Kapitel 71

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6 Wochen später

„Warum bist du so braun gebrannt? Ich dachte du warst angeln", war das Erste, was Brianna zur Begrüßung sagte, als wir uns Ende August wiedersahen.

Ich verdrehte die Augen, konnte mir ein Lächeln jedoch nicht verkneifen. „Angeln tut man in der Regel an der frischen Luft", erinnerte ich sie. „Im Sonnenlicht. Davon abgesehen war ich nicht angeln, sondern mein Dad. Ich hab eigentlich fast jeden Tag auf seiner Terrasse verbracht."

Wir waren zurück am Campus, in der Wohnung, die wir Anfang unseres Junior-Jahres bezogen hatten. Brianna war schon vor zwei Tagen hier angekommen, mein Flieger war erst vor ein paar Stunden gelandet. Bis die Kurses unseres vorletzten Semesters beginnen würden, dauerte es noch eine Woche, aber so konnten wir uns schon einleben und wieder eingewöhnen.

„Wie geht's dir?", fragte ich besorgt, nachdem ich meine zwei großen Koffer in mein Zimmer gebracht hatte und zurück zu Brianna in die Küche kam. Nach meiner Abreise aus Morson Hills hatte sie mich regelmäßig über die dortigen Vorkommnisse informiert, und so wusste ich natürlich auch, dass Felix vor etwa einer Woche verkündet hatte, dass er nach dem Studium für mindestens ein Jahr nach Europa gehen würde. Das bedeutete, dass die beiden sich im nächsten Sommer definitiv nicht wiedersehen würden und Briannas Wunsch nach mehr, als nur einem Sommerflirt, unerfüllt blieb.

„Eigentlich war es von Anfang an klar", meinte sie schulterzuckend. „Und vielleicht kann ich ihn jetzt besser loslassen, weil ich weiß, dass es keinen weiteren gemeinsamen Sommer in Morson Hills gibt."

Ich griff nach ihrer Hand und drückte sie. „Wenn du mehr darüber reden möchtest, bin ich jederzeit für dich da."

„Ich weiß", sagte sie. „Danke, Lexi."

„Was ist mit Jasper?", wechselte ich eilig das Thema, da es nicht so wirkte, als wollte Brianna jetzt sofort intensiver über Felix reden. Jasper hatte seinen Eltern, nach emotionalen Gesprächen mit Brianna, gebeichtet, dass er von der Brown geflogen war. Wie genau die Unterhaltung abgelaufen war, wussten weder Brianna noch ich. Aber letzten Endes hatte Jaspers Vater entschieden, dass sein jüngerer Sohn eine Praktikumsstelle im Familienunternehmen bekommen sollte. Unbezahlt. Er wurde nun so wie jeder andere Anwärter auf eine feste Stelle behandelt, musste sich gegen seine Konkurrenz durchsetzen und konnte sich nicht mehr darauf ausruhen, dass er eines Tages ohnehin die Nachfolge seines Vaters antreten würde.

„Er kommt klar", antwortete Brianna. „Es hilft bestimmt, dass er wirklich gut in diesem ganzen Software-Kram ist. Trotzdem ist es natürlich eine enorme Umstellung für ihn."

Ich nickte und wir verfielen in ein Schweigen, das irgendwie seltsam geladen war. Bis Brianna seufzte und sagte: „Du kannst mich nach Finley fragen, das weißt du, oder?"

„Wollte ich gar nicht", log ich schnell und knetete nervös meine Hände. Seit sechs Wochen hatte ich nichts von ihm gehört. Natürlich war das meine eigene Schuld, ich hatte diese Entscheidung getroffen. Dennoch hatte ich immer irgendwie gehofft, dass er sich bei mir melden würde, weil er meine Entscheidung nicht respektieren wollte. Aber Finn war respektvoll, das gehörte zu den Dingen, die ich so sehr an ihm geschätzt hatte. Weshalb ich mich nicht bei ihm gemeldet hatte? Ich wusste es selbst nicht. Vielleicht hatte ich auch ein bisschen Angst, dass er durch den Abstand zu mir gemerkt hatte, dass ich doch nicht so besonders war, wie er für einen kurzen Moment gedacht hatte. Im Endeffekt waren es nur zwei Wochen gewesen, die wir miteinander verbracht hatten, eine davon intensiver. Möglich, dass er mich bereits vergessen hatte.

„Oookay", murmelte Brianna und zog das Wort extra lang. „Du hast trotzdem Post."

„Was?", fragte ich irritiert, weil ich das ‚trotzdem' in der Aussage nicht verstand. Ich hatte mir einem kleinen Poststapel gerechnet, da ich mehr als zwei Monate nicht in dieser Wohnung gewesen war, weshalb verkündete Brianna das also auf diese Weise?

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