Wer hätte das gedacht?
Eigentlich war meine Planung doch so einfach.
Alles was ich wollte, war:
1. In Ruhe gelassen werden.
2. mir mindestens drei Katzen zulegen.
3. ja niemandem auffallen.
4. mich soweit wie irgendmöglich mich von meiner Alkoholi...
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Der Kies wurde von den durchdrehenden Reifen des PS-starken Wagens davongeschleudert, als Sarina ihren Bleifuß bewies und zünftig Gas gab. Für einige Augenblicke konnte ich nicht unterscheiden, ob das Prasseln von den davon spritzenden Steinen oder von den einschlagenden Kugeln kam, bis die Bratwaprinzessin lautstark zu fluchen begann. „FUCK! SO EINE VERDAMMTE AFFENSCHEISSE! WO KOMMEN DIE GANZEN VERKACKTEN WACHEN DENN AUF EINMAL HER?" Wie ein Seemann Schimpfwörter von sich gebend, kurbelte Sarina am Lenkrad und brachte wieder Abstand zwischen uns und die anrückenden Soldaten ihres Vaters. Spontan nutzte sie das Rondell vor der Luxusvilla nun einmal munter als Kreisverkehr und drehte eine Runde nach der nächsten, während sie verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit Ausschau hielt. „Okay, ihr beide solltet euch besser anschnallen! Das wird jetzt ein klein wenig holprig!" fauchte sie und dann wurde es tatsächlich holprig. Und zwar nicht ein klein wenig, sondern mal so richtig! „Uuuund das waren dann wohl die Rosenbüsche meiner Mutter gewesen!" kicherte Sarina völlig hysterisch und weil so schön war, brakte sie noch mal mit Schmackes über die einst so prachtvollen englischen Teerosen. „Bleib unten, Liebling!", flüsterte ich Kiki zu, die bereits vor lauter Angst wie ein junger Seehund heulte und sich mit aller Kraft an mein T-Shirt klammerte ... Vorsichtig hob ich den Kopf und sah zwischen den beiden Vordersitzen hindurch. Wir bretterten just wieder auf das Eingangsportal zu, aus dem gerade der Eisklotz heraus gestolpert kam. Mit Blut überströmten Gesicht, extrem irren und angepissten Serienkillerblick und einer ziemlich fies aussehenden Knarre in der Hand. „Oh, oh!", stöhnte unsere Chauffeurin und duckte sich tiefer hinter das Steuer. Jepp ... oh, oh, war ziemlich treffend, fand ich und treffen konnte das Arschloch dann ebenfalls recht gut. Mal ehrlich, da wir nun nicht mal zehn Meter von ihm entfernt waren und unser Tempo die Distanz schneller schmelzen ließ als eine Mikrowelle eine Kugel Eiscreme, waren wir auch nicht mehr wirklich zu verfehlen! Vermutlich hätte sogar Klein Kiara voll ins Schwarze getroffen, wären die Positionen vertauscht gewesen.
Plopp ... Die Scheibe splitterte und wir drei kreischten drauflos, als wären wir Todesfeen in Ausbildung. „SCHEISSE! DER WICHSER HAT EINE HIGH SPEED GUN! DA HILFT AUCH KEIN KUGELSICHERES GLAS!", brüllte Sarina und ich schrie zurück: „DANN FAHR DEN HURENSOHN DOCH EINFACH ÜBER DEN HAUFEN!" Fuck den Pazifisten in mir! Dieser Vitali wollte uns umbringen! Er wollte meinem Baby etwas antun! Also ging ich jetzt knallhart nach dem Prinzip: er oder wir! Eisklotz hob die Waffe erneut, zielte dieses Mal aber auf den Kühlergrill und selbst mir war klar, dass ein Einschlag dort alles andere als gesund für uns enden würde. Sarina schrie auf und riss an dem Lenkrad, während sie mit einem Ruck die Handbremse anzog. Der BMW heulte gequält auf, vollzog aber brav ein Manöver, welches Vin Diesel in einem Fast and Furious Film nicht besser hinbekommen hätte! Er drehte auf der Stelle und das ausschwenkende Heck krachte schwungvoll wie ein Salsa-Tänzer gegen den Eisklotz und der lernte prompt das Fliegen. „So geht's auch", murmelte ich und tauchte wieder unter, weil Kiki jetzt eine Panikattacke der Superlative bekam. Sie schrie sich die Seele aus dem Leib. Ein hoher, schriller Ton, der mir das Herz zerriss! „Kümmer dich um sie! Ich bring' uns hier schon irgendwie raus!", rief Sarina über ihre Schulter und nahm Kurs auf die Mauer der schwarz gekleideten Wachen, um mit ihnen zu Kegeln. Ich nickte mit zusammengebissenen Zähnen und beugte mich über mein schreiendes Kind. Sanft legte ich meine Hände an ihre Wangen und sah ihr tief in die Augen, aus denen wahre Sturzbäche an Tränen flossen.
„Hey, mein süßes Mäuschen ... erinnerst du dich noch an deinen letzten Geburtstag? Weißt du noch, was deine Mama und ich da gemacht haben?" Ich konnte sehen, wie mein Liebling tapfer versuchte, die Angst zu bekämpfen, und sie nickte schließlich. „Kannst du das Lied noch mit mir singen? Oder soll ich alleine?", fragte ich zärtlich und küsste ihre Nasenspitze. Kiki hickste leise vor sich hin und krächzte schließlich: „Du." Ich nickte lächelnd, drehte mich so, dass mein Körper vor ihr lag, somit den Blick auf das grauenvolle Geschehen draußen blockierte und mein Baby mit dem Rücken gegen die Rückbank geschmiegt wurde. Dann begann ich zu singen. Ein Lied, dessen Text Kathi und ich zu der Melodie von Anastasias „Es war einmal im Dezember" umgeschrieben hatten.
„Tänzerin, Lieblingskind ... ein weiteres Jahr deines Lebens, weilst du nun schon unter uns und lässt unser Herz weiter schweheben! Für immer halten wir dich im Arm, geliebt wirst du und uns wird ganz warm ... Liebe, Freude, Heiterkeit, dein Leben strahlt schon heut' ..." Während ich sang, streichelte ich Kiki durch die Löckchen und nachdem ich das Lied fünfmal durch hatte, summte mein mutiges Mädchen die Melodie leise mit, ihre Augen geschlossen, ein leichtes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Vermutlich war sie jetzt ganz in der Erinnerung dieses wunderbaren Tages versunken, für den Kathi und ich uns richtig ins Zeug gelegt hatten. Wir hatten eine Pferdekutsche gemietet und waren über Land gefahren, hatten Kiki heißen Kakao mit Sahne in einer riesigen Tasse serviert und ihr das Prinzessinnenkleid von Anastasia (ihrem damaligen Lieblingsfilm) geschenkt. Abends, als es dunkel geworden war, hatten wir Dutzende von Kerzen angezündet, ihr Lied gesungen und wie im Film getanzt ... Mir liefen die Tränen bei der Erinnerung über die Wange, der Verlust Kathis schmerzte auf einmal wieder wie am ersten Tag ...
„Alles klar, wir sind raus ... aber ich gehe davon aus, dass wir verfolgt werden." sagte Sarina mit ziemlich gepresster Stimme und ich löste mich behutsam von meinem Kind, immer noch singend und wagte einen Blick aus dem Heckfenster. Ein wahres Spinnennetz durchzog die Scheibe; es war kaum noch eine Stelle zusehen, die eine klare Sicht bot. Der einst so schöne Wagen hatte übel einstecken müssen und wir konnten von Glück sagen, dass der BMW noch rollte. Sarina fuhr in eine Seitenstraße und bog dann bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit wieder ab. Das wiederholte sie immer wieder und fuhr schließlich in eine dunkle Einfahrt. Dort parkte sie und stellte den schmorenden Motor ab. Zitternd öffnete unsere Retterin die Fahrertür und übergab sich. Dann sammelte sie sich, taumelte zum Kofferraum und schaffte es irgendwie diesen auch aufzustemmen. „Alessia? Kommt raus ... wir müssen vom Wagen weg. Los ..." Sarinas Stimme war müde und sie lallte ein wenig und genau das war es, was mich auf die Beine brachte. Mühsam kroch ich aus dem zerschossenen und zerbeulten Auto und kämpfte gegen den heftigen Schwindel an, der mir immer wieder in die Kniekehlen trat, um mich von den Füßen zu bekommen. Die Bratwaprinzessin stand etwas gekrümmt da und reichte mir mit einem müden Lächeln einen Rucksack. „Ich habe dir etwas frische Kleidung mitgebracht und ein T-Shirt für Kiki, das sie wie ein Kleid tragen kann. Wir müssen zu Fuß weiter, der Wagen ist jetzt zu auffällig. Aber keine Sorge ... Mein Bodyguard wird uns abholen. Wir müssen nur ein paar Querstraßen weiter." Ich nickte erschöpft, klemmte mir den Rucksack zwischen die Beine und öffnete ihn. Ich zog das große, schwarze T-Shirt heraus, das vermutlich ihrem Leibwächter gehörte, und sagte leise: „Engelchen? Kommst du bitte raus? Wir müssen jetzt vor den bösen Leuten weglaufen. Und du musst noch einmal ein paar Minuten lang ganz tapfer für mich sein, okay?" Schniefend krabbelte mein kleines Mädchen zu mir und rieb sich mit den Händchen übers Gesicht. Dann nickte sie mit zitterndem Kinn und griff nach dem T-Shirt, in welchem sie nun völlig versank. „Du bist so tapfer, du Süße!", lobte Sarina und Kiara warf ihr ein schüchternes und recht verwässertes Lächeln zu. Ich schaffte es, das zweite weite Shirt anzuziehen und sah entschuldigend zu unserer Retterin hin. Es tat alles einfach zu weh, um die neue Hose auch nur in Betracht zu ziehen ... Die blonde Schönheit nickte mir aufmunternd zu und bedeutete uns dann ihr zu folgen, also nahm ich Kikis Hand und dann wankten wir hinter ihr her. Hätte ich nicht so einen Tunnelblick gehabt, hätte ich es vielleicht früher gemerkt, so aber war es mein Kind, das mich darauf hinwies ... „Mami? Die Prinzessin ... Ich glaube, ihr geht es nicht gut."
In dem Moment brach Sarina in die Knie, eine Hand auf den Bauch gepresst und zwischen ihren Fingern quoll das Blut hervor ...