Es war merkwürdig und so recht konnte Jayda es nicht erklären, aber irgendetwas in ihr sagte ihr, dass sie heute in diesem Rätsel ein ganzes Stück weiter kommen würden. Ja, dieses Alastor-Monster war unheimlich, aber da es sich bisher noch nicht wieder gezeigt hatte, schien es nicht auf Terror aus zu sein.
Komischerweise versetzte sie der Gedanke an dieses Wesen nicht mehr in Panik, sondern löste ein Gefühl der Neugier in ihr aus. Sie wollte wissen, was das alles zu bedeuten hatte und sie wurde den Verdacht nicht los, dass Hunter mehr darüber wusste, als er zugab. Oder dass er zumindest einen Verdacht hatte, warum dieses Monster ihm erschienen war.
Zwar hatte er verleugnet, dass er ein Verbrechen begangen hatte, aber Jayda war sein verändertes Verhalten nicht entgangen. Er wirkte gereizter, nervöser und auch irgendwie verbitterter. Bisher war er immer der fürsorgliche, liebe Junge gewesen, doch nun glaubte sie, dass er tief in sich ein Geheimnis verbarg, das womöglich der Schlüssel zur Lösung ihrer Misere war.
Sie wusste nicht so recht, woher sie diese Gewissheit auf einmal hatte, aber es erschien ihr nur logisch. Allerdings würde es ihr nichts bringen, wenn sie Hunter weiterhin mit Misstrauen begegnete, denn dann würde er sich ihr niemals gegenüber öffnen. Also versuchte sie, freundlich und offen zu ihm zu sein und auch wenn sie noch immer Zweifel im Hinterkopf hatte, wusste sie, dass sie so sein Vertrauen gewinnen konnte. Es kam ihr ein wenig hinterhältig vor, ihn zu manipulieren, aber es war beinahe so, als flüsterte ihr eine Stimme ein, dass das der richtige Weg war.
Kopfschüttelnd holte sie sich zurück in die Realität und als ihr bewusst wurde, dass sie noch immer im Flur unter diesen verdammten Kränzen stand, die sich langsam um sich selbst drehten, eilte sie ins Wohnzimmer. Von Hunter war nichts zu hören und sie machte sich daran, ihr Versprechen zu erfüllen und ein wenig aufzuräumen.
Sie schlug die Schlafsäcke auf und platzierte sie ordentlich auf ihren Sofas, räumte das herumliegende Zeug, das sie vorhin auf der Suche nach der Seife und dem Handtuch achtlos auf den Boden geworfen hatte, wieder in die Rucksäcke und stellte sie ordentlich am Fußende der Sofas auf. Anschließend hob sie das Buch auf, in dem sie über Alastor gelesen hatten und legte es auf den Kaminsims. Beinahe glaubte sie, dass das Buch sich irgendwie dagegen wehren würde, aber natürlich geschah nichts dergleichen.
Zufrieden mit sich stemmte sie die Hände in die Hüften und sah sich in dem Wohnzimmer um. Auch wenn sie nicht wirklich viel aufgeräumt hatte, wirkte er viel ordentlicher. Sie ließ sich mit einem Seufzen auf ihrem Sofa nieder und lehnte sich entspannt in die Kissen zurück.
Sofort wanderten ihre Gedanken wieder zu Amber. Hoffentlich würde es ihnen gelingen, mit ihr in Kontakt zu treten, zumindest so, dass sie mit ihr kommunizieren konnten. Vermutlich wusste sie eine ganze Menge mehr über dieses Haus als Hunter und sie und konnte ihnen womöglich dabei helfen, endlich hier herauszukommen. Allerdings... wenn sie so darüber nachdachte, hatte das Haus auch eine ganze Menge Annehmlichkeiten. Fließendes Wasser, Strom und anscheinend eine nie versiegen wollende Nahrungsquelle hatten durchaus ihre Vorteile. Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als sie an das leckere Essen dachte. Sie freute sich schon jetzt darauf, wenn ihr Magen sich wieder geleert hatte und sie noch einmal zuschlagen konnte.
Plötzlich riss sie ein unerwartetes Geräusch aus ihren Gedanken. Sofort war sie in Alarmbereitschaft und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Unwillkürlich war sie aufgesprungen, ohne sich wirklich darüber bewusst zu sein, was genau passiert war.
