Kapitel 52

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Wir gingen zurück zur Veranda und ich blieb direkt auf der Türschwelle abrupt stehen. Vor vielleicht zehn Minuten hatte wir drei Personen – Felix, Jesse und Brianna – hier draußen zurückgelassen. Nun war die Veranda mit sehr viel mehr Menschen gefüllt. Sie alle kamen mir vage bekannt vor, ein paar Namen konnte ich ihnen auch zuordnen, aber dennoch war ich mit der Situation komplett überfordert. Niemand hatte mir gegenüber erwähnt, dass im Laufe des Abends noch mehr Menschen kommen würden. Jasper war bereits mitten im Gewusel und wurde laut grölend empfangen.

Wo war Brianna?

Ich ließ meinen Blick über die Menge schweifen und entdeckte sie einen Moment später. Sie saß auf Felix' Schoß und unterhielt sich angeregt mit ihm, Tilly und einer anderen Frau, deren Namen ich nicht kannte. Ich könnte mich dazu setzen. Ich könnte mich unter die Leute mischen, nett lächeln und versuchen, Teil ihrer Gespräche zu sein. Aber wollte ich das? Nein. Ich wollte sofort wieder im Haus verschwinden. Nicht nur weil ich mich nach Finns Nähe sehnte, sondern vor allem, weil ich viel zu erschöpft - physisch und psychisch – war, um diese Menge an Menschen zu ertragen. Brianna würde es vermutlich nicht einmal merken, wenn ich verschwand. Der Gedanke schmerzte, aber er gab mir auch den endgültigen Anstoß, meine eigenen Bedürfnisse an erste Stelle zu setzen.

Ich drehte mich auf dem Absatz um und lief zurück zur Küche, in der Hoffnung, Finn dort noch anzutreffen. Ich hatte Glück. Er öffnete die Küchentür im selben Moment von innen, in dem ich von außen nach der Klinke griff.

„Woah." Er wich zurück, vermutlich etwas erschrocken. Dann sah er mich richtig an und seine Miene verfinsterte sich. „Was ist passiert?"

Nichts war passiert. Ich war einfach nur erschöpft, enttäuscht und komplett durcheinander. Also zuckte ich hilflos mit den Schultern und fragte: „Hast du heute Abend schon was vor?"

Finn lächelte, aber in seinen Augen verblieb ein dunkler Schatten. „Ich bin total verschwitzt und stinke vermutlich abscheulich, deshalb würde ich einmal schnell duschen. Aber danach gehöre ich ganz dir, okay?"

Ich nickte und folgte Finn aus der Küche hinaus, einen Flur entlang, eine Treppe hoch und einen weiteren Flug entlang. Wie in Trance lief ich durch das Haus, ohne irgendwelche Details wahrzunehmen. Irgendwann hielt Finn mir eine Tür auf und trat nach mir in das Zimmer. Es war geräumig, wie alles in diesem Haus, aber nicht sehr persönlich. Da ich wusste, dass Finn bereits vor einigen Jahren hier ausgezogen war, wunderte mich das nicht.

„Ich beeil mich, versprochen", sagte Finn und ging zu einer offen stehenden Tür, hinter der ich ein Badezimmer erkannte. „Mach es dir einfach gemütlich."

Er fragte nicht, ob ich ihm unter der Dusche Gesellschaft leisten wollte. Vermutlich sah er mir an, dass ich gerade mit den Gedanken ganz woanders war. Ich zog meine Schuhe aus und kletterte auf das riesige Bett, in dessen Mitte ich mich zusammenrollte. Wenn nicht einmal mehr Brianna Wert auf meine Gesellschaft legte, war es bestimmt auch nur noch eine Frage der Zeit, bis Finn das Interesse an mir wieder verlor. Eine baldige Abreise von diesem Ort erschien mir plötzlich nicht mehr wie die schlechteste Idee.

Meine Augenlider wurden immer schwerer. Ich hörte das Rauschen des Wassers. Die Matratze war wunderbar weich. Die Kissen rochen nach Finn. Meine lauten Gedanken wurden leiser. Ruhe. Dunkelheit.

Etwas berührte meine Schulter. Weich. Warm. Ich seufzte.

„Sorry", flüsterte jemand. Finn. „Schlaf weiter."

Wo war ich? Und wie war ich an diesen Ort gekommen? Ganz langsam kehrte die Erinnerung zurück. Jasper und ich in der Küche. Brianna auf Felix' Schoß. Viele Menschen. Finn. Ich öffnete die Augen. Das Zimmer war in ein angenehmes Licht getaucht. Wie spät war es? Wie lange hatte ich geschlafen? Ich merkte, dass ich von hinten umarmt wurde und drehte mich vorsichtig um. Finn zog seinen Arm zurück, damit ich mich freier bewegen konnte.

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