Kapitel 39 - Jayda

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Auch wenn Jayda sicherlich nach außen hin ruhig wirkte, war sie innerlich vollkommen angespannt. Die Minuten krochen dahin, gleichzeitig vergingen sie wie im Flug. 

Schon seit einiger Zeit herrschte angespanntes Schweigen zwischen ihr, Hunter und Amber, die sich wieder auf ihren Platz vor dem Kamin zurückgezogen hatte. Sie selbst saß auf dem Boden vor Hunters Sofa und lehnte sich mit dem Rücken dagegen, während er unruhig im Raum auf und ab ging. 

Jayda folgte seiner Wanderung mit dem Blick, bis er alle paar Minuten stehen blieb, nachdenklich einen Finger ans Kinn legte und für einen Moment lang so aussah, als wäre ihm etwas eingefallen, bevor er seine Wanderung wieder fortsetzte. 

Inzwischen war es kurz nach elf Uhr, keine Stunde mehr und sie müssten ihre Chance nutzen, die Seele von Rachel zu befreien und Alastor für immer zu verbannen. Komischerweise verhielt Alastor sich vollkommen ruhig. Sie hatte ihn in den letzten Stunden weder gesehen noch sonst irgendwie wahrgenommen. Vermutlich bereitete er sich auf einen Kampf oder so etwas vor. Unwillkürlich schüttelte Jayda sich. Normalerweise ging sie selbst Streits aus dem Weg und nun sollte sie gegen einen Dämon kämpfen? Das kam ihr absolut absurd vor. 

Plötzlich blieb Hunter wieder stehen, genau zwischen Amber und ihr. Einige Sekunden lang stand er regungslos da, bis er auf einmal den Kopf in den Nacken legte. Jayda spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. 

„Hunter?", fragte sie mit zitternder Stimme, allerdings reagierte er nicht. Irgendetwas war anders, er legte nicht den Finger ans Kinn und eigentlich stand er auch schon viel zu lange regungslos da, um wieder über eine Idee nachzudenken. In diesem Moment reagierte auch Amber, die Hunter bisher den Rücken zugekehrt hatte. Als sie ihn sah, sprang sie auf und stellte sich vor ihn. Auch Jayda erhob sich langsam und beobachtete die beiden. Sah Hunter womöglich wieder Alastor? Langsam ging sie näher auf ihn zu, allerdings fühlten sich ihre Beine an, als wögen sie eine Tonne. Schwerfällig schlurfte sie über den dicken Teppichboden, bis sie bei Hunter und Amber angelangte. 

„Alastor beginnt", sagte Amber tonlos, ohne sie anzusehen. Jayda entwich ein Keuchen. Es war also tatsächlich Alastor, der hier sein Unwesen mit Hunter trieb. Panisch schlang sie die Arme um sich, denn allein bei der Vorstellung, dass Hunter womöglich gerade in seinem schlimmsten Albtraum gefangen war, ohne dass er entkommen konnte, löste schiere Angst in ihr aus. Sie wusste nicht, was sie tun konnte, um ihm zu helfen, aber irgendeine Möglichkeit musste es doch geben! 

„Was können wir tun?", fragte sie in den Raum hinein und trat näher an Hunter heran. Als hätte er sie gehört bewegte er wie in Zeitlupe den Kopf wieder in eine gerade Position und starrte sie geradewegs an. 

Jayda zuckte heftig zusammen, als sie sein Gesicht sah. Genauer gesagt: seine Augen. Das Weiße war verschwunden, ebenso seine Iriden. Sie waren eine schwarzen, blicklosen Farbe gewichen, die seine Augen zu Toren geradewegs in die Hölle werden ließ. Zumindest war das Jaydas erster Gedanke. Seine Haut war fahl und es bildeten sich kleine Schweißperlen auf seiner Stirn. 

„Hunter?", fragte sie noch einmal, allerdings kam kaum mehr als ein Krächzen aus ihr heraus. Langsam, ganz langsam, verzog sich sein Mund zu einem unnatürlichen, teuflischen Grinsen. Unwillkürlich wich Jayda vor ihm zurück und sie bemerkte, dass auch Amber einen Schritt zurückstolperte. Hunter drehte den Kopf zur Seite in Richtung des Kamins, in dem noch immer ein orange-rotes Feuer loderte. Obwohl seine Augen abgrundtief schwarz waren, schien sich der Schein der Flammen in ihnen zu spiegeln. 

Er ging näher an den Kamin, bis er ziemlich nah an das gusseiserne, etwa dreißig Zentimeter hohe Gitter kam, das verhindern sollte, dass man den Flammen versehentlich zu nahe kam. Seine Fußspitzen berührten es bereits und es musste ziemlich heiß an seinen Beinen werden. Besorgt musterte Jayda ihn, bis sie vorsprang und ihm am Arm packte. 

„Hunter, komm ein Stück zurück", sagte sie, aber er reagierte nur mit einem Abschütteln ihrer Hand. Obwohl sie ein gutes Stück weiter vom Feuer weg stand als Hunter, spürte sie die Hitze durch ihre Kleidung auf ihrer Haut. Es breitete sich ein Kribbeln aus ihren Beinen aus und sie trat einen Schritt zurück, um der Hitze zu entgehen. 

„Hunter, es wäre wirklich...", setzte sie an, aber weiter kam sie nicht. 

AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt