Glücklicherweise schien Jayda nach ihrem Misstrauen in ihn von heute Morgen wieder besser gelaunt zu sein. Sie trug in ihren Händen einen Schokoladenkuchen aus dem Supermarkt, der unter einer durchsichtigen Plastikhaube bei jedem Blick verlockender aussah. Zwar hatte er ihr nicht sagen wollen, dass er heute Geburtstag hatte, aber bei dem Angebot im Diner hatte er es gezwungenermaßen tun müssen.
Nun waren sie auf dem Rückweg zum Haus, jede Menge zu Essen in seinem Rucksack, das sicherlich für ein paar Tage reichte. Die Sonne schien noch immer, was zu einem großen Teil zu Hunters guter Laune beitrug, neben dem Kuchen natürlich.
„Wir sollten uns gleich den Rest des Hauses ansehen. Vielleicht finden wir ja noch mehr Überraschungen wie die Badewanne", schlug Hunter vor und als er zu Jayda blickte, nickte sie.
„Ja, vielleicht gibt es sogar ein richtiges Bett", schwärmte sie und obwohl sie auf ihren Sofas nahe beim Kamin ganz gut schliefen, wäre ein Bett eindeutig besser.
„Das wäre fantastisch!", rief sie aus und lachte sogar ein kleines bisschen. Hunter musste grinsen. Es war schön, dass sie in ihrer aktuellen Lage dennoch Momente fanden, in denen sie so etwas wie Glück verspürten.
Auf einmal drängte sich wieder einmal ein unangenehmer Gedanke in sein Hirn. Jayda war genau wie er von zu Hause weggelaufen und er fragte sich, was wohl ihr Grund dafür gewesen war. Allerdings wagte er es nicht, sie danach zu fragen, denn dann würde sie zweifelsfrei von ihm ebenfalls eine Antwort haben wollen, die er ihr auf keinen Fall geben wollte. Zumindest nicht die Wahrheit, aber er glaubte nicht, dass er ein sonderlich guter Lügner war.
Kopfschüttelnd vertrieb er den Gedanken und sah überrascht auf, als plötzlich vor ihm das Tor zum Haus aufragte. Um ein Haar wäre er dagegen gelaufen, so sehr war er in Gedanken vertieft. Das Efeu, das die Streben umwucherte, war nur wenige Zentimeter von seiner Nasenspitze entfernt, er konnte den durchdringenden Duft der Pflanze riechen und eilig trat er einen Schritt zurück.
Jayda kicherte unterdrückt, bevor sie das Tor mit einem leisen Quietschen öffnete. Das Efeu raschelte, als es bewegt wurde, was sich irgendwie ein klein wenig unheimlich anhörte.
Sie passierten das Tor und als er zum Haus blickte, wirkte es ganz und gar nicht mehr so gruselig und angsteinflößend wie gestern. Tatsächlich schien es eine einladende Unterkunft zu sein und Hunter spürte so etwas wie das wohlige Gefühl, wenn er nach Hause kam. Aber vermutlich nur, weil er schon seit vielen Jahren dieses Gefühl vermisst hatte.
Sie betraten das Haus und brachten das Essen geradewegs in die Küche. Sie stellten es auf dem großen Holztisch ab, den Kuchen genau in die Mitte. Fragend sah er zu Jayda, die die Hände in die Hüften gestemmt hatte und lächelte.
„In den nächsten Tagen haben wir auf jeden Fall keinen Hunger", sagte sie. Hunter nickte und auch er freute sich, zumindest dieses Problem für eine gewisse Zeit vergessen zu können.
„Okay, sehen wir uns mal um", sagte er, machte eine Kopfbewegung, dass sie ihm folgen sollte und verließ die Küche. Wieder im Flur ging er geradewegs zu der Treppe, Jayda dicht hinter ihm.
Im ersten Stockwerk lagen das Klo und das Bad, hier hatten sie nur ein Zimmer noch nicht betreten. Sie erreichten die letzte Stufe und Hunter wandte sich nach rechts, wo am Ende des Flurs noch eine verschlossene Tür lag.
„Ich bin ein bisschen nervös", gestand er, ging aber dennoch zielstrebig auf die Tür zu. Was sollte denn schon dahinter sein? Unwillkürlich musste er an einen Schaukelstuhl denken, den es so oft in Gruselfilmen gab und der sich wie von selbst anschaukelte. Er grinste in sich hinein, denn mit Sicherheit gab es solche Klischees hier nicht.
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Amber
HorrorJayda und Hunter, zwei siebzehnjährige Ausreißer, finden Zuflucht in einem verlassenen Herrenhaus. Blackwood Manor, ein im Wald gelegenes, beeindruckendes Anwesen ohne Strom und Wasser wird bald ihr Zufluchtsort. Allerdings dauert es nicht lange, bi...