Kapitel 28 - Hunter

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Da war er. Alastor. Hunter konnte den Blick nicht von ihm lösen, obwohl ihm gleichzeitig all sein Blut in den Adern gefror und er am liebsten schreiend davon gelaufen wäre. Dieses Wesen, dessen menschlicher Körper zusammen mit diesem wolfsähnlichen Kopf vollkommen grotesk wirkte, jagte ihm pure Angst ein. 

Alastor befand sich in der oben in der Ecke des Zimmers, wo er sich mit seinen riesiges Händen und Füßen an den Wänden zu halten schien. Hunter erkannte, wie sich der Brustkorb des Wesens hob und senkte, seine Lefzen waren gebleckt und entblößten spitze, gelbliche Zähne. Geifer tropfte von seinem mächtigen Kiefer und die wahnsinnigen Augen des Wesens waren auf Hunter gerichtet. 

Dieser Blick löste so ein schreckliches Gefühl in ihm aus, dass er am liebsten so weit es ging davonlaufen wollte. Gleichzeitig konnte er sich keinen Millimeter rühren. Er kauerte in der Badewanne, den Blick starr nach oben gerichtet und war nicht in der Lage, sich auch nur zu rühren. Es war, als würde Alastor ihn in seinen Bann ziehen. 

Plötzlich formte sich das Maul des Wesens sich zu einem schrecklichen Grinsen. Hunter sank noch weiter in sich zusammen, sodass das Wasser über sein Gesicht schwappte und in seinen Mund und seine Nase drang. Hustend und prustend richtete er sich wieder etwas auf, wobei seine Hände jedoch an der glatten Keramik der Wanne abglitten und sein Kopf erneut untertauchte. 

Vollkommen umgeben von Wasser, das an seinem Körper zu zerren schien wie ein reißender Fluss, hörte er auf einmal eine tiefe, knurrende Stimme. Sie vibrierte durch seinen ganzen Körper, als hätte jemand tief in seinen Knochen eine Klangschale angeschlagen. Panisch riss er die Augen auf, erkannte Alastor unscharf durch das fließende Wasser noch immer an der Decke. 

„Töte...", vibrierte die Stimme durch seinen Körper und es fühlte sich eher so an, als würde sie aus ihm selbst kommen als dass er sie hörte. 

„Töte... die Mädchen."

Hunter erstarrte. Alastor befahl ihm... Moment! Die Mädchen? Mehrere? 

Plötzlich wurde Hunter am Arm gegriffen und mit einem schmerzhaften Ruck wieder zurück an die Wasseroberfläche gezogen. Erst als er reflexartig tief einatmete, bemerkte er, wie knapp ihm eigentlich die Luft geworden war. Wassertropfen perlten aus seinem Haar und seinen Wimpern über seine Wangen und fanden ihren Weg schließlich zurück in die Wanne. 

„Alles okay?", hörte er wieder eine Stimme, allerdings war sie nicht von diesem unheimlichen Wesen, sondern von Jayda. Hunter blinzelte und wischte sich mit der Hand das Wasser aus dem Gesicht. Endlich wurde seine Sicht wieder klar und er sah Jaydas verängstigtes Gesicht, das sich zu ihm herüber beugte. Noch immer hielt sie seinen Arm umklammert, als befürchtete sie, er könnte wieder abtauchen. 

Hektisch sah er wieder nach oben in die Ecke, allerdings war Alastor verschwunden. Es wirkte, als wäre all das nur seiner Fantasie entsprungen. Allerdings hallte der Befehl des Dämons noch immer in ihm nach. Töte die Mädchen. Meinte er damit Jayda und... Amber? Ein eiskalter Schauer lief ihm seinen Rücken herunter und er fokussierte seinen Blick wieder auf Jayda, die vor ihm kniete und ihn ansah, als würde sie sich ernstlich Sorgen um ihn machen. 

Er blinzelte ein paar Mal und holte sich so endgültig zurück in die Realität. Erst da wurde ihm klar, dass das Wasserrauschen verschwunden war und kein weiteres Wasser mehr aus dem Hahn kam. 

„Was...", stammelte er und als wäre seine Stimme genau das, was Jayda hatte hören wollen, atmete sie erleichtert auf. Endlich ließ sie seinen Arm los und erhob sich. 

