„Mamiiii!"
Ich hatte vielleicht zwei Sekunden, um mich aus dem Halbschlaf zurück ins Diesseits zu kämpfen, als Kiara wie eine kleine Kanonenkugel auf mein Bett geflogen kam und mir in ihren Übereifer mich zu umarmen erstmal eine zünftige Backpfeife verpasste.
Au...
„Oh, mein Liebling! Geht es dir gut? Lass dich ansehen..."
Ich nahm ihr Gesicht in beide Hände und sah mein Mäuschen an. Die Wochen unserer Gefangenschaft waren auch an ihr nicht spurlos vorbeigegangen und trotzdem funkelte in ihren Augen eine unfassbare Stärke.
Kathi sah mich aus diesen Augen an und ich wusste, egal wie schwierig die kommende Zeit werden würde, Kiki und ich würden es durchstehen.
„Mir geht's gut, Mami! Aber ich hab Angst gehabt, dass du zu Mama in den Himmel gehst und mich allein lässt."
Die Furcht in ihrer Stimme schnitt mir ins Herz und ich beeilte mich, meinen Liebling fest in die Arme zuschließen.
„Ich werde dich nicht allein lassen, Schatz. Ich habe deiner Mami doch versprochen, immer auf dich aufzupassen. Die bösen Leute kommen nicht mehr an uns ran. Jetzt sind wir in Sicherheit, das verstehst du, oder?"
Die Kleine nickte ernsthaft und kuschelte sich an meine Brust.
„Geht es der Prinzessin auch gut?", murmelte Kiki und spielte müde mit den Kissenfranzen. Ich dachte kurz an Sarina, wie sie mich Maxim zum Fraß vorgeworfen hatte und musste unwillkürlich grinsen.
Eine Bratwa Prinzessin durch und durch...
Ich zog mein Kind enger an mich heran und atmete verstohlen den zarten Rosenduft ein, der von den blonden Ringellöckchen aufstieg.
„Mach dir keine Gedanken, Kiki... der Prinzessin geht es gut. Sie ist wie wir beide... etwas angeschlagen, aber stark."
Zufrieden lächelte Kiara und wollte gerade etwas sagen, als draußen auf dem Gang polternde Schritte laut wurden.
Die Schritte wurden von wilden, saftigen Flüchen und einem Kreischen begleitet, als würde der Rumpf eines Flugzeuges mit einer verrosteten Kettensäge auseinandergenommen.
Die Zimmertür schwang auf und der riesige Muskelprotz und Best Teabuddy meiner Kleinen polterte in den Raum.
„Onkel Dego!" kiekste der winzige Sonnenschein neben mir und auf dem mürrischen Gesicht des Mannes breitete sich ein schiefes Lächeln aus.
„Kleines... hab euch was geholt...!" grummelte er, dann ließ er eine wirklich, WIRKLICH angepisste Rain auf meine Bettdecke fallen.Die Katze duckte sich, starrte der Kerl mit Dolch-schleudernden Augen an, jedes Haar ihres Fells stand ab, sodass die Mieze nun erstaunliche Ähnlichkeit mit einem Stachelschwein aufwies. Ihr Schwanz peitschte wild hin und her und gewissenhaft die Tatsache ignorierend, dass der Mensch vor ihr nicht nur gut achtzehnmal so groß war wie sie, sondern auch in einer vollkommen anderen Gewichtsklasse kämpfte, attackierte die scheinbar lebensmüde Mieze.
Diego pflückte den stinksauren Stubentiger am Nackenfell mitten aus dem Sprung und knurrte mit ihm um die Wette.
Dann drückte er mir das Tier in die Arme und stapfte Unflätiges vor sich hin grollend von dannen.
Rain, fest in dem Glauben, aus dem wichtigsten Kampf ihres Lebens als unantastbarer Sieger hervorgegangenen zu sein, miaute laut, reckte ein Hinterbein steil in die Luft und putzte sich erstmal gründlich den Allerwertesten.
