auch ahnen können, dass sie über die Feiertage als Überraschung vorbeikommen wollte - und einen Schlüssel besaß? Gut, das hat Mark theoretisch ahnen müssen, aber seinem Gesicht nach zu urteilen ist er damals genauso erstaunt und verschreckt gewesen wie der Jüngere.
Mark hat Donghyuck zwar immer prophezeit, dass seine Schwester ihr Verhältnis / Beziehung / was-auch-immer-das-ist unterstützen, geheimhalten, verstehen und schon gar nicht verurteilen würde, aber Donghyuck wusste, dass Mark mit seiner Schwester nicht über so etwas sprach wie er mit Gaeul. Und wäre es nach ihm gegangen, hätte er mit Josy vielleicht erst im darauffolgenden Jahr Bekanntschaft gemacht. Vielleicht ist es auch 'ein Zeichen' gewesen, wie Jaehyun und auch Renjun heute kichern, wenn die Unterhaltung auf Marks Schwester zusteuert.
Noch heute schämt Donghyuck, wenn er an die Situation letztes Jahr denkt. Er und Mark, beflügelt von Jaehyuns Unterstützung, endlos glücklich von Gaeuls Anruf, dass Nayoko Ja gesagt hat, und sorglos, weil Kyung mit seinen Eltern zusammen war, sie beide wie verliebte Teenager zur Tür hereingestolpert und sogleich in eine merkwürdige Umarmung gefallen, von Kichern und Wispern eingehüllt, ihre Nasenspitzen aneinander, so intim wie nie zuvor - und dann eine weibliche Stimmer tadelnd und belustigt: "Mark?"
Der Blonde hat nur ihren Namen gesagt und das war schon genug für Donghyuck, alle Infos vor Augen zu sehen, die Mark ihm jemals gegeben hat, und vor Schock, Stress, Angst, Überforderung, Ungewissheit und so vielem mehr erst mal in Ohnmacht zu fallen. Was Donghyuck schlicht peinlich fand und findet, ist "purer Zucker" für das blauhaarige Mädchen. Dass auch Kyungie nur ein paar Tage später von diesem 'Ding' zwischen Mark und seinem Onkel erfuhr, hat das Jahresende für Donghyuck in eine krisenschwangere Atmosphäre getaucht, auch wenn das alle anderen um ihn herum halb so wild sahen - Renjun und Jeno, Yoko und Gaeul, Josy und Mark, Jihyeon.
Aber Mark hat ihn nie aufgegeben und jede der verzweifelten Tränen- und Wutausbrüche neben Donghyuck gesessen und unermüdlich mit ihm geredet oder ihn mit Snacks versorgt.
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Gaeuls Blick bleibt wieder an dem Zettel von Mark hängen, den er damals kurz nach ihrem ersten gemeinsamen Besuch im Zoo an den Kühlschrank gehängt hat. Inzwischen hat Donghyuck ihn in einer anderen Schriftart als Comic Sans designt und laminiert, denn ob man es glauben will oder nicht: der Zettel hilft. Und manchmal, da nimmt Donghyuck ihn auch zu Hilfe. Zwar lassen sie beide meistens die Bitte-Lücke weg und fühlen sich grundsätzlich einfach nur 'wütend', aber ab und zu wird besonders Kyung konkreter und das ist extrem hilfreich.
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Mark hat ihm schon tausendmal erzählt, dass er die Smileys farbig gemacht hat, weil er erst kurz gedacht, das ist leichter für Kyung. Aber dann hat er realisiert, dass Farben seinen beiden Jungs, weder K noch Donghyuckie, überhaupt nichts bringen und er hat sich noch am selben Tag, an dem Donghyuck die Farben wortwörtlich blind übernommen hat, einen Folienstift und Kyung geschnappt, damit die beiden sich an Augenbrauen und anderen signifikanten Hinweisen im Gesicht orientieren könnten. Das QUICK HUG ist laut Mark orange, in Erinnerung an sein erstes Auto, und Donghyuck verdreht jedes Mal die Augen, wenn der Andere auf den pädagogischen Wert beharrt, den Umarmung angeblich haben.
"Das ist eine richtig tolle Idee", meint Gaeul verlegen und nickt zu dem laminierten Gefühls-Assistenten. "Ich wünschte, Nayoko könnte das sehen", fügt er leise hinzu. "Vielleicht will Kyung es ihr erklären. Er hätte dann sowieso noch einen Wunsch." Mark lächelt ihm warm zu. Kyung verhaspelt sich oft und formuliert seine Beschreibung komplizierter, als sie ist, aber weder Mark noch Donghyuck schreiten ein. Mark nicht, weil er, wie auf dem Spielplatz, einfach da ist, wenn der Kleine ihn braucht, aber mehr auch nicht. Und Donghyuck nicht, weil Mark seine Hand unauffällig drückt. Aber seinen Mund hält er nicht zu, daher sprudelt es aus Donghyuck: "Und was wolltest du Mama fragen, Kyungie?"
Während der Junge mit leuchtenden Augen alles nochmal erzählt, schiebt Donghyuck seinem Bruder einen kleinen Schnipsel von Yuta hin. "... und deswegen will ich das japanische Wort unter QUICK HUG schreiben! Mama, Papa, helft ihr mir? Bitte!" Das 'Bitte' verursacht minimale, kaum bemerkbare Regungen und Zuckungen in den Gesicht von seinen Eltern. Yuta hat die Schriftzeichen schon vorgemalt, und Donghyuck tastet gerührt nach Marks Hand, als die kleine Familie vorm Kühlschrank kniet und jeder seinen Teil beiträgt.
"Ich habe Waffeln gemacht", bietet er leise an, als die drei fertig sind, mit fragendem Unterton. Mark hustet lautstark. "Wir haben Waffeln gemacht", verbessert der Dunkelhaarige sich. Kyungie hat zwar nur etwas im Teig herumgepanscht und Mark hat neben ihm gesessen, aber vorhin hat er schon betont, dass K sich bestimmt freut, wenn er mitwirken kann. Und gut, Kyungie strahlt stolz bei den Worten seines Onkels. Nayokos Züge werden weich und sie tastet nach der Hand von Donghyucks Bruder. "Wie lieb! Ich probiere gerne! Du auch, Schatz?"
Gaeul unterstreicht sein Nicken mit einem Brummen und führt seine Frau beschützend an den Esstisch.