„Wir müssen diesen Raum jetzt verlassen", verkündete ich, etwa eine halbe Stunde später. Noch längst hatte ich nicht jede Ecke und jedes Buch dieser Bibliothek gesehen, vermutlich hätte ich dafür die ganze Nacht hier verbringen müssen.
„Warum?", fragte Finn verwundert. „Langweilst du dich?"
Er hatte sich in der letzten halben Stunde fast lautlos um mich herum bewegt, mal fotografiert, mal über meine Schulter geschaut. Mir entwich ein belustigtes Schnauben. „Nein", erwiderte ich. „Ich langweile mich nicht, ich könnte mich ewig hier aufhalten."
„Und trotzdem möchtest du gehen?" Finn wirkte irritiert. Sofort wurden Zweifel in mir wach, so sehr ich mich auf dagegen sträubte. Hatte er mich mit hierher gebracht, weil er mir Bücher zeigen wollte? Jede Faser meines Körpers sehnte sich nach seinen Berührungen und jede Minute, in der ich ihm nicht meine volle Aufmerksamkeit schenkte, schien mir wie eine Verschwendung. Aber wenn es ihm nicht so ging wie mir, wenn seine körperlichen Bedürfnisse vorerst befriedigt waren, wollte ich auf keinen Fall wie eine Klette an ihm hängen.
„Wir können noch bleiben", ruderte ich zurück. „Ich dachte nur, für dich wäre es vielleicht langweilig. Du hast gesagt, dass wir das Haus für uns alleine haben, da war es bestimmt nicht dein Plan, die ganze Nacht in der Bibliothek zu verbringen. Oder?"
Finn legte den Kopf schief und musterte mich aufmerksam. Dann platzierte er seine Kamera auf einem der Tische, die an verschiedenen Stellen im Raum standen und zum Sitzen und Lesen einluden.
„Deine Gedanken gehen schon wieder mit dir durch, kann das sein?", fragte er, während er Schritt für Schritt langsam auf mich zu trat. „Möchtest du mir vielleicht verraten, was du wirklich denkst?"
Wie war es möglich, dass er mich schon jetzt so gut lesen konnte? Es war beinahe etwas gruselig. Gleichzeitig fühlte ich mich so gesehen, wie von sonst niemandem und das war auch ein schönes Gefühl.
Die einzig angemessene Reaktion darauf war Aufrichtigkeit. Ich schluckte den Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte, herunter und sagte: „Ich denke, dass ich Bücher mag und in diesem Raum die Zeit vergessen könnte. Aber dich mag ich auch, sehr, und ich möchte jede Sekunde, die ich mit dir habe, ausnutzen. Ich möchte nicht, dass du dich mit mir langweilst. Und ich möchte dich küssen. So oft es geht."
Mit einem Seufzen ließ Finn seine Stirn gegen meine sinken, nahm mir das Buch, das ich gerade hielt, aus den Händen und stellte es hinter mir ins Regal. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich mit einer schwindelerregenden Mischung aus Zärtlichkeit und Leidenschaft.
Jeder Kuss war anders. Jeder Kuss war aufregend. Jeder Kuss ließ Feuerwerkskörper vor meinem inneren Auge explodieren.
Ich verschränkte meine Hände in Finns Nacken, um sein Gesicht noch näher an meins heran zu ziehen, doch zu meiner Enttäuschung beendete er den Kuss schon wieder. Ich gab einen protestierenden Laut von mir und folgte seinen Lippen mit meinen. Finn lachte in den Kuss hinein und mein Herzschlag überschlug sich.
„Ich möchte dich auch küssen", murmelte er gegen meine Lippen. „Immer." Dennoch löste er sich erneut von mir und lehnte sich etwas zurück, sodass wir uns besser anschauen konnten. „Ganz egal was wir machen, ich werde mich niemals in deiner Gegenwart langweilen", sagte er mit ernstem Gesichtsausdruck. „Ich könnte dir stundenlang dabei zusehen, wie du durch Bücher blätterst und deine Augen immer wieder aufleuchten, wenn du etwas entdeckst, was dir Freude bereitet. Genauso gut könnten wir einfach nur schweigend nebeneinander sitzen und ins Nichts starren. Auch das würde mich glücklich machen. Ich genieße jede Sekunde mit dir, weil deine bloße Gegenwart ein unbeschreibliches Gefühl in mir auslöst."
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Trust Fall
RomanceNichtsahnend begleitet Lexi ihre beste Freundin Brianna im Sommer vor ihrem letzten gemeinsamen Jahr am College in ihren Heimatort Morson Hills und findet sich plötzlich mitten in einem ausgefeilten Murder Mystery Spiel wieder. Anstatt mit ihrer bes...