Noch bevor Jayda die Augen aufschlug, erwachte ihr Gehör aus dem Schlaf. Ein Rascheln, das Geräusch von Stoff auf Stoff. Ein Surren, dann ein Klicken.
Mühsam gelang es ihr, die Augen zu öffnen. Erst da bemerkte sie, dass es bereits taghell im Wohnzimmer dieses vermaledeiten Hauses war. Ihr Blick fiel auf Hunter, der nicht mehr auf seinem Sofa lag, sondern gerade seinen gepackten Rucksack auf dieses hievte. Er hatte ihr den Rücken zugewandt und Jayda beobachtete, wie er sich suchend im Zimmer umsah, vermutlich wollte er sichergehen, dass er auch nichts vergessen hatte. Offensichtlich wollte er so schnell wie möglich von hier verschwinden.
Genau in diesem Moment, als ihr das klar wurde, drehte Hunter sich zu ihr um und ging neben ihr in die Hocke, als wollte er sie wecken. Als er sie ansah und ihre Blicke sich trafen, zuckte er heftig zusammen. Jayda grinste, denn anscheinend hatte er nicht damit gerechnet, dass sie wach war.
„Du bist ja wach", sagte er ihre Vermutung bestätigend, gefolgt von einem unsicheren Grinsen. Jayda konnte nicht anders, als es zu erwidern. Beinahe vergessen waren die Schrecken der vergangenen Nacht, dennoch wollte sie hier keine weitere verbringen.
„Ja, ich bin gerade aufgewacht", sagte sie, während Hunter sich wieder erhob.
„Gut, ich denke, wir sollten uns möglichst früh auf den Weg machen und einen neuen Unterschlupf suchen", erwiderte er, räusperte sich und ließ den Blick ein wenig verlegen durch das Zimmer schweifen. Jayda nickte und krabbelte aus ihrem Schlafsack.
„Gute Idee. Ich packe schnell alles zusammen, dann können wir los", sagte sie und erhob sich. Ihr Rucksack stand am Fuß ihres Sofas und mit wenigen Schritten ging sie dorthin. Da sie kaum etwas ausgepackt hatte, würde es nur wenige Minuten dauern, bis sie bereit zum Aufbruch war. Sie kramte ihren dicken Pulli und ihre Jeans hervor und warf über die Schulter einen schnellen Blick zu Hunter. Er nickte wissend, schlenderte zum Fenster und kehrte ihr den Rücken zu, sodass sie sich unbeobachtet umziehen konnte. Sie beeilte sich, stopfte ihren Schlafanzug in den Rucksack und zurrte ihn zu. Ihr Haar ordnete sie hektisch mit den Fingern, bevor sie es mit dem Haargummi, das um ihrem Handgelenk einsatzbereit wartete, zu einem Zopf zusammenband.
„Ich bin fertig. Holen wir noch das Essen aus der Küche und verschwinden", sagte sie, woraufhin Hunter sich wieder zu ihr umwandte und auf sie zukam. Erst da bemerkte sie, dass er ganz und gar nicht erholt und ausgeschlafen aussah, sondern unter seinen Augen tiefe Ringe lagen. Auch sein Haar war mehr als unordentlich und es stand wie widerspenstiges Stroh von seinem Kopf ab.
„Alles okay?", fragte sie, was er natürlich mit einem viel zu schnellen Nicken beantwortete.
„Ja. Ich bin nur froh, wenn wir endlich hier weg sind", sagte er leise und Jayda vermutete, dass er letzte Nacht genau so große Angst gehabt hatte wie sie selbst, nur dass er es in dem Moment besser hatte verstecken können. Komischerweise machte es Hunter irgendwie noch sympathischer, dass er verletzlich war.
Jayda riss den Blick von ihm los und schulterte ihren Rucksack. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Hunter es ihr gleichtat und mit schnellen Schritten in Richtung der Wohnzimmertür ging. Jayda folgte ihm und zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass der Stuhl, den sie vergangene Nacht unter die Klinke geklemmt hatten, noch an Ort und Stelle war. Plötzlich hielt Hunter inne.
„Oh, Moment!", rief er aus und rannte zurück. Verwundert sah Jayda ihm nach und als sie erkannte, dass er geradewegs zum Kamin eilte und den Kranz, den sie für ihn gebastelt hatte herunternahm, legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Es war eine wirklich nette Geste von ihm. Er nahm seinen Rucksack noch einmal herunter und befestigte den Kranz oben an der Schlaufe, sodass er auf dem Deckel des Rucksacks ruhte.
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Amber
HorrorJayda und Hunter, zwei siebzehnjährige Ausreißer, finden Zuflucht in einem verlassenen Herrenhaus. Blackwood Manor, ein im Wald gelegenes, beeindruckendes Anwesen ohne Strom und Wasser wird bald ihr Zufluchtsort. Allerdings dauert es nicht lange, bi...