„Rain!" piepste Kiki überglücklich und warf sich regelrecht auf den flauschigen Pelzträger, um das renitente Vieh in Grund und Boden zu knuddeln.
Die Katze konnte gerade noch ein halbes Miau hervorbringen, dann wurde sie auch schon an eine Kinderbrust gedrückt. Kurz sah sie so aus, als wolle sie Frikassee aus Kiaras Armen machen, dann ergab Rain sich ihrem Schicksal und rieb laut schnurrend ihr Köpfchen an dem Kinn meiner Tochter.
Ich musste mich sehr zusammenreißen, um Kiki nicht die schmusende Katze aus den Ärmchen zu reißen, so sehr sehnte ich mich nach einer Kuschelsession mit Rain. Stattdessen begnügte ich mich fürs erste, die beiden wichtigsten Wesen in meinem Leben zu beobachten, hatte ich doch für einen furchtbar langen Zeitraum gedacht, dass ich beide nie wiedersehen würde.Immer wieder warf mir die auf Krawall gebürstete Mieze wütende Blicke zu, hatte ich es doch glatt gewagt, sie mit einem verdammten Köter über Wochen allein zu lassen! Das würde noch böse Konsequenzen für mich nach sich ziehen ...
Ein leises Klopfen an der Zimmertür unterbrach unser Blickduell und eine hübsche dunkelhaarige Frau in den späten Fünfzigern streckte den Kopf herein.
Es dauerte einige Herzschläge, bis ich die Frau erkannte ...
„Tante Irira!", jauchzte Kiki und stopfte mir die immer noch angesäuerte Katze in die Arme, krabbelte über das Bett und rannte dann zu Maxims Mutter hin.
„Komm, Tante Irira! Meine Mami ist wieder wach, komm doch ..." aufgeregt zerrte Kiara die Frau hinter sich her, um sie mir vorzustellen.
„Hallo, meine Liebe. Ich bin Ira Suderow. Wie fühlst du dich?" fragte die Dame, ließ sich anmutig auf der Bettkante nieder und zog Kiki neben sich.
Auch wenn Rain in der ersten Zeit, als Kiara und Kathi bei uns eingezogen waren, an meiner geteilten Aufmerksamkeit schwer zu knabbern gehabt hatte, war sie not amused, die Aufmerksamkeit meines Kindes nun mit einer weiteren Person zu teilen.
Die Katze legte die Ohren an und tacherte drohend fauchend mit einer Pfote in Richtung des Eindringlings. Ira Suderow hob eine Augenbraue und fixierte das aufgebrachte Vieh mit einem scharfen Blick, nicht gewillt, von einem Winzling wie meiner Mieze sich irgendetwas gefallen zu lassen.„Miiiiauuuuu!", konterte Rain und plusterte sich kampfbereit auf, doch dann langte mein Mädchen über mich rüber und tätschelte ihr beruhigend den pelzigen Kopf.
Völlig aus dem Konzept gebracht, erhob sich die Katze, warf uns allen noch mal einen extrem angepissten Blick zu und stolzierte dann zu den Vorhängen, welche sie auch prompt als Aufstiegshilfe zu dem großen Schrank nutzte.
Mir wurde heiß und kalt, als ich die Schäden sah, die die scharfen Krallen des Tieres in den edlen Stoffen hinterlassen hatten.
Entschuldigend sah ich zu Maxims Mutter hinüber, die lachte jedoch nur und schüttelte amüsiert den Kopf.
„Eine wirklich tapfere Katze, das muss ich ihr lassen", sagte sie und ich verdrehte innerlich die Augen.
Rain war nicht tapfer, sie hatte nur einen eindeutigen Gottkomplex. Sie hielt sich für die Herrscherin der Welt - nun, ja ... zumindest meiner Welt - und verachtete alles und jeden, der nicht derselben Meinung war.
Zudem war natürlich alles, was mir gehörte, automatisch auch im Besitz der Fellkugel und somit war dieses Zimmer jetzt ihr höchst eigenes Königreich.
