Kapitel 42 - Hunter

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Nur allmählich ließen die Schmerzen nach und Hunter fühlte sich bereit, die Brause an Amber zu geben. Ihre Verletzung war nicht so großflächig wie seine, aber dafür war auch ihre Fußsohle betroffen, was sie deutlich beim Gehen einschränken würde. Sie hatten also alles andere als gute Startvoraussetzungen, um gegen Alastor zu kämpfen. 

Wäre die Lage nicht so prekär, hätte Hunter in diesem Moment vermutlich laut gelacht, aber ein Blick auf seine Armbanduhr verriet ihm, dass sie nur noch sehr wenig Zeit hatten. Siebzehn Minuten, um genau zu sein. 

„Wir sollten uns beeilen", sagte er, woraufhin Amber das Wasser abdrehte und die Beine über den Rand der Badewanne schwang. 

„Gibst du uns ein paar mit kaltem Wasser getränkte Handtücher?", fragte sie Jayda, allerdings entging Hunter nicht der unterschwellige Vorwurf, der in ihrer Stimme mitschwang. Jayda war unverletzt, was Amber anscheinend verärgerte. Hunter sah zu Jayda, die fahrig zum Schrank am Waschbecken hastete und die Türen aufriss, bis sie verschieden große Handtücher fand. Sie schmiss sie ins Waschbecken und drehte das Wasser auf. Nach wenigen Sekunden wrang sie die Handtücher aus und brachte sie eilig zu ihm und Amber. 

„Hier", sagte sie und hielt ihnen beiden auf ausgebreiteten Armen die Tücher hin. Sogleich schnappte sich Amber ein kleines und wickelte es sich um ihren verletzten Fuß. Anschließend bückte sie sich nach ihrem Schuh und streifte ihn mit Mühe wieder über. Auch der Schuh war deutlich in Mitleidenschaft gezogen worden, aber die Sohle schien noch einigermaßen intakt zu sein, ebenso wie die Schnalle, damit er hielt. Vorsichtig trat sie mit dem Fuß auf und verzog sogleich schmerzverzerrt das Gesicht. Allerdings beschwerte sie sich nicht und erhob sich. Hunter richtete den Blick wieder auf Jayda und nahm sich ebenfalls Handtücher, die er sich um die Unterschenkel wickelte. Die obere und die untere Ecke quetschte er unter die Schichten wie bei einem Verband, damit sie an Ort und Stelle blieben. 

„Gut. Wir sollten wieder nach unten gehen und uns auf den Kampf vorbereiten", sagte Amber kühl und humpelte in den Flur. Hunter spürte, dass Jayda ihn hilfesuchend ansah. Als er ihren Blick erwiderte bemerkte er, dass ihre Unterlippe zitterte. 

„Das wird schon alles", sagte er zuversichtlicher, als er sich fühlte und folgte Amber in den Flur. Er bedeutete Jayda mit einer Kopfbewegung, dass er ihr folgen sollte und eilig setzte auch sie sich in Bewegung. 

Obwohl sie nur wenige Augenblicke benötigten, um zurück im Wohnzimmer zu sein, pochten Hunters Beine bei jedem Schritt. Sollte es wirklich zu einem körperlichen Kampf kommen, war er nicht wirklich eine große Hilfe, auch wenn er das nicht zugeben wollte. Auch Amber war eingeschränkt und Jayda schien nicht wirklich jemand zu sein, der gut im Kämpfen war. Wobei, der Überlebensinstinkt ließ ja für gewöhnlich ungeahnte Kräfte frei. 

Hunter warf noch einmal einen Blick auf die Uhr, deren Zeiger sich unweigerlich mit jeder Sekunde weiter auf Mitternacht zubewegten. 

„Also, was sollen wir nun tun? Es sind noch sechs Minuten bis Mitternacht", fragte er und sah abwechselnd Amber und Jayda an, die beide so wirkten, als hätten sie darauf gewettet, dass er sich einen Masterplan überlegte. Es war Amber, die sich als erstes regte. 

„Es geht hauptsächlich um mich. Ich muss versuchen, Rachels Seele zu befreien. Dafür muss ich in den Keller. Und es gibt nur einen einzigen Eingang, der nach unten führt", sagte sie, auch wenn das nichts Neues war. Dennoch nickte Hunter. Sie mussten es einfach versuchen, in der Hoffnung, dass sich während ihrer halsbrecherischen und durchaus lebensgefährlichen Aktion irgendein Plan formte. Er straffte die Schultern und sah zu Jayda, die schweigend da stand. Wieder bebte ihre Lippe und sie wirkte, als wollte sie am liebsten einfach davonlaufen. Aber das ging nicht, sie musste ihnen helfen. 

„Jayda, denk einfach daran, dass wir womöglich bald frei sein werden", sagte er zu ihr und zwang sich zu einem aufmunternden Lächeln. Jaydas Mundwinkel zuckten ebenfalls, allerdings nur für den Bruchteil einer Sekunde. 

„Genug der Gefühlsduselei! Gehen wir, es sind nur noch wenige Minuten", sagte Amber mit fester Stimme und ging, etwas humpelnd, in den Flur, geradewegs zur Kellertür. 

AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt