„Ääähhh ..."
Mehr bekam ich nicht raus.
Aber mal ernsthaft, der Anblick, der sich mir bot, war derart surreal, dass ich nicht wirklich wusste, ob ich lachen sollte oder um mein Leben rennen musste.
Ich hatte mich auf der Suche nach Kiara schlichtweg hoffnungslos in diesem Irrgarten von Riesenvilla verlaufen und stand gerade in einer Art zweitem Wohnzimmer.
Gute Nachrichten ... Ich hatte just mein Mädchen gefunden ... und ihren Schrank von Bodyguard noch dazu.
Der Muskelprotz war in einen rosafarbenen Morgenmantel gehüllt, der mehr Rüschen aufwies, als es gesund für ein Kleidungsstück war; auf den kurzen Haaren thronte ebenjene Tiara mit Smaragden, die Maxim bei Kikis erster Teeparty so sagenhaft gut gestanden hatte und auf seinem Schoß hüpfte mein kleiner Liebling herum und pinselte dem Folterknecht ein recht dramatisches Abendmake-up auf das grimmige Gesicht.
„Nicht so viel bewegen, Onkel Dego!", fiepte sie entrüstet, während sie voller Enthusiasmus versuchte, mit einer Mascarabürste Diego die Augen auszustechen.
Als ich die Tür öffnete, drehte der Mann seinen Kopf langsam zu mir um und funkelte mich drohend an.
Mir war absolut klar, wenn ich jetzt auch nur ein Pieps von mir gab, dann würde er mich mit dem Seidengürtel des Morgenmantels ohne Zögern erwürgen!
„Mamiii ...", quietschte Kiki, winkte mir begeistert zu und zog mit dieser Bewegung Diego die Wimperntusche quer übers Gesicht. Jetzt musste ich wirklich zusehen, dass ich Land gewann!
Denn das schreiende Gelächter wollte unbedingt raus ... völlig Wurst, ob mich der furchterregende und extrem angepisste Riese dort bei lebendigem Leib häuten würde oder nicht.
„Ich wollte nicht stören", röchelte ich und warf Kiara rasch einen Luftkuss zu, während meine Rippen unter der Anstrengung, das für mich derzeit extrem ungesunde Gewieher zu unterdrücken, mühevoll ächzten.
Der Blick, welcher Diego mir zuwarf, erzählte mir ausführlich von den unzähligen Arten, wie er mich langsam zu Tode bringen würde, sollte ich auch nur ein Wort über seinen neuen Look weitertratschen.
Ich gab Hackengas ... die Situation wurde dann doch ein wenig brenzlig und ich beschloss, Kiki in ihrer Ausbildung zur Kosmetikerin nicht zu unterbrechen und sie stattdessen mit selbstgebackenen Keksen zu überraschen, vorausgesetzt, ich würde die verflixte Küche finden können!
Backen war (zumindest meistens) entspannend und auch wenn ich am Backofen eher talentfrei war, simple Zuckerplätzchen bekam ich gerade eben noch hin.„So ein verflixter dreckiger Superdreck!", fluchte ich, als ich die vierte falsche Treppe genommen hatte und nun in dem Bedienstetenflügel des Anwesens stand.
„Miss? Haben Sie sich verlaufen?" Ich wirbelte herum und hinter mir stand eine Dame in den späten Vierzigern. Ihr freundliches Lächeln war wie ein Strahl Sonnenlicht in einem fensterlosen Raum und ich war in Versuchung auf die Knie zu fallen und vor lauter Dankbarkeit ein - bis zweiunddreißig Ave-Marias zu beten.
„Ich suche die Küche", jammerte ich, auf einmal hochgradig emotional und musste schwer an mich halten, damit ich nicht wie ein Seehundewelpe losheulte.
Die Frau musterte mich besorgt und trat an mich heran, legte mir einen Arm um die Schulter und dirigierte mich langsam in Richtung der verkackten Treppe zurück.
„Sie sind dort oben falsch abgebogen, Miss. Sie müssen nach rechts direkt auf das Gemälde zu, das so aussieht, als hätte ihr entzückendes Kind einen Wutanfall mit ihren Fingerfarben gehabt."