Wem das nicht passte, der konnte sie mal an ihrem frisch gesäuberten Hinterteil ...Ira lächelte mich an und griff behutsam nach meiner Hand.
„Dr. Calvers hat uns instruiert ... du brauchst viel Ruhe und gesunde Ernährung, damit du wieder zu Kräften kommst. Gibt es etwas, was du gerne essen magst? Dann lasse ich dir das zubereiten ..."
Der besorgte Blick der Frau schnitt durch das Aufwallen von Furcht, als sie den Arzt erwähnte.
Hatte der alte Quacksalber etwa gequatscht?
Wusste die Bratwasippe, dass ich das Kind ihres Bosses trug?
„Mami liebt warmen Vanillepudding mit Schokoflocken!", flüsterte Kiki schüchtern und ich musste schmunzeln. Eigentlich bevorzugte ich Peanutbuttercups, aber mein Mäuschen aß für ihr Leben gerne Vanillepudding und ich wusste, dass der kleine Schlawiner darauf spekulierte, einige Happen zu stibitzen.
Sanft stupste Ira Suderow mit einem Finger auf die Nase Kiaras und sagte dann in einem verschwörerischen Ton:
„Dann werden wir deiner Mami genau das machen! Hilfst du uns dabei? Dann kann Alessia sich noch etwas weiter ausruhen ..." Kiki warf mir einen prüfenden Blick zu und wieder einmal bemerkte ich traurig, wie erwachsen sie für ihre fünf Lebensjahre schon war, denn mein Mädchen nickte ernsthaft, rutschte zu mir und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
„Du musst schnell wieder gesund werden, Mami! Ich pass' auf dich auf!"
Dann krabbelte sie von meinem Bett und huschte zur Tür. Ira sah ihr ernst nach und wandte sich dann zu mir, Besorgnis und Verständnis in den Augen, als sie die Tränen auf meinen Wangen sah.
„Du hast da ein großartiges Kind. Sei ohne Sorge ... wir werden schon darauf achten, dass sie nicht zu schnell erwachsen wird. Da hat ihr Onkel Dego auch noch ein paar Takte mitzureden! Ich glaub', er hat die Teeparty damals mehr genossen, als er zugeben will ..." Ich zwang mich zu einem ziemlich verwässerten Lächeln und flüsterte: „Sie hat schon so viel verloren ... und zu viel erlebt ... Ich fühl' mich wie der totale Versager, weil ich sie nicht beschützen konnte!"
Ira schüttelte ruhig den Kopf und strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn. „Nachdem, was ich gehört habe, wurdest du völlig unvorbereitet in die Rolle der Mutter hineingeworfen. Du hattest keine Zeit für irgendwelche Vorbereitungen, oder um dich finanziell aufzustellen. Du hast das getan, was du tun konntest. Dieses wunderbare Kind wird mit deiner Hilfe seinen Weg finden. Und dass sie ab sofort eine schöne Kindheit hat, dafür werden wir mit Sorge tragen, denn wir Suderows kümmern uns stets um unsere Familie. Ruh dich jetzt aus, meine Liebe."
Damit stand Maxims Mutter auf und schwebte hinter meinem ungeduldig auf und ab hüpfenden Kind her.
Nachdem ich allein war, holten mich endlich die Erlebnisse der vergangenen Wochen ein und ich rollte mich heulend unter der Bettdecke zusammen.„Maaauuu!"
Leise maunzend wühlte sich Rain zu mir unter die Laken und ließ es zu, dass ich mein nasses Gesicht in ihr weiches Fell drückte.
Beruhigend schnurrend putzte mich meine Katze und so dämmerte ich wieder weg, bewacht von der allmächtigen Herrscherin meiner Welt.
DU LIEST GERADE
Es begann mit einem Ring
ActionWer hätte das gedacht? Eigentlich war meine Planung doch so einfach. Alles was ich wollte, war: 1. In Ruhe gelassen werden. 2. mir mindestens drei Katzen zulegen. 3. ja niemandem auffallen. 4. mich soweit wie irgendmöglich mich von meiner Alkoholi...