Kapitel 76

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Wir spazierten lange durch den Central Park und danach führte Finn mich zu Gebäuden, die entweder eine besondere Bedeutung hatten oder ihm einfach gefielen. Trotz der Hektik um uns herum, fühlte ich mich zu keinem Zeitpunkt unwohl. Ob ich auf Dauer in einer Stadt wie New York leben könnte, vermochte ich nach nur wenigen Stunden nicht zu sagen, schon gar nicht ohne die anderen Stadtteile kennengelernt zu haben.

Finn war der perfekte Tourguide, allerdings fiel es mir zunehmend schwerer, ihn nicht zu küssen, und von der Art und Weise wie er mich manchmal ansah und jede Gelegenheit zu nutzen schien, um mich zu berühren, ahnte ich, dass es ihm ganz ähnlich ging.

Dementsprechend froh war ich, als er endlich vorschlug, den Heimweg anzutreten. Wir legten einen Zwischenstopp bei einer Pizzeria ein und Finn rief Ben an, um ihn zu fragen ob wir auch ihm eine Pizza mitbringen sollten. Nachdem er aufgelegt hatte, schaute ich ihn fragend an.

„Er arbeitet heute länger, also nein. Aber ich soll dich grüßen."

Obwohl ich Ben erst einmal getroffen hatte, freut ich mich, ihn wiederzusehen. Seine offene und positive Art war mir in bester Erinnerung geblieben. „Was macht er eigentlich beruflich?", fragte ich während wir auf unsere Pizzen warteten, da das bei unserem Treffen aus irgendeinem Grund nie zur Sprache gekommen war.

„Er leitet einen Fitnessstudio, hier in Brooklyn", erwiderte Finn. „Und wenn er nicht gerade im Büro sitzt oder Kurse gibt, macht er einfach so Sport. Eine Maschine, der Kerl." Lachend schüttelte er den Kopf. „Aber innen drin ganz weich."

Mir entwich ein Prusten und ich hielt mir schnell eine Hand vor den Mund, bevor ich die Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf mich zog. „Eine Maschine, aber innen ganz weich? Stand das in seinem Datingprofil, als ihr euch kennengelernt habt?"

Finn warf mir einen missbilligenden Blick zu. „Natürlich nicht, das ist mein persönliches Urteil nach drei wundervollen gemeinsamen Jahren. In seinem Datingprofil stand einfach nur Maschine."

Dieses Mal war mein Lachen deutlich lauter, trotz vorgehaltener Hand, und die ersten Leute schauten neugierig in unsere Richtung. Überraschenderweise störte mich das in diesem Moment nicht sonderlich. „Und was stand in deinem Datingprofil? Suche Models für Aktfotografie?"

Finns Lachen war und blieb mein Kryptonit. Wenn Finn lachte, war die Welt kurzzeitig ein bisschen besser. „Genau das, Lex. Genau das."

Ohne lange nachzudenken, stellte ich die Frage, die mir bei diesem Thema plötzlich in den Sinn kam. „Nutzt du Datingapps?"

Auf sein Gesicht trat dieser spöttische Ausdruck, den ich bereits seit unserer ersten Begegnung kannte, der mittlerweile jedoch etwas weicher wirkte. „Ob ich Datingapps nutze? Präsens?"

Ich hatte ihm vor sechs Wochen gesagt, dass ich ihn nicht mehr sehen wollte. Vor vier Wochen hatte er mir einen Brief geschrieben, auf den ich erst gestern reagiert hatte. So abwegig, wie er es darstellte, fand ich meine Frage also nicht, weshalb ich nickte.

Mit gerunzelter Stirn verschränkte Finn die Arme vor der Brust. „Du hast meinen Brief gelesen, oder?"

Wieder nickte ich. „Deinen Brief, den du vor vier Wochen geschrieben hast. Kann ja sein, dass du seitdem..." Ich zuckte mit den Schultern und ließ den Satz unbeendet.

„Dass ist seitdem... was?", fragte er und klang leicht ungehalten. „Andere Frauen gedatet habe, um mir die Zeit zu vertreiben? Um dich zu vergessen?"

„So etwas in der Art, ja", murmelte ich. „Was natürlich dein gutes Recht wäre."

Für ein paar Sekunden sah Finn mich ausdruckslos an. Dann schüttelte er den Kopf. „Wir essen zuhause gleich schnell die Pizza und dann reden wir. Ich habe das Gefühl, dass hier ein paar Missverständnisse vorliegen."

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