Erleichtert atmete Hunter auf, als sie wenige Minuten später an ein wirklich beeindruckendes Tor gelangten. Es war bogenförmig und genau wie der Zaun aus schwarzen Metallstreben. Die beiden Schwingtore wurden von verschnörkelten Mustern verziert und Efeu wand sich zwischen den Streben und um die kunstvoll verschlungenen Klinken.
Fehlte nur noch das obligatorische Gewitter, dann wäre alles wie in einem Horrorfilm, dachte Hunter, als er ehrfürchtig an dem sicherlich drei Meter hohen Tor empor blickte. Jayda neben ihm zog scharf die Luft ein und er hörte am Rascheln ihrer Kleidung, dass sie erzitterte.
Hunter sah zu ihr und bemerkte, dass sie ziemlich nah an das Tor herangetreten war. Er machte ebenfalls einen Schritt nach vorn, schob mit der Hand das Efeu beiseite und riskierte einen Blick auf das Grundstück. Sofort stellten sich seine Nackenhaare auf, denn auch ohne Donner und Blitz ließ ihn der Anblick des Anwesens erschauern.
Es war ein beeindruckend großes Herrenhaus, soweit er erkennen konnte aus dunklem Stein erbaut. An den Ecken erkannte er kleine Türme mit spitzen Dächern, die wie Reißzähne in den Himmel ragten. Die hohen, bogenförmigen Fenster, es mussten mindestens sechzehn sein allein an der Vorderfront des Hauses, waren allesamt nicht erleuchtet.
„Wahnsinn", murmelte Jayda neben ihm, woraufhin er sie ansah. Ihr Mund war vor Staunen leicht geöffnet und sie hatte die Hände um die Metallstreben gelegt.
„Irgendwie unheimlich", murmelte Hunter, allerdings war das Haus, so gruselig es auch sein mochte, ein trockener Unterschlupf. Zumindest, wenn es nicht bewohnt war, aber das ganze Efeu am Tor ließ den Schluss zu, dass es schon sehr lange Zeit nicht mehr geöffnet worden war.
„Sieht ziemlich unbewohnt aus. Sieh dir mal den Weg an", sagte Jayda und deutete mit dem Kinn in Richtung des Anwesens. Hunter richtete den Blick wieder nach vorn und erst da fiel ihm der von Gestrüpp und Wurzeln überwucherte Weg auf, der geradewegs zum Haus führte. Wieder überkam ihn ein Gefühl der Beklommenheit, welches er jedoch eilig abschüttelte. Die Aussicht auf ein zumindest temporäres Dach über den Kopf ließ ihn all seine Angst vergessen.
Fest entschlossen legte er die Hand auf die Klinke und drückte sie nach unten. Ein knirschendes Geräusch ertönte und er spürte die Efeuranken unter seiner Handfläche, aber das Tor ließ sich nicht öffnen. Er zog und drückte, aber es blieb verschlossen. Enttäuscht seufzte er, sah noch einmal an dem Tor empor und suchte sich sogleich einen Weg darüber.
„Vielleicht ist das Schloss nur eingerostet", sagte Jayda, legte nun selbst die Hand auf die Klinke und drückte sie nach unten.
„Wie auch immer, auf jeden Fall geht das Tor nicht auf", brummte er, hielt aber inne, als Jayda vollkommen mühelos das Tor öffnete. Selbstzufrieden sah sie ihn an, drückte den linken Torflügel weiter auf und trat einen Schritt auf das Grundstück. Hunter schüttelte den Kopf, denn er hatte ganz sicher das Tor nicht öffnen können. Vermutlich hätte er es nur eine Sekunde länger versuchen müssen, dann hätte er es auch geschafft.
„Gehen wir", murmelte er, trat ebenfalls durch das Tor und wartete, bis Jayda es mit einem Quietschen wieder geschlossen hatte. Er leuchtete mit der Taschenlampe wieder auf den unebenen Weg, der schnurgerade direkt zum Haus führte. Wurzeln und Äste lagen darauf herum, zusammen mit Blättern, die der Herbst schon von den umstehenden Bäumen geweht hatte.
Hunter hörte außer seinem eigenen Atem nur das Knirschen seiner Schritte und es kam ihm auf einmal vor, als wäre die Temperatur um einige Grad gefallen. Kein Wunder, immerhin war es inzwischen stockdunkel und sicherlich war die Nacht schon angebrochen.
Sie gingen den Weg entlang, bis sie schließlich vor dem Haus stehen blieben. Wieder richtete Hunter den Blick nach oben, denn von Nahem sah das dreistöckige Haus noch riesiger aus.
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Amber
HorrorJayda und Hunter, zwei siebzehnjährige Ausreißer, finden Zuflucht in einem verlassenen Herrenhaus. Blackwood Manor, ein im Wald gelegenes, beeindruckendes Anwesen ohne Strom und Wasser wird bald ihr Zufluchtsort. Allerdings dauert es nicht lange, bi...