Ich kicherte, als ich mir das bildlich vorstellte und dann wanderten meine Gedanken zurück zu dem Anblick, welchen Maxims Folterchef mir vorhin geboten hatte und ... jepp ... das war es dann!
Ich hatte einen derartigen Lachflash, dass ich die Stufen buchstäblich auf Händen und Knien hochkraxeln musste, da ich in Gefahr lief, sonst einfach rückwärts wieder herunterzukugeln.
Die Angestellte schritt derweil neben mir die Treppe hoch, passte sich dabei meiner Krabbel-Geschwindigkeit an und wachte mit besorgter Miene darüber, dass ich nicht gackernd erstickte.
Sie war ein Profi - wie jeder, der für die Suderows arbeitete - und ließ sich nicht im Geringsten anmerken, dass sie dachte, dass ich meinen Verstand irgendwo zwischen der dritten und fünften Stufe verloren hatte.
Oben angekommen, setzte ich mich und versuchte krampfhaft, diesen merkwürdigen Strudel an Gefühlen wieder zu unterdrücken. Keuchend wischte ich mir die Lachtränen an meinem T-Shirt ab und hangelte mich schließlich am Geländer wieder in die Senkrechte.
Die Dame lächelte höflich und deutete nach rechts und dort grinste mich tatsächlich ein Bild an, dass schwer an das Ergebnis eines Tobsuchtsanfalls von einem völlig überzuckerten Kleinkind erinnerte.
Ich nickte dankbar und stromerte in die angewiesene Richtung, immer noch dezent vor mich hin glucksend.Die Küche zu finden war tatsächlich unfassbar einfach, vor allem, weil die Angestellte, die sich als Mrs. Orlov vorstellte, mich begleitet und in immer wieder in die richtige Richtung gelotst hatte.
Ich vermute, sie hatte das Vertrauen in meinem Orientierungssinn bei der vierte falschen Abbiegung als verloren gegeben.
Und nun stand ich hier unter den Argusaugen der Küchenbelegschaft und verknetete mit Feuereifer die Plätzchenzutaten.
Der französische Koch hatte immer wieder versucht zu intervenieren und hockte inzwischen wie ein verzweifeltes Häuflein Elend auf einem Hocker an der Kücheninsel, zerknüllte seine Kochmütze in den Händen und zuckte immer wieder zusammen, wenn ich eine Bewegung machte, die gegen die fachliche Ausbildung des Sternekochs ging.
Mrs. Orlov tätschelte ihm tröstend die Schulter, während ich bereits dabei war den Teig auszurollen und im Anschluss die Kekse auszustechen.
Mir lief das Wasser im Mund zusammen und mein heftig knurrender Magen erinnerte mich daran, dass ich im Prinzip halb verhungert war.
Diese Musik verstand der Küchenmeister nur zu gut und sah endlich seine Chance gekommen, mich aus seinem Heiligtum zu bugsieren.
Mit vielen großen Gesten, endlosen Verbeugen und soviel französischem Akzent, dass mir ganz schwindlig wurde, komplimentierte der gute Mann mich auf den nun frei gewordenen Hocker, schob mit routinierten Bewegungen die Kekse in den Backofen und sah mit einem erleichterten Lächeln zu mir hin.
Der Störenfried war endlich beseitigt und er konnte wieder schalten und walten, wie es ihm beliebte.
„Mademoiselle, was möschten Sie essön? Darf isch Ihnen eine wundebare Omelette mit frischen Tomaten und Steinpilzen zubereiten?"Joar ...
Da war mein Magen doch voll dabei und ich nickte überglücklich.
Und dennoch ... irgendwie hatte ich sowas von Bock auf Eiscreme!
Und aus unerfindlichen Gründen fand ich die Vorstellung, das Eis mit einem Glas Gewürzgurken zu mischen unfassbar verführerisch!
Mrs. Orlov sah, wie ich natürlich völlig unauffällig zum großen Froster starrte und fragte höflich: „Möchten Sie in der Zwischenzeit vielleicht gerne etwas naschen?" Ich druckste erst herum, dann platzte ich mit dem Wunsch nach Vanilleeis heraus.
