Kapitel 18

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„Marshmallows gehen also."

„Hm?" Irritiert wandte ich mich zu Finley um, der auf den Stock zeigte, von dem ich gerade ein Stück des perfekt gebräunten Marshmallows abzupfte. Es dauerte einen Moment, bis mir klar wurde, was er meinte. Aufmerksam war er, das musste man ihm lassen.

Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen, als ich sagte: „Manche Dinge muss man mit den Fingern essen."

Finley nickte, bevor er nachdenklich den Kopf schief legte. „Pizza?"

Ich schüttelte vehement den Kopf. „Messer und Gabel."

„Burger?"

„Spinnst du? Definitiv Messer und Gabel. Sonst fällt doch der ganze Belag hinten raus, wenn man vorne abbeißt."

Sein Lachen ging beinahe in der Geräuschkulisse der Gespräche um uns herum unter, aber ich hörte es. Und vor allem sah ich das amüsierte Funkeln in seinen Augen, in denen sich gleichzeitig die Flammen des Lagerfeuers spiegelten.

„Wenn Marshmallows gehen, wie sieht es dann mit S'mores aus?", fragte er, griff hinter seinen Stuhl und förderte eine Schüssel mit Keksen und kleinen Schokotafeln zutage. Mit der anderen Hand hielt er mir die Tüte mit den Marshmallows entgegen. Während ich ein weiteres der weißen flauschigen Teilchen auf den Stock spießte, fragte ich: „Hast du hinter dir eine ganze Vorratskammer aufgebaut?"

„Bei S'mores Zutaten hört es leider auf", sagte Finley und ich meinte tatsächliche eine Spur Bedauern aus seiner Stimme herauszuhören. Er stellte die Schüssel zwischen uns ab, lehnte sich zurück und drehte seinen Stock, damit die zwei aufgespießten Marshmallows gleichmäßig gebräunt wurden.

Ich betrachtete ihn eine Weile, bis er zu mir herüber schielte und die Augenbrauen hob. Ich gab mir einen Ruck. „Darf ich dich etwas fragen?"

„Ausnahmsweise."

„Warum bist du hier?"

Bevor er antwortete, zog er den Stock zu sich zurück und pustete auf die heißen Marshmallows. „Um dir Gesellschaft zu leisten", sagte er schließlich. „Ich dachte, das sei klar."

Langsam nickte ich. „Ja, schon. Aber... warum? Wir kennen uns kaum und du scheinst mich nicht sonderlich zu mögen. Trotzdem bist du hier. Warum?"

Finley fischte sich zwei Kekse und ein Stück Schokolade aus der Schüssel und platzierte seine beiden Marshmallows in der Mitte. Fast machte es den Anschein, als hätte er mich überhaupt nicht gehört. Er schaute ins Feuer und sagte dann, so leise, dass ich ihn kaum verstand: „Weil ich es verstehe. Und zumindest ansatzweise selbst kenne."

Ungläubig hob ich die Augenbrauen. „Du?" Klar, Finley war nicht der geselligste Mensch, dem ich jemals begegnet war. Weit davon entfernt, um ehrlich zu sein. Aber an Selbstbewusstsein mangelte es ihm definitiv nicht und ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er in großen Gruppen unterging oder sich nicht in ihnen behaupten konnte. Bisher war ich davon ausgegangen, dass er sich aus anderen Gründen etwas abseits hielt. Er selbst hatte schließlich mehrmals betont, dass er einfach kein Interesse daran hatte, sich mit den Freunden seines Bruders auseinander zu setzen.

„Im Schatten eines kleinen Bruders aufzuwachsen, der alles besser macht als du und das auch noch ohne die geringste Mühe, ist nicht gerade leicht, glaub mir. Ich weiß wie es ist, wenn man sich unsichtbar fühlt." Er verstummte und sah mich an. Wieder war da diese Tiefe in seinem Blick, als gäbe es noch einen ganz anderen Finley, der tief in ihm schlummerte und den er nach außen hin versteckt hielt. Seine Worte hallten in mir nach und überforderten mich, da ich sie in keiner Weise hatte kommen sehen. Hatte Finley gerade zum ersten Mal etwas Privates mit mir geteilt? Mich hinter die Fassade blicken lassen? Mir fiel erst wieder ein, dass ich vermutlich etwas darauf erwidern sollte, als Finley schon kopfschüttelnd den Blick abwandte.

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