Kapitel 62

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Es wäre ein leichtes, mich daran zu gewöhnen, neben Finn aufzuwachen. Seine Anwesenheit zu spüren, noch bevor ich die Augen öffnete und mich im ersten Moment fragen zu müssen, ob ich womöglich noch immer in einem wunderbaren Traum feststeckte, war ein nicht in Worte zu fassendes Gefühl. Als er sich dann auch noch seufzend an mich schmiegte, drohte mein Herz zu explodieren.

Ich hätte problemlos stundenlang so liegen bleiben können, wenn ich nicht gestern Abend noch mit Brianna verabredet hätte, dass sie zum Frühstück hierher kommen würde. Es war ihr Vorschlag gewesen, nachdem ich ihr mitgeteilt hatte, dass ich die Nacht hier verbringen würde, und ich wusste noch immer nicht, was genau ich davon halten sollte. Ging es ihr darum, Finn und mich zusammen zu erleben und besser einschätzen zu können, was genau zwischen uns lief? Plante sie gemeinsam mit Jasper eine Intervention? Hatte sie einfach nur Lust auf ein gutes Frühstück? Was auch immer der Grund war, ich stellte mich auf ein Frühstück in sehr angespannter Atmosphäre ein. Bevor dieses begann, muss ich mir jedoch den gestrigen Abend vom Körper waschen. Ich ging nicht oft aus, aber jedes Mal sehnte ich mich am nächsten Morgen nach einer gründlichen Dusche.

In einem Versuch, Finn auf möglichst sanfte Art und Weise aufzuwecken, strich ich mit meinen Lippen über seine Wange. Er gab zwar ein undefinierbares Geräusch von sich, doch ich war mir nicht sicher, ob er tatsächlich wach war. Dennoch versuchte ich mein Glück und fragte leise: „Darf ich deine Dusche benutzen?"

Sein Murmeln klang nach eine Zustimmung, weshalb ich mich vorsichtig von ihm löste und zum Bettrand robbte. Da ich nicht zum ersten Mal bei Finn duschte, wusste ich, in welchem Schrank ich frische Handtücher finden konnte. Ich warf es über die gläserne Duschwand und ging dann zum Waschbecken, um mich dem zu stellen, was mich im Spiegel erwartete. Vermutlich sollte ich froh sein, dass ich vor Finn aufwacht war, denn mein Haar stand seltsam von meinem Kopf ab und unter meinen Augen waren schwarze Schlieren, obwohl davon überzeugt war, dass ich mein Gesicht gestern Abend gründlich gewaschen hatte. Seufzend fuhr ich mit den Fingern durch meine Haare, um sie einigermaßen zu bändigen, gab jedoch schnell auf und steuerte die Dusche an. Das T-Shirt, das Finn mir zum Schlafen geliehen hatte, legte ich flüchtig gefaltet auf den Hocker neben der Glastür.

Mit geschlossenen Augen stellte ich mich unter die Regendusche und ließ das Wasser für einige Minuten einfach nur auf meinen Körper herab prasseln. Meine Gedanken drifteten zurück zur letzten Nacht. Als wir schließlich wieder hier eingetroffen waren, hatte ich kaum noch etwas von dem Alkohol in meinem Blut gespürt, weshalb ich dem deutlich alkoholisierteren Finn ganz aufrichtig versichern konnte, dass er kein schlechtes Gewissen haben musste, wenn er mich auszog und meinen ganzen Körper mit Küssen bedeckte. Aus den Küssen war schnell mehr geworden und eingeschlafen waren wir erst weit nach Mitternacht. Mich körperlich so sehr zu einer anderen Person hingezogen zu fühlen, war neu und aufregend und ich wusste nicht, ob ich jemals genug von Finn bekommen würde. Was durchaus problematisch war, wenn man das unvermeidbare Ende dieses Sommers bedachte.

Ich war derart tief in Gedanken versunken, dass ich am ganzen Körper zusammenzuckte, als sich die Tür der Dusche hinter mir öffnete.

„Du sahst aus, als würdest du dich langweilen", hörte ich Finns Stimme über das Prasseln des Wasser hinweg. Im selben Moment schloss er seine Arme von hinten um meine Taillen und legte sein Kinn auf meiner Schulter ab. „Soll ich dir ein bisschen Gesellschaft leisten?"

„Ja bitte", murmelte ich, während meine ganze Haut kribbelte. Vermutlich eine Folge der Gedanken, in die ich gerade noch vertieft gewesen war.

Finn legte eine Hand an mein Kinn und drehte mein Gesicht ein Stück zur Seite, bis er meine Lippen mit seinen erreichen konnte. Ich hatte noch nie jemanden im Regen geküsst, aber wenn sich das nur halb so gut anfühlte wie dieser Regenduschenkuss, stand es ab sofort ganz oben auf meiner Wunschliste. Ich drehte mich in Finns Armen, sodass unsere Körper frontal aufeinander trafen. Sprach etwas dagegen, den ganzen Tag hier unter der Dusche zu verbringen? Rational betrachtet: ja. Unsere Haut würde schrumpelig werden, der Wasserverbrauch ins Unermessliche steigen und dann war da auch noch Brianna, die möglicherweise schon auf dem Weg zu uns war. Aber wenn all das keine Rolle spielen würde... Mir entwich ein leises Stöhnen, als Finns Lippen zu meinem Hals wanderten. Ich wusste, dass mir nur wenige Sekunden blieben, um das hier zu unterbinden, bevor meine Vernunft sich in Luft auflösen würde.

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