Hunter wusste, dass er träumte. Gleichzeitig fühlte es sich sehr real an, viel zu real. Er spürte, dass er schweißgebadet war und er sich unruhig hin und her wälzte, aber aufwachen konnte er auch nicht. Dieser Traum war anders, als all seine bisherigen Träume, irgendwie war er wach und gleichzeitig doch nicht.
Plötzlich wurde alles um ihn herum schwarz und er glaubte, jeden Moment aufzuwachen, aber er wachte nicht auf. Auf einmal schien er zu fliegen, zumindest dem Gefühl in seinem Bauch nach zu urteilen, bis mit einem Mal seine Sicht wieder klar wurde.
Panisch blinzelte er, als er erkannte, dass er über den beiden Sofas oben an der Decke schwebte. Panisch tastete er nach Halt, aber seine Hände fanden nur die Zimmerdecke, die ihn wie ein starker Magnet zu halten schien. Er musste immer noch träumen, anders ließ sich das nicht erklären.
Sein Blick wanderte durch das Zimmer, das nur vom flackernden Schein des Feuers erhellt wurde. Er sah Jayda, die in ihrem Schlafsack zusammengekauert dalag und zu schlafen schien. Als er zu dem anderen Sofa, seinem Sofa, herübersah, zuckte er unsanft zusammen. Er konnte sich selbst sehen. Das war also ganz eindeutig ein Traum! Auch wenn er sich nicht erinnern konnte, dass er schon einmal so einen realen Traum gehabt hatte, musste es doch so sein.
Unwillkürlich betrachtete er sich selbst, seine blonden Haare, die in alle Richtungen abstanden und seinen schmächtigen Körper, der nur die Hälfte des Schlafsacks auszufüllen schien. Es war ihm unangenehm, sich selbst so zu mustern, sodass er den Blick durchs Zimmer wandern ließ. Es schien alles ruhig zu sein, was sollte also diese merkwürdige Empfindung, außerhalb seines Körpers zu sein. Beziehungsweise sich auf einmal geklont zu haben, denn er konnte seine Hände und seinen Körper nicht nur unten auf dem Sofa, sondern auch hier oben an der Decke eindeutig sehen.
Plötzlich bewegte sich sein reales Ich unten auf dem Sofa. Hunter spürte, dass sein Geist hier oben unter der Decke hing und das da unten nur sein Körper war, den er beobachten konnte. Es war ein vollkommen bizarres Gefühl, so als wäre der Junge da unten eine Puppe, die auch irgendwie er selbst war.
Neugierig beobachtete er sich, wie er den Schlafsack zurückschlug und die Beine über die Kante des Sofas schwang. Augenblicklich fühlte er sich angespannt, denn er selbst hatte keine Ahnung, was sein Selbst da unten aufgeweckt hatte. Mit pochendem Herzschlag beobachtete er, wie sich das Flackern des Feuers in seinem blonden Haar widerspiegelte.
Nach wenigen Sekunden erhob sich sein Körper, sein zweites Ich und ging quälend langsam auf Jayda zu. Sie schien von dem Ganzen nichts mitzubekommen, denn sie rührte sich nicht. Langsam beugte sich sein Körper zu ihr herunter und strich ihr mit dem Finger eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr. Hunter bekam augenblicklich eine Gänsehaut, denn das würde er niemals tun!
„Hey, hör sofort auf damit!", rief er seinem Körper zu, denn er wollte sich ganz klar davon distanzieren. Obwohl er selbst seine Worte klar und deutlich hörte, schien niemand der beiden dort unten etwas davon mitzubekommen.
Sein Körper richtete sich wieder auf und betrachtete Jayda, als sei sie ein Stück Fleisch, das er sogleich verschlingen wollte. Hunter wurde ganz mulmig zumute, denn was auch immer da unten gerade passierte, das war absolut falsch!
Er versuchte, sich irgendwie von der Decke zu lösen, damit er eingreifen konnte, aber er konnte sich nicht rühren. Es war, als klebte er an dieser Decke fest und musste tatenlos zusehen, was sein Körper anstellte. Langsam ging dieser ein Stück am Sofa entlang, bis er ungefähr in der Mitte, auf Höhe von Jaydas Hüfte, stehen blieb. Sein gieriger Blick war noch immer auf sie gerichtet.
„Stopp!", schrie Hunter, aber wieder schien nur er selbst sich zu hören.
Dann ging auf einmal alles ganz schnell. Sein Körper sprang mit einer unnatürlichen Schnelligkeit auf das Sofa, riss Jayda an den Schultern herum und nagelte sie fest. Er saß auf ihrer Hüfte und packte ihre Arme. Jayda schrie und er erkannte die blanke Panik in ihrem Blick.
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Amber
HorrorJayda und Hunter, zwei siebzehnjährige Ausreißer, finden Zuflucht in einem verlassenen Herrenhaus. Blackwood Manor, ein im Wald gelegenes, beeindruckendes Anwesen ohne Strom und Wasser wird bald ihr Zufluchtsort. Allerdings dauert es nicht lange, bi...