Kapitel 6 - Hunter

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Hunter erwachte. Seine Augenlider fühlten sich noch schwer an, als er ein paar Mal blinzelte. Eine Sache fiel ihm jedoch sofort auf. Es war hell, Sonnenlicht drang durch die Fenster herein und warfen Lichtmuster an die Decke und die Wände. 

Er streckte sich, bis seine Knochen knackten und kroch etwas mühsam aus seinem Schlafsack. Sein Blick wanderte zu Jayda, die noch seelenruhig zu schlafen schien. Ein Lächeln umzuckte seine Lippen, als er sie mit leicht geöffnetem Mund und ziemlich zerzausten Haaren daliegen sah. Sie war wirklich hübsch, das musste er zugeben. Allerdings war er in keinster Weise in dieser Hinsicht an ihr interessiert, immerhin mussten sie zusammenhalten und da hatten Gefühle nichts verloren. 

Noch einmal streckte er die Arme über den Kopf, bevor er sich erhob. Er ging das kurze Stück zum Kamin, in dem nur noch ein Glimmen zwischen den heruntergebrannten Holzscheiten zu sehen war. Einen Moment lang ließ er sich die Restwärme ins Gesicht fallen, bis er sich wieder umdrehte. Seine Blase meldete sich und er beschloss, sich gleich ein wenig frisch zu machen. Zumindest soweit das ohne fließendes Wasser ging. 

Er kramte in seinem Rucksack herum, möglichst leise, um Jayda nicht zu wecken und holte ein paar frische Klamotten heraus. Er klemmte sie sich unter den Arm und schlich hinaus in den Flur. Tatsächlich wirkte das Haus bei Tageslicht lange nicht so gruselig, wie gestern Abend. Vermutlich waren seine Nerven einfach nur überreizt gewesen und die Müdigkeit hatte ihm den Rest gegeben. 

Er sah sich dennoch im Flur um, der noch genau so staubig und verlassen wie gestern dalag, was seine Vermutung bestätigte, dass dieses Haus wirklich unbewohnt war. Er tastete sich die knarrende Holztreppe nach oben, denn da die Türen oben geschlossen und so die Fenster verborgen waren, drang kein Licht herein und es war unerwartet dunkel. 

Augenblicklich wurde ihm ein wenig unbehaglich zumute und er überlegte, ob er nicht zurückgehen und die Taschenlampe holen sollte, aber er entschied sich schließlich dagegen. Immerhin wollte er Jayda nicht wecken. Also schlich er weiter nach oben, eine Hand auf dem rauen Geländer, als hätte er Angst, sonst vom Weg abzukommen. 

Hunter schüttelte den Kopf über seine Angst und versuchte sie mit einem Grinsen zu verscheuchen. Das hier war einfach nur ein altes verlassenes Haus, das im Dunkeln vielleicht ein wenig unheimlich gewirkt hatte, aber es war nichts, wovor man sich fürchten musste. 

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte er die letzte Stufe und er erkannte die Klotür mit dem Herzausschnitt darin. Dadurch drang helles Sonnenlicht, sodass er die Klinke schnell fand und sie herunterdrückte. Als er die Tür aufzog, quietschte sie leicht und unwillkürlich musste er daran denken, dass sie ihn auslachte. Kopfschüttelnd lachte er auf, denn anscheinend waren seine Gedanken schon ganz wirr. 

Er betrat das Bad, legte seine frische Kleidung auf dem Boden ab und benutzte noch einmal das Plumpsklo. Ein unangenehmer Geruch stieg daraus hervor und ihm wurde bewusst, dass es mit Sicherheit schon sehr lange nicht mehr gereinigt worden war. Es schüttelte ihn bei der Vorstellung und er beeilte sich, wieder aus dem kleinen Raum herauszukommen. 

Stattdessen ging er in das größere Bad nebenan. Genau wie gestern Abend wunderte er sich über die opulente Ausstattung, die so gar nicht zu dem Plumpsklo passen wollte, aber ihm sollte es nur recht sein. 

Er warf einen Blick nach draußen und betrachtete einen Moment lang die Bäume vor dem Fenster. Es waren dunkle, blau schimmernde Tannen, die ungewöhnlich groß waren. Das Sonnenlicht schien sich in ihren Nadeln zu spiegeln und für einen Moment lang genoss er den schönen Anblick. Heute wirkte alles viel freundlicher und vielleicht würden sie heute bei dem schönen Wetter ein gutes Stück weiter kommen. Wohin? Das wusste er nicht, Hauptsache weg. 

Hunter griff eilig nach dem Bund seines Pullis und streifte ihn sich über den Kopf, bevor seine Gedanken wieder zu seiner Vergangenheit abschweifen konnten. Denn darüber wollte er ganz und gar nicht nachdenken. 

AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt