Kapitel 26

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„Was fotografierst du eigentlich so?", fragte ich nach ein paar Minuten. Mehr über Finn zu erfahren, rückte immer höher auf meiner Prioritätenliste und ich hoffte, dass er mir zumindest auf manche Fragen eine Antwort geben würde. Natürlich hätte ich seinen Namen auch einfach googeln können, als Fotograf war er mit Sicherheit in irgendeiner Form im Internet präsent. Aber ich wollte derartige Dinge lieber von ihm selbst erfahren.

„Du meinst beruflich? Oder in meiner Freizeit?" Obwohl es Gegenfragen war, ließen sie mich weiter auf Antworten hoffen. Immerhin hatte er nicht sofort abgeblockt, was bei Finn schon ein gutes Zeichen war.

„Beides", erwiderte ich. Natürlich wollte ich so viel wie möglich wissen, weshalb sollte ich das eingrenzen?

„Für mich privat fotografiere ich hauptsächlich Architektur. Vermutlich gibt es in New York kaum ein Gebäude, das ich noch nicht vor der Linse hatte. Damit lässt sich nur leider nicht so viel Geld verdienen, weil es sehr, sehr viele Fotos von New York gibt. Ich bin definitiv nicht der einzige, der die Stadt liebt und am liebsten jede einzelne ihrer unzähligen Facetten für die Ewigkeit festhalten würde. Aber beruflich fotografiere ich in erster Linie Menschen. Entweder Auftragsarbeiten im Studio, oder bei Events. Seien es Hochzeiten, Firmenfeiern, Geburtstage... sogar für einen Junggesellenabschied wurde ich schon einmal engagiert." Er stieß ein Schnauben aus. „Das war sehr seltsam. Keine Ahnung was der Bräutigam mit den Fotos vorhatte, aber seiner zukünftigen Frau hat er sie hoffentlich nicht gezeigt."

Ich war mir ziemlich sicher, Finn noch nie so lange am Stück reden gehört zu haben. Es war mehr als offensichtlich, dass er seine Arbeit liebte. „Mit Menschenfotografie verdient mal also genug Geld?", fragte ich als er verstummte, weil ich unbedingt wollte, dass er weitersprach.

„Genug? Definitionssache, oder? Um in New York zu leben, reicht es nicht. Vor allem ist es sehr unbeständig. In manchen Monaten habe ich sehr viele Aufträge, in anderen kaum welche. Deshalb habe ich zusätzlich noch eine Festanstellung. Die bringt zwar auch nicht das ganz große Geld, aber in Kombination mit der selbstständigen Fotografie ist es für mich genug."

„Was ist das für eine Festanstellung?"

„Ich gebe ein paar Kurse an der New York Film Academy, falls dir das was sagt. Ein Kumpel-"

„Warte", unterbrach ich ihn und wandte mich zum ersten Mal seit wir uns auf den Boden gesetzt hatten zu ihm um. „Du arbeitest an der NYFA?"

Mit deutlich sichtbarer Überraschung hob Finn die Augenbrauen. „Du kennst die NYFA? Woher?"

Kurz spielte ich mit dem Gedanken, mir irgendeine Geschichte aus den Fingern zu saugen. Aber Finn hatte gerade sehr viel von sich preisgegeben, da konnte ich ihm im Gegenzug auch ein bisschen was offenbaren. „Ich habe vor einiger Zeit mal mit dem Gedanken gespielt, dort zu studieren", gestand ich ihm. Allerdings hatte ich sehr schnell realisiert, dass ich dieses Studium in Verbindung mit einem Leben in New York unmöglich finanzieren konnte. Und auch meine Zweifel, ob ich am Ende wirklich eine Karriere darauf würde aufbauen können, hatten mir im Weg gestanden.

„Welcher Bereich?" Finn wirkte aufrichtig interessiert.

Während meiner Recherche über die NYFA war mir nicht entgangen, wie vielfältig das Kursangebot war, weshalb es mich nicht verwunderte, dass er als Fotograf dort arbeitete. „Screenwriting", erzählte ich. „Ich glaube ich hatte schon immer eine ziemlich lebhafte Fantasie. Deshalb lese ich auch so gerne. Für mich ist das wirklich wie Kino im Kopf. Schon als Kind habe ich oft ganze Bücher für meine Eltern... aufgeführt. Ich musste zwar sehr viele verschiedene Rollen spielen, aber das Visualisieren der geschriebenen Worte hat mir unfassbar viel Spaß gemacht. Deshalb wollte ich eine Zeit lang Drehbuchautorin werden."

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