Kapitel 18 - Hunter

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Hunters Atem ging stoßweise. Was hatte das nur zu bedeuten? Träumte er und würde er gleich schweißgebadet aufwachen? Warum fühlte sich das alles hier nicht wie ein Traum an? 

Sein Blick wanderte zu Jayda und als ihre Blicke sich trafen, erkannte er Angst in ihrem Gesicht. Fieberhaft dachte er nach, was sie nun als nächstes tun sollten. Aber ihm wollte nichts einfallen. Vermutlich weil er sich noch immer nicht rational erklären konnte, was das alles hier eigentlich bedeutete. 

„Was... was machen wir jetzt?", fragte er mehr sich selbst als Jayda, dennoch reagierte sie darauf. Sie seufzte verzweifelt und schüttelte langsam den Kopf. 

„Ich weiß es nicht. Anscheinend kommen wir nicht hier heraus, also...", setzte sie an, beendete den Satz jedoch mit einem Schulterzucken. 

„Bleiben wir hier? Auf keinen Fall! Nach letzter Nacht bleibe ich nicht hier", rief Hunter auf, sprang auf und raufte sich die Haare. Er wollte nicht mehr hier bleiben, diese ganze Sache hier war ihm unheimlich. Unruhig wanderte er im Zimmer auf und ab, seine Gedanken kreisten ziellos umher. Es wollte einfach nicht in seinen Kopf, was hier geschah. 

Unwillkürlich blickte er in den Flur, denn die Wohnzimmertür stand noch immer offen. Die Kränze drehten sich langsam um sich selbst, als würden sie vom Wind umspielt werden. Das war doch alles einfach nur verrückt! 

„Hunter!", hörte er auf einmal Jaydas Stimme, keine Sekunde später lag ihre Hand auf seiner Schulter. Nur langsam kehrte er ins Hier und Jetzt zurück und er musste ein paar Mal blinzeln, bis er wieder scharf sah. Jayda lächelte verlegen und nahm eilig ihre Hand von seiner Schulter, als hätte sie bemerkt, dass das irgendwie unangemessen wäre. Was es natürlich nicht war. 

„Wir... wir können im Moment nichts an dieser Situation ändern und... vielleicht will uns ja jemand irgendetwas mitteilen", sagte sie auf einmal ganz ruhig, als wäre all ihre Panik und Angst, die sie noch vor wenigen Minuten eindeutig verspürt hatte, von ihr abgefallen. Verwirrt zog er die Stirn in Falten. Tatsächlich schien es in diesem Moment ruhig zu sein, abgesehen von dem leisen Rascheln der Kränze im Flur, die sich noch immer um sich selbst drehten. Dennoch schnaubte er verächtlich. 

„Und wer oder was soll das sein?", fragte er ein wenig unhöflicher als nötig, was Jayda jedoch nicht zu ärgern schien. Sie legte einen Finger ans Kinn, als würde sich nachdenken. Hunter war ein klein wenig von ihr beeindruckt, dass sie in diesem Moment so rational an diese Sache heranging. Sie standen vor einem Problem und kamen nicht weiter und er war sich sicher, dass er vollkommen durchgedreht wäre, wenn Jayda ihn nicht beruhigen würde. Als sie schließlich den Finger wieder sinken ließ, biss sie sich auf die Lippe und sah ihn schüchtern an, so als wäre es ihr unangenehm, ihre Gedanken mit ihm zu teilen. Aufmunternd sah er sie an, denn jede Idee würde helfen, einen Ausweg aus diesem Haus zu finden. 

„Vielleicht... vielleicht ist Amber hier gefangen und sie will, dass wir sie befreien."

Hunter schüttelte ungläubig den Kopf, allerdings erinnerte er sich nur allzu gut an diesen Namen, wie er in der Asche im Kamin zu sehen gewesen war. Nach und nach fügten sich die Teile in seinem Kopf zu einem sinnvollen Ganzen zusammen. Den Namen, den er und Jayda unabhängig voneinander gesehen hatten, dieses unbehagliche Gefühl, das ihn seit sie dieses Anwesen betreten hatten umgab und nicht zu vergessen die letzte Nacht und diese Kränze draußen im Flur. Es war, als wäre diese Stimme, die auf sich aufmerksam machen wollte, immer lauter geworden. 

„Du meinst... hier ist noch jemand bei uns, der ebenfalls nicht aus diesem Haus herauskommt?", fragte er und sofort nickte Jayda. 

„Ja, so muss es doch sein. Amber will ebenfalls hier heraus, aber sie kann es nicht, genau so wenig wie wir es im Moment können. Nur..."

