Dezember
Es ist vermutlich der allerletzte Tag in diesem Jahr für den Spielplatz und Mark musste versprechen, dass sie die kalte Rutsche heute meiden, nicht länger als eine Stunde weg sind und er regelmäßig nachsieht, ob K Mütze und Handschuhe trägt und nicht wieder Nasenbluten bekommt. Und nach seinem langen, nervtötenden Arbeitstag will Mark auch gar nicht länger als 60 Minuten hier draußen bleiben. Fast schon ist er neidisch gewesen, als Donghyuck sich auf der Arbeit um zwölf aus dem Staub gemacht hat.
Aber wahrscheinlich wäre der Dunkelhaarige gerne einfach im Büro geblieben, denn sein Tag hat wohl mit einem frühen Feierabend nichts gemein gehabt: Bude putzen, zwei Stunden home office, Kochen, ein Termin bei einem Anwalt oder so (genauer hat Mark nicht gefragt), Kyung um halb drei mit dem Bus abholen aus dieser komischen Halbtagesbetreuung (Donghyuck will nicht so abhängig von Mark und seinem Auto sein, wenn es nicht unbedingt sein muss, und außerdem hatte sein Boss heute ein wichtiges Meeting), das waren die Dinge, an die er sich erinnern kann. Und zumindest aufgeräumt hat der Jüngere heute schon, denn als Mark kurz ins Warme getreten ist, hat er schon zwei Veränderungen bemerkt. Der Schuhschrank hat wohl eine grundlegende Umstrukturierung bekommen (Marks Hausschuhe stehen jetzt im untersten Fach) und der Spiegel, welcher schon immer verdreckt gewesen ist, glänzt einladender als jemals zuvor.
Wie viel Donghyuck von den restlichen Vorhabungen umgesetzt hat, weiß er nicht, aber Mark hofft auf die versprochene Kartoffelsuppe. Es ist zwar erst halb sechs, aber er hat wahnsinnigen Hunger. Aber ausgewogene Ernährung steht beinahe über allem anderen, und seit Mark quasi bei Donghyuck und seinem Neffen wohnt - kaum mehr als eine Woche, hat er das ein oder andere Gericht kennengelernt - und prompt Ärger von Donghyuck bekommen, was ihm denn einfällt, "Kyungie die Tiefkühlnuggets mit Nudeln hinzuklatschen, wenn ich einmal nicht da bin.!" Die wären für den absoluten Notfall.
Es sind nur noch wenige Tage bis Weihnachten und jemand hat die Schaukel mit einer Lichterkette verschönert, deren Batterien nur noch ab und zu in Form eines schwächlichen Aufflackerns ihren Lebenswillen verraten. Es sieht fast schon beunruhigend aus, wie es manchmal aufblitzt, als der kleine Kyung Jungwoos noch kleinere Tochter anschubst. Mark kann sich an damals erinnern, als er Kyung angeschubst hat, damals noch fünf Jahre jung, und keine Ahnung hatte, dass es sich dabei um einen Verwandten seines süßen, versautes Date handelte.
"Und gibt es eigentlich schon neue Entwicklungen mit deinem Loverboy?" Jungwoo grinst ihn frech an und gibt seinem Hund eine schnelle Streicheleinheit, bevor seine Fäuste wieder in die Taschen steckt. Mark schüttelt nur stumm den Kopf. Er hat schon mehrmals deutlich kommuniziert, dass die beiden wirklich mal besprechen müssen, was das jetzt ist (von ihm aus auch ohne Kyung in Kenntnis zu setzen) und jedes Mal hat Donghyuck ihn vertröstet und na schön, jetzt ist es vielleicht wirklich unpassend, viel Stress und kaum Zeit. Sogar die zweisamen Momente beschränken sich zurzeit auf nachts und berufliche Gespräche in Marks Büro, die auf den Wunsch des Anderen weitgehend ohne irgendwelche Dinge, die über kollegialen Umgang hinausgehen, ablaufen.
Jungwoo will etwas sagen, seinem Gesicht nach zu urteilen, etwas Fieses, aber die zwei Kleinen kommen zur Bank gestürzt. "Guck mal, Mark da hinten lag ein Stein, der hat die gleiche Farbe wie dein altes Auto!" Kyung strahlt und überreicht Mark einen grau-weißen Stein. Jungwoo schaut kurz irritiert zu ihm, ehe er die Jacke seiner Tochter hin und her zieht. "Danke", sagt Mark und schluckt schwer. Die Situation ist so absurd und tragisch, dass er weinen will. "Lieb, dass du daran denkst, K." Er lächelt, aber seine Lippen zittern. "Gehen wir morgen nochmal in den Zoo? Oder ins Sea Life, mit meinem Onkel?"
"Nein, K, morgen Nachmittag holen wir doch deine Eltern. Vielleicht gehen die am Montag mit dir in den Zoo?" Kyung schmollt für den Bruchteil einer Sekunde dann zeigt er strahlend seine Zähne. Mark will noch mehr weinen bei Kyung kindlicher, natürlicher Freude. Jungwoo hustet. "Geht noch einmal den Kletterpfad durch, dann gehen wir, hm, Sori? Mama wartet zuhause mit Kroketten und paniertem Gemüse!", schlägt er vor.