Kapitel 25

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„Ich halte dich nicht für ein Arschloch."

Finley war vieles. Manchmal unsympathisch, etwas zu ehrgeizig und eindeutig zu verschlossen, um ihn verstehen oder richtig einschätzen zu können. Aber ein Arschloch? Nein. Nichtsdestotrotz musste ich verhindern, dass sich Momente wie gerade eben nicht wiederholten. Ganz ungeachtet von Finley verlief dieser Sommer ganz anders als gedacht, und ich wollte es nicht noch komplizierter machen.

„Gut", sagte Finley und lächelte verhalten. Wir brauchten ganz dringend einen Themenwechsel, um diese Sache nach Möglichkeit einfach zu vergessen. Zumindest wollte ich Finley diese Chance geben, denn ich selber würde garantiert noch sehr lange daran denken, wie sich seine Hand an meiner angefühlt hatte.

„Hast du schon eine Idee, wer der Mörder ist?", fragte ich, obwohl ich die Antwort natürlich schon kannte. Bisher war viel zu wenig passiert, um einen Verdacht äußern zu können. Doch zu meiner Überraschung lehnte Finley sich neben mir gegen eine der Zinnen und sagte: „Ich weiß, wer der Mörder ist."

„Du weißt es? Woher?" Dabei gab es eigentlich nur zwei mögliche Antworten auf diese Frage. Entweder nahm er mich mal wieder auf den Arm und erzählte absoluten Blödsinn, oder er würde mir nun doch gestehen, dass er selbst der Mörder war.

Seine Antwort ließ mich mal wieder die Augen verdrehen. „Bauchgefühl", sagte er und bestätigte damit, dass er keine Ahnung hatte.

„Also weißt du es nicht", widersprach ich ihm.

„Es ist ziemlich offensichtlich, wenn du mich fragst."

Ziel dieses Themenwechsels war es gewesen, die Situation für uns beide einfacher zu machen. Wie konnte es sein, dass er mir nun direkt wieder derart auf die Nerven ging? Ich stieß ein resigniertes Seufzen aus und ließ mich auf den Quatsch ein. „Okay, meinetwegen. Wer ist es?"

„Mein Bruder."

Ich schnaubte. Das hätte ich eigentlich kommen sehen müssen. „Klar", sagte ich, ohne den Sarkasmus zu verstecken. Finley legte den Kopf schief und schaute mich schweigend an, abwartend. Also fügte ich hinzu: „Klar, dass du ihn beschuldigst."

„Wieso ist das klar?", fragte er mit unverhohlener Neugier.

War das sein Ernst? „Weil du deinen Bruder nicht magst", sprach ich das Offensichtliche aus.

Finley runzelte die Stirn. „Wie kommst du darauf?"

Ich entschied, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen und erwiderte: „Bauchgefühl."

„Ah."

Gott, er machte mich wahnsinnig.

„Auf dein Bauchgefühl sollten wir uns in diesem Spiel also nicht verlassen", fuhr er fort.

Ohne diese Doppelmoral zu kritisieren, fragte ich: „Wieso nicht?"

Finley verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich erneut mit dieser Intensität an, die mein Herz auf dem Takt brachte. „Weil mein Bruder die wichtigste Person in meinem Leben ist."

Ich muss mich verhört haben. Im Wasserpark hatten die beiden sich konsequent ignoriert und auch sonst hatte ich sie bisher kein einziges Wort wechseln sehen. Wenn Finley so mit der wichtigsten Person in seinem Leben umging, wollte ich nicht wissen, wie er Menschen behandelte, die er gar nicht mochte. Vermutlich sollte ich mich bemühen, ihn nicht zu verärgern, damit ich das nicht am eigenen Leib erfuhr.

Ich zwang mich, meinen Blick abzuwenden, um mich nicht in seinen Augen zu verlieren. „Ich glaube nicht, dass dein Bruder der Mörder ist", kam ich zurück auf das Spiel zu sprechen, ohne Finleys Behauptung zur Beziehung der beiden in diesem Moment zu hinterfragen. „Wir waren heute Vormittag mehrere Stunden zu zweit unterwegs und ich lebe noch. Ganz so offensichtlich scheint es also nicht zu sein, dass er der Mörder ist."

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