Kapitel 41 - Jayda

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 „Hunter, nein!", schrie Jayda und auch Amber entfloh ein panischer Aufschrei. Zeitgleich machten die Mädchen einen Hechtsprung nach vorn und packten Hunter jeweils an einem seiner Arme. 

Die Hitze des Kaminfeuers brannte sich in Jaydas Haut, aber sie nahm den Schmerz gar nicht wahr. Sie hatte nur einen Gedanken: Sie mussten Hunter retten. Denn dieser hatte auf einmal einen unglaublichen Schritt über das Schutzgitter hinweg gemacht, den Kopf eingezogen und sich geradewegs in die Flammen gestellt. Wäre es nicht so schrecklich, hätte es beinahe komödiantisch sein können, aber in diesem Moment hatte sich blanke Panik in Jayda ausgebreitet. 

Sie handelte instinktiv, dachte nicht darüber nach, dass auch sie von den Flammen versengt werden könnte bei dem Versuch, ihren Freund zu retten. Amber ging es gleich zu gehen, denn sie war sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hatte einen Fuß neben Hunter in die Flammen gesetzt, um ihn aus dem Kamin zu ziehen. 

Tatsächlich schien Hunter allmählich aus seiner Trance zu erwachen, denn leichter als gedacht ließ er sich aus den Flammen ziehen, bis er rücklings über das Gitter stolperte und unsanft mit dem Hintern auf dem Boden landete. Sofort sank Jayda neben ihm auf die Knie und legte ihm schützend die Hand auf die Schulter. Amber hingegen, die sie nur im Augenwinkel wahrnahm, taumelte und ließ sich benommen auf einem der Sofas nieder. Allerdings beachtete Jayda sie nicht weiter, es war viel wichtiger, sich um Hunter zu kümmern. Besorgt sah sie in sein Gesicht und stellte mit Erleichterung fest, dass seine Augen wieder ganz normal aussahen. 

„Hunter?", fragte sie, woraufhin er den Kopf langsam zu ihm herumdrehte und sie mit schmerzverzerrtem Gesicht ansah. 

„Jayda?", fragte er mit kratziger Stimme, allerdings ließ sie die Tatsache, dass er anscheinend wieder Herr seiner Sinne war, aufatmen. 

„Ja, ich bin es. Lass mich deine Wunden versorgen", sagte sie dann und richtete den Blick auf seine Beine. Seine Hose war ganz verkohlt, bis über die Knie und sogar sein Pulli hatte den ein oder anderen Brandfleck abbekommen. Offensichtlich verwirrt folgte Hunter ihrem Blick und als er seine versengte Hose sah, zuckte er heftig zusammen. 

„Was ist nur passiert?", stieß er hervor und fing hektisch an, sich von den Überresten seiner Hose zu befreien. 

„Du... du bist in den Kamin gestiegen, mitten in die Flammen", erklärte Jayda und spürte eine leichte Röte auf ihren Wangen. Es war ihr ein wenig unangenehm ihm zu sagen, was er Verrücktes getan hatte, auch wenn es ganz eindeutig unter Alastors Einfluss geschehen war. Hunter wirkte keineswegs überrascht. 

„Es hat sich angefühlt, als würde ich im Höllenfeuer stehen. Und ich habe meinen Vater und seine Freunde gesehen", brachte er hervor, vollkommen tonlos, so als würde er seine Angst absichtlich verbergen. Jayda schluckte und sah ihm für eine Sekunde in die Augen. 

„Das hat Alastor dir gezeigt", stellte sie fest, woraufhin Hunter nickte. 

„Ja, aber jetzt bin ich wieder im Hier und Jetzt und... Autsch!", sagte er und zog zischend die Luft ein. Jayda wandte ihre Aufmerksamkeit wieder seinen Beinen zu, die bis knapp über die Knie feuerrot waren. An einigen Stellen auf seinen Schienbeinen bildeten sich bereits sicherlich sehr schmerzhafte Brandblasen. Jayda schluckte schwer, denn obwohl sie ein kleines Erste-Hilfe-Set in Hunters Rucksack hatten, würde das wohl kaum für eine adäquate Behandlung dieser Verbrennungen reichen. Auf einmal meldete sich Amber, die Jayda schon ganz vergessen hatte. 

„Bringen wir ihn nach oben ins Bad, wir sollten seine Wunden mit lauwarmen Wasser kühlen und anschließend mit feuchten Wickeln verbinden", erklärte sie und auch wenn Jayda in diesem Moment vollkommen überfordert war, nickte sie. Ambers Vorschlag klang vernünftig. Sie richtete sich auf und hielt Hunter die Hand hin. 

„Kannst du aufstehen?", fragte sie, woraufhin er nickte, aber dennoch nach ihrer Hand griff. Ächzend und sichtlich unter Schmerzen stand er auf und humpelte, von ihr gestützt in den Flur. Jayda sah aus dem Augenwinkel, dass Amber ihnen folgte, aber sie beachtete sie nicht weiter. Hunter war wichtiger. 

Es dauerte eine ganze Weile, bis sie es bis nach oben geschafft und Hunter sich auf den Rand der Badewanne gesetzt hatte. Jayda griff nach der Brause und drehte das Wasser auf. Sie testete mit der Hand, ob es eine lauwarme Temperatur hatte, bevor sie es Hunter über die Beine laufen ließ. 

Auf einmal blickte Hunter über die Schulter und auch Jayda sah in diese Richtung. Amber stand im Türrahmen und klammerte sich daran fest, einen Fuß hielt sie hoch, sodass er nicht den Boden berührte. 

„Bist du verletzt?", fragte Hunter, was Amber mit einem kaum merklichen Nicken beantwortete. Sie hüpfte auf einem Bein zu ihnen, streifte vorsichtig ihren linken, schwarzen Schnallenschuh von ihrem Fuß und entledigte sich ihrer Strumpfhose, die sie unter ihrem Kleid trug. Erst da wurde Jayda bewusst, dass sie sich bei ihrer Rettungsaktion den Fuß ziemlich böse verbrannt hatte. Auch auf ihrer Haut bildeten sich bereits Blasen und sie kletterte neben Hunter auf den Badewannenrand. Jayda beobachtete, wie er den Wasserstrahl abwechselnd auf Ambers Fuß und seine Beine richtete. 

Augenblicklich bekam sie ein schlechtes Gewissen. Sie selbst hatte es nicht gewagt, wie Amber einen Fuß in die Flammen zu setzen und so Hunter besser zu fassen zu bekommen. Womöglich war sogar sie es gewesen, die ihn gerettet hatte. Schuldbewusst senkte sie den Blick auf den Boden. 

„Das tut mir leid, Amber", sagte sie, allerdings reagierte sie nicht auf ihre Entschuldigung. Stattdessen schwieg sie eine geschlagene Minute lang, in welcher nur das Rauschen des Wassers zu hören war. 

„Erst durch meine Verletzung war es möglich, Hunter zu retten. Alastor ist noch immer an mich gebunden. Wenn ich verletzt werde, schwächt es ihn", erklärte sie wieder in ihrem gewohnt kühlen und distanzierten Ton. Jayda biss sich auf die Lippe, denn diese Information speicherte sie vorsorglich ab. Auch wenn es ihr widerstrebte, Amber zu verletzen, hatte sie gerade zugegeben, dass sie vielleicht Alastors Schwachstelle war, zumindest solange Amber Rachels Seele noch nicht befreit hatte und sich somit von Alastor freimachte. 

AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt