Hunter erschauderte. Wenn dieser Unfall schon ein gefundenes Fressen für Alastor war, was bestand dann ihm für eine Qual bevor, sollten sie es nicht schaffen, Alastor zu verbannen? Sein Verbrechen war unendlich viel schlimmer als das von Amber, denn er hatte in vollem Bewusstsein gehandelt. Es war kein Unfall gewesen.
Erst da wurde Hunter bewusst, dass sie wieder im Hier und Jetzt waren, diese dunkle, wolkenartige Masse war verschwunden. Langsam sah er zu Jayda, die vollkommen verängstigt neben ihm zusammengekauert auf dem Sofa saß. Hunter spürte, dass sie verängstigt war von diesen Schauergeschichten, die allerdings waschechte Realität waren. Sein Blick ruhte eine Weile auf ihr, allerdings schien sie es gar nicht zu bemerken.
„Gut, jetzt haben wir alle ein reines Herz und sind zumindest was das betrifft bereit, Alastor zu verbannen. Bleibt nur noch die Kette, die wir finden müssen", durchbrach Amber mit ihrer tonlosen Stimme die angespannte Stille.
Hunter wurde wütend. Sah sie denn nicht, wie sehr Jayda litt? Er funkelte sie an und schüttelte langsam den Kopf.
„Diese blöde Kette muss doch in dem Grab im Keller sein", sagte er, was Amber nicken ließ.
„Ja, das Problem ist nur, dass Alastor es uns nicht leicht machen wird, sie zu bekommen", erklärte sie in einem herablassenden Ton, so als läge das auf der Hand. Hunter seufzte.
„Wie auch immer. Aber wenn wir diese Kette haben, was müssen wir mit ihr machen?", fragte er weiter. Amber zuckte die Schultern.
„Ich weiß es nicht genau. Ich weiß nur, dass sie der Schlüssel ist, um ihn zu verbannen, weil sie der Grund ist, warum er aufgetaucht ist. Hätte Rachel nicht die Kette tragen wollen, wären wir niemals in den Keller gegangen", sagte sie. Hunter schnaubte.
„Ach, jetzt willst du auch noch der Kleinen die Schuld an der ganzen Sache geben?", empörte er sich, was Amber kaum merklich den Kopf schütteln ließ.
„Nein, mir ist klar, dass es meine Schuld ist. Erst durch mein Ungeschick ist die Platte in Bewegung gekommen."
Hunter schüttelte den Kopf und wandte sich wieder Jayda zu.
„Hey, alles wird gut", sagte er sanft zu ihr, woraufhin sie ein paar Mal blinzelte. Langsam drehte sie den Kopf zu ihm herum und nickte.
„Ja, ich... ich komme mir nur so schlecht vor. Dein Leid ist viel größer als meins und du bist so viel stärker als ich", nuschelte sie, was Hunter sofort den Kopf schütteln ließ.
„Nein, so darfst du auf keinen Fall denken, verstanden? Uns beiden sind schreckliche Dinge passiert. Aber nun sind wir weit weg davon. Wir müssen uns auf die Gegenwart konzentrieren, nicht auf die Vergangenheit", sagte er eindringlich und hoffte, Jayda ein wenig aufmuntern zu können. Wieder nickte sie, ließ sich dann aber wie ein Stein gegen ihn fallen.
„Okay, komm her", sagte er und legte einen Arm um ihre Schulter.
„Ich bin müde", sagte sie und schloss die Augen. Amber räusperte sich.
„Wir haben nur noch bis Mitternacht Zeit, dann müssen wir versuchen, die Kette zu bekommen. Wenn wir es heute Nacht nicht schaffen, müssen wir bis zum nächsten Vollmond warten", sagte sie eindringlich. Hunter warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Es war erst früher Abend, also hatten sie noch etwas Zeit, um sich auszuruhen und bestenfalls sogar einen Plan zu entwickeln, der kein Himmelfahrtskommando war.
„Wir sollten uns wirklich noch etwas ausruhen", sagte Hunter, allerdings schüttelte Amber vehement den Kopf.
„Nicht alle auf einmal. Alastor wird dafür sorgen, dass wir nicht aufwachen und den Moment verpassen. Ihr beide ruht euch aus, ich halte Wache", bestimmte sie und auch wenn Hunter nicht ganz wohl dabei war, dass Amber diejenige sein sollte, die sie bewachte, nickte er.
Vorsichtig kroch er unter Jayda hervor und bettete ihren Kopf auf einem Kissen, bevor er ihren Schlafsack über ihr ausbreitete.
„Schlaf ein wenig", sagte er, strich ihr das Haar aus dem Gesicht und wandte sich Amber zu, die auf seinem Sofa saß. Er hatte gemischte Gefühle ihr gegenüber, so richtig vertraute er ihr nicht, gleichzeitig schien sie die einzige zu sein, die sie aus diesem Schlamassel befreien konnte.
„Sieh mich nicht so vorwurfsvoll an", beschwerte sie sich im Flüsterton, vermutlich um Jayda nicht zu stören, „Überleg dir lieber einen Plan!"
Hunter schnaubte.
„Wessen Schuld ist es denn, dass Alastor hier überhaupt aufgetaucht ist? Meine ja wohl nicht", konterte er, woraufhin Amber wütend den Blick von ihm abwandte. Ruckartig stand sie auf, ging zum Kamin und ließ sich davor auf dem Boden nieder und blickte ins Feuer.
„Schlaf. Ich versuche mir etwas zu überlegen, wie wir Alastor überlisten können", sagte sie, ohne ihn anzusehen. Hunter schüttelte noch einmal den Kopf, befolgte dann aber ihre Anweisung. Er legte sich auf das Sofa, auf dem sie eben noch gesessen hatte und krabbelte in seinen Schlafsack.
Einen Moment lang blickte er zu Jayda, die offensichtlich bereits tief und fest schlief. Auch er schloss die Augen, allerdings blitzte vor ihm immer wieder das Bild seines Vaters auf, wie er ihn hilflos und fassungslos zugleich angestarrt hatte, über und über mit Blut besudelt.
Hunter schluckte schwer, denn auch wenn er die meiste Zeit die Gedanken an seine Tat verdrängen konnte, wusste er, dass er diese Nacht von ihnen gequält werden würde. Bereute er, was er getan hatte? Gute Frage. Er wagte es nicht, darüber nachzudenken, denn er hatte wohl das schlimmste Verbrechen begangen, das ein Mensch begehen konnte und er musste zugeben, dass er sich in diesem Moment frei gefühlt hatte.
Allerdings war ihm auch bewusst, dass diese Freiheit nicht mehr lange anhalten würde. Denn sollten sie es aus diesem Haus herausschaffen, würde er früher oder später von der Polizei geschnappt werden. Er konnte nicht ewig davonlaufen und wenn ihm der Prozess gemacht wurde, würde er unweigerlich bis zum Ende seines Lebens ins Gefängnis wandern.
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Amber
HorrorJayda und Hunter, zwei siebzehnjährige Ausreißer, finden Zuflucht in einem verlassenen Herrenhaus. Blackwood Manor, ein im Wald gelegenes, beeindruckendes Anwesen ohne Strom und Wasser wird bald ihr Zufluchtsort. Allerdings dauert es nicht lange, bi...