„Jayda!", hörte sie eindeutig Hunters Stimme von oben, gefolgt von einem Rauschen. Sofort rannte sie nach oben, doch schon als sie die Treppe erreichte, wusste sie, was geschehen sein musste. Denn ein immer größer werdendes Rinnsal Wasser bahnte sich seinen Weg die Treppen hinunter, sodass sie bald in einer Pfütze stand.
Mit platschenden Schritten hetzte sie nach oben und stellte mit Entsetzen fest, dass der Flur bereits einem Fluss glich. Wasser strömte aus dem Badezimmer durch den Flur und die Treppe nach unten. Und zwar eine ganze Menge Wasser, viel mehr, als nur aus dem Wasserhahn an der Badewanne kommen konnte.
Sie stürzte in Badezimmer und spürte sogleich den Sog das reißenden Wassers um ihre Knöchel. Hunter kniete in der Badewanne und versuchte vergeblich, den Strom Wasser, der aus dem Wasserhahn schoss, mit den Händen zurückzuhalten. Es gelang ihm nicht, denn es wirkte eher, als sei ein Wasserrohr beschädigt worden, ja es schoss geradezu eine Fontäne heraus. Wasser spritzte umher und vollkommen verzweifelt warf Hunter einen Blick über die Schulter zu ihr. Erst da wurde Jayda bewusst, dass er vollkommen nackt war, aber das war in diesem Moment ihr kleinstes Problem.
„Es lässt sich nicht mehr abdrehen", rief Hunter verzweifelt, während er weiterhin vergeblich versuchte, das Wasser mit seinen Händen aufzuhalten. Jayda handelte instinktiv. Sie stürzte neben ihn in die Wanne, dass ihre Kleider dabei völlig durchnässt wurden, bemerkte sie gar nicht und drehte am Wasserhahn. Allerdings drehte er durch, ganz egal in welche Richtung sie ihn bewegte und es änderte alles nichts an der unglaublichen Menge an Wasser, die herausschoss. Wasser spritzte ihr ins Gesicht, durchnässte ihr Haar und ihre Kleider vollkommen, aber nichts schien es aufhalten zu können. Sie presste nun genau wie Hunter ihre Hände um den Wasserhahn, aber nichts geschah. Das Rauschen des Wassers, das sicherlich schon bis ins Wohnzimmer gelaufen sein musste, war ohrenbetäubend.
„Was sollen wir nur tun?", schrie Hunter und als Jayda zu ihm sah, erkannte sie pure Verzweiflung in seinem Blick. Allerdings hatte sie auf seine Frage absolut keine Antwort, also drehte sie noch einmal an den Wasserhähnen, allerdings ließen diese sich nun in keine Richtung mehr bewegen.
Panik stieg in ihr auf, denn wenn sie es nicht bald schafften, den Strom zu unterbrechen, würden sie das ganze Haus fluten. Sie legte wieder die Hände um den Ausguss des Wasserhahns und berührte dabei Hunters Hände, die von dem heißen Wasser schon ganz gerötet waren.
Auf einmal zuckte Hunter neben ihr heftig zusammen und wich panisch zurück, sodass er mit dem Kopf gegen den Rand der Badewanne knallte. Sofort drang wieder mehr Wasser zwischen Jaydas Händen hervor und als sie zu Hunter sah, erkannte sie pure Panik in seinem Blick. Er starrte nach oben, so als würde er irgendetwas an der Decke sehen.
Jayda spürte instinktiv, dass sie nicht nach oben sehen sollte, aber sie konnte ihren Kopf nicht daran hindern, sich in den Nacken zu legen und ebenfalls nach oben zu sehen. Ihr Atem ging stoßweise und sie spürte, wie ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. Allerdings schien Hunter ins Leere zu starren.
DU LIEST GERADE
Amber
HorrorJayda und Hunter, zwei siebzehnjährige Ausreißer, finden Zuflucht in einem verlassenen Herrenhaus. Blackwood Manor, ein im Wald gelegenes, beeindruckendes Anwesen ohne Strom und Wasser wird bald ihr Zufluchtsort. Allerdings dauert es nicht lange, bi...