Jayda hielt abrupt inne und sah ihn wieder vollkommen verunsichert an. Hunter wartete geduldig, bis sie weitersprach. 

„Nur glaube ich, dass Amber nicht wie du und ich ist. Sie... sie ist ein Geist."

Hunter lachte. Er konnte es nicht unterdrücken, denn diese Vorstellung war einfach nur zu komisch! Allerdings bemerkte er, dass Jayda ihn vollkommen ernst und sogar etwas streng ansah. Er verstummte und schüttelte ungläubig den Kopf. 

„Das... das kannst du nicht ernst meinen! Geister, so etwas gibt es doch nicht!", rief er aus, allerdings fing seine Lippe an, ein klein wenig zu zittern. Jayda zog eine Augenbraue hoch. 

„Ach ja? Und wie erklärst du dir, dass wir nicht aus dem Fenster klettern können? Und dieses unheimliche Lachen, das wir gehört haben? Und die ganze Kränze, die da draußen hängen?", fragte sie, auf einmal wütend. Sie streifte ihren Rucksack von den Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust. Hunter senkte schuldbewusst den Blick auf seinen Schoß, denn tatsächlich musste er zugeben, dass alles hier mehr als merkwürdig war. 

„Also... nehmen wir an, hier gibt es wirklich einen Geist oder eine... übernatürliche Kraft, die uns erschrecken will. Was sollen wir dagegen tun? Ich meine... ich werde mich nicht jede Nacht zu Tode erschrecken lassen", erwiderte er, ließ nun aber auch seinen Rucksack von seinen Schultern gleiten, gleichsam einer Resignation, dass sie wohl oder übel hierbleiben mussten. Jayda stieß ergeben die Luft aus. 

„Ich weiß es doch nicht! Aber... vielleicht, wenn wir Amber klar machen, dass wir an sie glauben und ihr helfen wollen, dann..."

Hunter fiel ihr ins Wort. 

„Jayda, das ist doch alles verrückt! Selbst wenn wir annehmen, dass Amber ein Geist ist und sie hier gefangen ist, vielleicht hat das ja einen Grund. Vielleicht ist sie ein Poltergeist, der Leuten Angst machen will."

Jayda schien wieder zu überlegen. Anscheinend nahm sie an, dass Amber, wer oder was auch immer sie war, gut war. Dass sie eine arme Seele oder was auch immer war. Aber was, wenn das nicht stimmte? Wenn sie böse war und sie heimsuchte? 

„Finden wir es heraus. Das ist unsere einzige Chance, hier heraus zu kommen", sagte sie tonlos, alle Angst schien auf einmal von ihr abgefallen zu sein. Hunter war skeptisch. 

„Und wie willst du das machen? Ein Ouija-Brett basteln und eine Séance abhalten? Das ist doch albern!", sagte er, denn noch immer wollte er nicht so recht daran glauben. 

„Das nicht, aber sie hat versucht, Kontakt mit uns aufzunehmen. Ich bin sicher, sie wird sich uns zeigen, wenn wir offen dafür sind", sagte sie und für einen Moment lang zuckten ihre Mundwinkel nach oben. Kopfschüttelnd sah Hunter sie an. Dass Jayda nun ganz und gar keine Angst mehr zu haben schien, verwirrte ihn. Generell verwirrte ihn ziemlich viel, so als würden hier in diesem Haus seine Gedanken und Gefühle nicht mehr ihren normalen Bahnen folgen. Jaydas Idee war vollkommen verrückt, aber was blieb ihnen anderes übrig? 

„Gut, versuchen wir es. Aber sobald sich diese verdammte Tür oder ein Fenster wieder öffnen lässt, bin ich auf und davon", sagte er, spürte aber ein merkwürdiges Kribbeln auf seiner Haut, so als würden seine Glieder nach und nach einschlafen. 

„Gut, überlegen wir uns einen Plan, wie war das anstellen."

Nun sah Jayda ihn hilfesuchend an, als erwartete sie, dass er einen Plan für ihre Idee hatte. Hunter schluckte schwer und versuchte, sich daran zu erinnern, was er über Geisterbeschwörungen wusste. Plötzlich durchzuckte es ihn wie ein Blitz. 

„Die Bibliothek! Dort waren allerlei Bücher zu Okkultem und Geistern und solchen Sachen. Lass uns da nach irgendetwas Brauchbarem suchen!", schlug er vor. Jaydas Augen fingen an zu glänzen. 

„Nichts wie los", sagte sie, sprang auf und eilte durch die Kränze im Flur bis zur Treppe. Hunter folgte ihr und auch wenn er das Ganze noch immer nicht so recht begreifen konnte, wusste er, dass dies die einzige Möglichkeit war, die sie im Moment hatten. 

AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt