Kapitel 45 - Jayda

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Mutig setzte Jayda einen Fuß auf die oberste Treppenstufe. Sie knarzte markerschütternd und jagte ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken. Ihr Atem beschleunigte sich, als sie noch eine Stufe nach unten ging. Sofort war sie von einer allumfassenden Dunkelheit umgeben, durch die sie absolut nichts sehen konnte. Hunter und Amber mussten doch bereits unten sein und sie hatte erwartet, die beiden reden zu hören. Oder kämpfen, denn womöglich versuchte Alastor zu verhindern, dass sie das Grab öffneten und Rachels Seele befreiten. Aber es herrschte eine unheimliche Stille. 

Tastend suchte sie nach einem Handlauf, an dem sie sich festhalten konnte, aber ihre Hand berührte nur die nackte, kalte Wand. Die auf einmal... Jayda schrie auf, denn das, was da unter ihrer Hand war, konnte eindeutig nicht die Wand sein. Es bewegte sich! 

Panisch riss sie ihre Hand zurück und stolperte die beiden Stufen wieder nach oben. Ein kehliges Brummen ertönte, gefolgt von einem Lachen, das eindeutig Alastor zu gehören schien. Jayda krabbelte rückwärts über den Boden, so weit weg von der Tür wie möglich. Ihre Augen hafteten auf der Dunkelheit hinter der Tür, die auf einmal von grauen Schatten durchzogen war. Auch wenn sie vor Angst gelähmt war, kniff sie die Augen zusammen, um besser erkennen zu können, was es war. Erst da bemerkte sie, dass dieser Schatten nicht nur in der Dunkelheit auszumachen war, sondern er sich wie eine schleimige, glibbrige Masse über den Flurboden bewegte, geradewegs auf den Keller zu. Noch immer vernahm sie Alastors Lachen, während die Masse wie der Körper einer dicken, fetten Schlange die Treppen nach unten in den Keller glitt. Geradewegs zu Hunter und Amber. 

Jayda keuchte. Ihr wurde klar, dass sie irgendetwas tun musste, die beiden warnen sollte, dass Alastor und diese schleimige Schattenschlange, die eindeutig nicht weniger angsteinflößend war als Alastor selbst, zu ihnen unterwegs war und ihnen womöglich etwas antun würde. Nein, ganz sicher wollte Alastor ihnen etwas antun! 

„Hunter!", schrie sie so laut sie konnte, „Er kommt!"

Jayda krabbelte so schnell sie konnte wieder zur Kellertür und schrie noch einmal in die Dunkelheit hinein. Allerdings sah sie genau in diesem Moment aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Als sie den Kopf herumdrehte sah sie gerade noch die Kellertür, die mit einer unglaublichen Geschwindigkeit zufiel. Panisch machte sie einen Hechtsprung nach hinten, bevor die Tür sie womöglich einklemmen oder noch schlimmer, die Treppe nach unten stoßen würde. 

Dennoch war sie nicht schnell genug und wurde mir einer ungeheuren Kraft an der Schulter getroffen. Von der Wucht ging sie vollends zu Boden, bevor die Tür mit einem endgültigen Geräusch ins Schloss krachte. 

Für zwei Sekunde herrschte absolute Stille. Dann plötzlich Schreie. Todesschreie, und zwar von Hunter und Amber. Jayda schossen die Tränen in die Augen, denn sie war Schuld daran, dass die beiden womöglich getötet wurden und sie Alastors nächstes Opfer wurde. Oder er schnappte sich Hunter und quälte ihn, wie er zuvor Amber gequält hatte? Was sollte sie nur tun? Sie musste doch irgendetwas tun, immerhin glaubte sie, dass die beiden auf ihre Hilfe zählten. 

All die kühle Entschlossenheit, die sie den beiden noch vor wenigen Stunden vorgespielt hatte, war dahin. Sie würden es niemals schaffen, gegen Alastor zu gewinnen, sie würden in diesem Haus gefangen sein, bis sie schließlich einen qualvollen Tod starben. 

Nein! Das würde sie nicht zulassen! 

Jayda stemmte die Handflächen auf den Boden und stemmte sich hoch. Den stechenden Schmerz in ihrer Schulter ignorierte sie, darum würde sie sich später kümmern können, wenn sie Alastor besiegt hatten. Sie rappelte sich auf und trat zielsicher auf die Kellertür zu. Es war nur ein Keller, sie benahm sich wie der größte Angsthase. 

Gerade als sie die Hand auf die Klinke legen wollte, vernahm sie eine dünne, zittrige Stimme. Erschrocken zuckte sie zurück und wirbelte herum. 

„Nicht. Komm zu mir", sagte diese Stimme, die eindeutig ganz anders klang als die kehlige, scharrende Stimme von Alastor. Sie klang... wie die von einem Kind. Jayda sah sich suchend um, konnte aber niemanden entdecken. 

„Hier bin ich. Amber ist ganz in meiner Nähe, ich spüre sie", fuhr die Stimme fort und da machte es auf einmal Klick.

AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt