Trust Fall

Kapitel 15

„Der hat es auch mich abgesehen!", fluchte Finley und ging neben mir in Deckung.

Amüsiert musterte ich ihn und den leicht panischen Ausdruck in seinen Augen. „Du meinst der kleine Junge, der maximal halb so groß ist wie du?"

„Die Körpergröße verhält sich nicht immer exponentiell zur Boshaftigkeit eines Menschen", behauptete er und richtete sich ein kleines Stück auf, um durch das Guckloch in der Schiffswand hinter uns zu schauen. „Er hat sich versteckt, der kleine Angsthase."

Ich presste eine Hand vor meinen Mund, um mein Lachen etwas zu dämpfen. Finley drehte sich ruckartig zu mir und funkelte mich böse an.

„Was machen wir denn hier gerade?", fragte ich ihn und machte eine Handbewegung, die unsere ganze Umgebung einschloss. Sein Mund formte eine gerade Linie. Nach ein paar Sekunden nickte er mit entschlossener Miene. „Du hast Recht. Wir müssen auf Angriff gehen."

„Wa-", begann ich, doch Finley war schon aufgesprungen und rannte zur Treppe, die zum oberen Teil des Schiffes führte. Mit einer Mischung aus Stöhnen und Lachen folgte ich ihm.

Als ich ihm vorgeschlagen hatte, Piratenschiffe zu erobern, war mir nicht bewusst gewesen, dass wir tatsächlich genau das tun würden. In einem riesigen, aber sehr flachen Becken standen zehn Piratenschiff-Attrappen. Jeder, der das Becken betrat, wurde vorher mit einer Wasserpistole nach Wahl ausgestattet - Finley hatte sich die größte zur Verfügung stehende ausgesucht, meine war etwas kleiner - und das Ziel war es, sich gegen alle anderen durchzusetzen und eines oder mehrere der Schiffe zu erobern und dann zu verteidigen. Zu meiner Überraschung waren Finley und ich bei weitem nicht die ältesten Möchtegern-Piraten, wobei wir uns doch überwiegend gegen Kinder durchsetzen mussten. Das hier war wirklich nicht das Szenario, das ich heute Morgen im Kopf gehabt hatte, aber es ließ sich nicht leugnen, dass ich einen Riesenspaß hatte. Manchmal verdrängte ich, wie befreiend und toll es war, sich für eine gewisse Zeit wieder wie ein Kind zu fühlen.

Am Montagabend hatte ich Finley vorgeworfen, nicht wie ein Teamplayer rüberzukommen. Nun bewies er mir genau das Gegenteil. Er gab mir Rückendeckung, warnte mich wenn ich eine Gefahr übersah und hatte zwischendurch sogar meine Wasserpistole für mich neu geladen. Und nicht nur das: er war ehrgeizig. Obwohl es hier natürlich keinen offiziellen Gewinner gab und immer wieder neue Menschen im Becken auftauchten oder aus diesem verschwanden, wollte Finley der Beste sein. Vor ein paar Minuten hatten wir es tatsächlich geschafft, eines der Schiffe zu erobern, doch ein kleiner Junge wollte es uns mit großer Beharrlichkeit streitig machen. Wir hatten uns kurz ins Innere des Schiffes zurückgezogen, um unsere Waffen mit neuem Wasser zu laden und einmal durchzuatmen, aber nun stürzten wir wieder die Treppe hoch ins Freie.

Mit der Wasserpistole vor der Brust schaute Finley sich um und bedeutete mir mit einer Handbewegung, dass ich die andere Seite des Beckens im Blick behalten sollte. Oder zumindest vermutete ich, dass das die Bedeutung seiner Geste war. Rückwärts bewegte ich mich auf die Mitte des Schiffes und damit auf Finley zu, bis wir Rücken an Rücken standen.

„Siehst du ihn irgendwo?", raunte er, was ich verneinte. Finley gab ein wütendes Knurren von sich. „Der ist schon von Anfang an hinter mir her und wird nicht lockerlassen, bevor er mich erwischt hat."

Wieder konnte ich ein Lachen nur mit großer Mühe unterdrücken. „Vielleicht bist du der einzige hier, den er als würdiger Gegner ansieht."

Finley schnaubte. „Ich bin ihm haushoch überlegen. Wenn er auch nur einen Fuß auf dieses Schiff setzt, mach ich ihn fertig."

„Finley, er ist noch ein Kind", beschwichtigte ich ihn. „Pass auf, dass du nicht am Ende Probleme mit seinen Eltern bekommst."

Er schwieg kurz und wir begannen, uns im Kreis zu bewegen, Rücken an Rücken, die Waffen schussbereit. „Finley also."