„Bist du in Ordnung?", fragte sie ihn, während sie aus der Badewanne kletterte. Ihre Klamotten waren vollkommen durchnässt und mussten ihr unheimlich schwer am Körper kleben. Auf einmal wurde Hunter bewusst, dass er selbst keinerlei Kleidung trug. Panisch bedeckte er sich mit den Händen und senkte verlegen den Blick. 

„Ja... alles okay. Bei dir auch?", stammelte er. 

„Ja, das Wasser hat aufgehört überzulaufen. Keine Ahnung, was das wieder war", sagte sie. Hunter schluckte schwer und drehte langsam den Kopf zu ihr herum, sodass er sie über seine Schulter ansehen konnte. Sie stand da wie ein begossener Pudel, ihr Haar klebte in ihrem Gesicht und als hätte sie genau das auch in diesem Moment bemerkt, wischte sie es eilig weg. 

Hunter zögerte. Sollte er ihr von Alastor erzählen und von seinem... Befehl? Immerhin verspürte er keinerlei Drang, Jayda oder sonst irgendwen zu verletzen oder noch schlimmeres. Allerdings wäre das sicherlich ein wichtiger Hinweis, wenn sie das Rätsel des Hauses wirklich lösen wollten. Noch einmal atmete er tief durch und entschied sich schließlich für die Wahrheit. 

„Ich... ich habe Alastor gesehen und... und er hat mir eingeflüstert, dass ich die Mädchen töten soll", sagte er, allerdings klang seine Stimme kratzig und tonlos. Jayda wich unwillkürlich zurück und schlang die Arme um sich. Erschrocken sah sie sich im Raum um, allerdings schien sie genau wie er Alastor nicht mehr zu sehen. 

„Als du mich aus dem Wasser gezogen hast, war er nicht mehr da", erklärte er und spürte, wie sich allmählich seine Nerven zumindest ein bisschen wieder beruhigten. Alastor war weg und er hatte keinerlei Verlangen danach, seinem Befehl Folge zu leisten. 

Jayda, die noch immer einen gewissen Abstand zu ihm hielt richtete ihre vor Angst geweiteten Augen auf ihn. Sie wirkte, als wollte sie ihn etwas fragen, brachte aber keinen Ton heraus. Hunter wusste, dass sie vor ihm Angst hatte. 

„Scheint, als wäre ich gegen seine Einflüsterungen immun. Mir geht es gut", sagte er und zwang sich zu einem Lächeln, was ihm jedoch misslang. Jayda schluckte sichtbar, bevor ihre Mundwinkel ebenfalls zuckten und sie nickte. Hunter musterte sie aufmerksam. Sie wirkte ganz und gar nicht, als würde sie ihm glauben. 

„Ich... ich warte unten", sagte sie und bevor er noch irgendetwas sagen konnte, huschte sie aus dem Badezimmer. Er hörte ihre nassen Schritte durch den Flur und anschließend die Treppe nach unten gehen, bis sie schließlich verstummten. 

Noch einmal sah er zu der Stelle, an der er Alastor gesehen hatte und zuckte heftig zusammen, als er bemerkte, dass dort die Wand und die Decke dunkel verfärbt waren, so als hätte sich ein dunkler, seidiger Schleier darübergelegt. 

Eilig kletterte er aus der Badewanne, griff nach dem bereitgelegten Handtuch auf dem Waschtisch und wickelte sich darin ein. Der Boden war immer noch nass, aber das Wasser war inzwischen abgelaufen, vermutlich nach unten, denn es stand nicht mehr knöchelhoch. 

Er löste den Stöpsel aus der Wanne und als er das gluckernde Geräusch des Abfluss hörte und sah, wie das Wasser in einer kleinen tornado-ähnlichen Spirale verschwand, atmete er erleichtert auf. 

Sein Blick wanderte zu der Stelle auf dem Boden, an der er seine Klamotten achtlos hatte fallen gelassen. Sie waren von dem Sog des Wassers bis an die Wand neben der Tür gespült worden und natürlich vollkommen durchnässt. Er seufzte, denn obwohl ihm klar war, dass Jayda sicherlich Verständnis für seine Situation hatte, war es ihm mehr als unangenehm, nur mit einem Handtuch um die Hüften zu ihr nach unten ins Wohnzimmer zu gehen. 

AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt