Kapitel 44 - Hunter

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Hunter hörte, wie sein eigener Atem stoßweise ging. Gleichzeitig fühlte er sich, als würde es hier unten kaum genug Sauerstoff zum Atmen geben. Amber war nur wenige Zentimeter vor ihm und er hoffte, dass sie in seiner Nähe bleiben würde, denn hier unten herrschte absolute Schwärze. Auch wenn er schon einige Male geblinzelt und sich mit aufgerissenen Augen im Kellerraum umgesehen hatte, wollten seine Augen sich einfach nicht an die Dunkelheit gewöhnen. 

„Hier muss doch irgendwo eine... Ah, gefunden", rief Amber aus und keine Sekunde später vernahm er ein Klicken. Ein Lichtkegel erschien und leuchtete auf den Boden des alten Gewölbes. Offensichtlich hatte Amber eine Taschenlampe gefunden. Hunter machte diese Tatsache jedoch ziemlich nervös. Sie wären eindeutig im Nachteil gewesen, wenn sie keinerlei Lichtquelle gehabt hätten. Wieso hatte Alastor nicht verhindert, dass hier unten eine Taschenlampe lag? 

Plötzlich erinnerte er sich an etwas, das Amber vorhin oben im Bad gesagt hatte. Durch ihre Verletzung war Alastor geschwächt worden. Vielleicht war genau das genau in diesem Moment ihr Vorteil, den sie nutzen mussten. Zögerlich warf er einen Blick zu Amber. 

„Du... du meintest vorhin, dass er durch deine Verletzung geschwächt ist. Was meinst du, wie lange das anhält?", fragte er, woraufhin Amber sich zu ihm herumdrehte. Sie sah ihn so eindringlich an, dass ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. Die Tatsache, dass das Licht der Taschenlampe unheimliche Schatten in ihr Gesicht warf, half ebenfalls nicht dabei, seine Angst zu mindern. Ambers Mundwinkel verzogen sich zu einer belustigten und gleichzeitig beinahe teuflischen Fratze. 

„Bei einer so geringfügigen Verletzung wie meinem Fuß? Ein paar Sekunden. Vermutlich war es gerade lang genug, um dich aus dem Feuer zu ziehen", sagte sie. Hunter erstarrte. Das bedeutete doch, dass Alastor gewollt hatte, dass sie in den Keller gingen und dass er gewollt hatte, dass sie diese Taschenlampe zur Verfügung hatten. Beinahe erwartete er, Alastors Lachen zu hören, aber im Keller blieb es absolut still. 

„Wir haben keine Zeit zu verlieren", warf Amber ein und Hunter musste zugeben, dass sie recht hatte. Dennoch warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war noch genau eine Minute bis Mitternacht. 

Tatsächlich gewöhnten sich auch allmählich seine Augen an das schwache Licht und er sah sich aufmerksam im Keller um. Er wirkte genau so wie in der Vision, in welcher Amber ihre Geschichte erzählt hatte. Der Raum war relativ klein und die Wände waren mit Regalen und sämtlichem Zeug vollgestellt. Die Bodenplatten aus rauem Stein waren teilweise gebrochen und er suchte unwillkürlich nach der Stelle, an der Rachels Grab sein musste. Er erinnerte sich, dass es ein relativ kleines Bruchstück einer Bodenplatte gewesen war, das Amber zunächst herausgelöst hatte. Allerdings konnte er kein solches Stück finden. 

Amber ließ den Lichtkegel am Boden entlang wandern, bevor sie an einer Stelle auf die Knie sank. Sicherlich wusste sie besser als er selbst, wo genau sich das Grab befand. Sie legte die Taschenlampe neben sich auf den Boden und tastete mit den Handflächen den Boden ab. Immer verzweifelter wurden ihre Bewegungen, bis sie dazu überging, mit dem Fingernägeln über den Boden zu scharren. Ein Schluchzen drang aus ihrer Kehle, bevor sie verzweifelt anfing zu weinen. 

„Hilf mir doch mal", rief sie aus und sofort fühlte Hunter sich schlecht, dass er die ganze Zeit nur blöd herumgestanden hatte. Sofort ließ er sich neben ihr auf die Knie fallen, den Schmerz in seinen Beinen ignorierte er. Er tat es Amber gleich und suchte verzweifelt nach dem kleinen Stein, den man herausnehmen musste, um das Grab zu öffnen. 

„Bist du dir sicher, dass es dir richtige Stelle ist?", fragte er, auch wenn er es bereits wusste. Der Keller war klein, es konnte nur diese Stelle sein. Amber ignorierte seine Frage und kratzte nun so heftig über den Boden, dass sich kleine Blutspuren darauf ablegten. 

Hunter wurde panisch. Sie hatten keine Zeit mehr, maximal noch wenige Sekunden bis Mitternacht! Sie konnten sich nun nicht mehr sammeln und Fuge für Fuge nach einer Schwachstelle suchen, um das Grab zu öffnen. Wieso um alles in der Welt waren sie erst wenige Minuten vor Mitternacht in den Keller gegangen? Hatten sie wirklich geglaubt, innerhalb einer so kurzen Zeit das Grab öffnen und sich darüber klar werden zu können, wie sie diese verdammte Kette einsetzen konnten? 

Er biss sie aus Wut und Frust über sich selbst so fest auf die Lippe, dass er Blut schmeckte. Beinahe war es so, als hätten sie sich von Alastor in Sicherheit wiegen lassen, dass sie das alles schon irgendwie hinkriegen würden. Wie hatte er nur glauben können, dass sie mir nichts, dir nichts einen Dämon austricksen konnten? Inzwischen bluteten auch Hunters Fingerkuppen, aber er spürte keinen Schmerz. Eigentlich fühlte er gar nichts. 

AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt