Kapitel 59

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Wenn irgendeine andere Person mich gefragt hätte, ob ich mit ihr und einer weiteren Person, die ich nicht kannte, in eine Bar gehen wollte, wäre meine Antwort ein klares Nein gewesen. Aber es war Finn, der fragte, und eigentlich wollte ich mir keine Gelegenheit, Zeit mit ihm zu verbringen, entgehen lassen. Wenn da nicht eine leise Stimme in meinem Kopf wäre, die mich darauf hinwies, dass Finn unsere Verabredung zunächst abgesagt hatte und es Bens Vorschlag gewesen war, mich zu fragen, ob ich mitkommen wollte.

„Ich möchte euch nicht stören", sagte ich deshalb. „Ihr habt bestimmt einiges zu bereden." Immerhin war Ben extra aus New York hierher gekommen und ich konnte mir durchaus vorstellen, dass er mehr Antworten auf seine Fragen erhalten würde, wenn ich nicht dabei war.

„Stören?" Finn klang verwirrt. „Wobei solltest du uns stören? Ich habe ihn nicht gebeten hierher zu kommen und ich habe nichts mit ihm zu bereden, wobei du stören könntest."

„Dann komme ich mit." Diese Entscheidung laut auszusprechen sollte mich daran hindern, sie noch einmal zu ändern. Ich wollte den Abend mit Finn verbringen und er hatte ganz offensichtlich kein Problem damit, mich seinen Freunden vorzustellen, was mir sehr viel bedeutete.

„Echt?" Ich meinte sowohl Überraschung als auch Freude aus seiner Stimme heraushören zu können. Die Freude war schön und bestärkte mich in meiner Entscheidung, doch im selben Moment ließ die Überraschung mich zweifeln. Denn ich war kein Mensch für spontane Abende in einer Bar, das wusste sogar Finn, obwohl er mich erst seit knapp zwei Wochen kannte.

„Was wenn er mich nicht mag?", platzte es aus mir heraus. Sofort schlug ich mir die freie Hand vor den Mund, doch es war zu spät, die Worte waren gesprochen.

Für ein paar Sekunden herrschte am anderen Ende der Leitung Stille. Dann fragte Finn, mit einem Tonfall, den ich nicht ganz deuten konnte: „Ist das für dich wichtig?"

„Natürlich ist das wichtig."

„Wieso?"

Ich stockte kurz. Nicht, weil ich die Antwort darauf nicht kannte, sondern weil ich überlegen musste, wie ich sie am besten formulierte. „Ihr kennt euch schon lange, seid gut befreundet... meine Güte, ihr wohnt zusammen! Wenn Ben mich nicht mag, bin ich raus."

Finns Schweigen dauerte lange. So lange, dass ich mir Sorgen machte, etwas falsches gesagt zu haben. Doch dann räusperte er sich. „Bist du nicht. Es hat mich schon immer sehr wenig interessiert, was andere Menschen von meinen Entscheidungen halten. Auch wenn es dementsprechend überhaupt keine Rolle spielt, was Ben von dir denkt, interessiert mich schon, weshalb du glaubst, er könnte dich nicht mögen."

„Du weißt, dass ich nicht gut darin bin, Menschen kennenzulernen", sagte ich leise. „Meine Smalltalk-Fähigkeiten sind unterirdisch und ich werde heute Abend vermutlich nur neben euch sitzen und kaum etwas sagen. Das ist seltsam, ich weiß, und ich wünschte ich könnte mich anders verhalten, aber ich denke einfach viel zu lange über die Dinge nach, die ich sagen könnte und wenn ich dann bereit bin sie zu sagen, ist es zu spät und das Gespräch dreht sich schon um etwas ganz anderes."

„Du musst nicht mitkommen", erwiderte Finn, als ich meinen ungeplant langen Monolog beendet hatte. „Ich möchte nicht, dass du dich unwohl fühlst. Aber ich kann dich beruhigen, Ben wird dich nicht seltsam finden. Er wird dich eine Zeit lang löchern, um herauszufinden weshalb ich hier bin und was zwischen uns läuft. Danach macht er sich vermutlich auf die Suche nach einer Frau, die seine grausamen Flirtversuche für den Rest des Abends ertragen muss."

Das klang gar nicht mal so schlimm und wenn der Abend tatsächlich so verlief, würde ich einen Großteil davon doch alleine mit Finn verbringen können. „Und was sage ich ihm, wenn er fragt was zwischen uns läuft?"

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