Der Maître änderte prompt die Richtung, angelte aus dem Froster das Gewünschte und voilà ... schon hatte ich einen wunderschön verzierten Becher mit köstlicher Sünde vor mir. Die Hausmutter lächelte zufrieden und eilte von dannen und ich nutzte meine vorübergehende Aufsichtsfreie Zeit und spingste in die Speisekammer, die so groß wie meine ehemalige Wohnung war.
Sicher, es war ein Risiko ... Gewürzgurken mit Vanilleeis zu mixen war jetzt nicht unbedingt normal ... Aber ohne Scheiß!
Ich wollte es.
So sehr!
Und vor allem wollte ich die Gürkchen in das halb geschmolzene Eis tauchen!
Bis jetzt hatte ich immer gedacht, Schwangerschaftsgelüste wären einfach zu händeln, aber weit gefehlt!
Als ich die verdammten Dinger nicht sofort fand, schluchzte ich drauflos.
Gott war das frustrierend ... Stimmungsschwankungen am laufenden Band. Ich hatte von mir selbst schon den Kaffee auf und wenn ich beachtete, dass ich den Dreck noch einige Monate würde mitmachen müssen, standen mir fast schon die Haare zu Berge!
„Mademoiselle? Ist alles in Ordnüng? 'Aben Sie sisch verletzt?"
Der Koch steckte besorgt seinen Kopf zur Kammer hinein und eilte dann rasch zu meiner Wenigkeit, die nun auf dem Boden saß und mit angestellten Wasserwerken verzweifelt versuchte, DIE GOTT VERDAMMTEN GEWÜRZGURKEN ZU FINDEN!
Unter vielem Geschluchze und Geflenne schaffte ich es schließlich dem armen Franzosen begreiflich zu machen, was ich so verzweifelt wollte und als er mir das große Glas in die Hände drückte, war ich im Himmel!
Sanft schob er mich auf meinen Hocker zurück und bekam dann selbst beinahe einen Heulkrampf, als er das Blech mit den sehr, sehr dunklen Plätzchen aus dem Ofen zog.
DAS ging nun wirklich gegen seine Kochehre und nun jammerte der Gute, dass ihm so etwas Entwürdigendes noch nie passiert sei.
Ich tunkte derweil die Gurken in die eisige Vanillesoße und in anderen Sphären!
So lecker ...!
Der Küchenchef stellte mir kurz darauf einen Teller mit einem wunderbar duftenden goldenen Omelette vor die Nase und wurde fast ohnmächtig, als ich das Ganze mit Vanillesoße übergoss.
Schluchzend verabschiedete sich die sensible Seele, um eine Inventur in der Speisekammer zu machen und ich stopfte mich glücklich und ohne Unterbrechungen voll.
Mrs. Orlov kehrte zurück und da ich gerade dabei war, begeistert stöhnend den Teller abzulecken, bekam ich ihren zunächst entgeisterten, dann verstehenden Blick nur am Rande mit.Zufrieden rieb ich mir über den Bauch und sah mich dann doch leicht schuldbewusst nach dem Koch um. Das leise Gewimmer aus der Speisekammer verpasste mir ein mörderisch schlechtes Gewissen, daher machte ich seufzend Anstalten, das Chaos, welches ich mit meinen Backkünsten angerichtet hatte, wieder zu beseitigen, doch die Hausmutter schüttelte resolut den Kopf und schob mich durch das Wohnzimmer auf die Terrasse hinaus.
Dort erhob sich der Kerl, der an meinem neuerdings ungewöhnlichen Essverhalten schuld war, von seinem Liegestuhl und trat auf mich zu.
Ich sage es ganz offen ... der Mann im Anzug? Heiß!
Der Mann nur in Badehose?
Herzinfarkt!
Bevor ich anfangen konnte, zu sabbern und ihn wohl möglich auch noch anflehte, mich hier an Ort und Stelle so richtig durchzupimpern, piepste ich irgendwas von Sonnencreme und stürzte in die vermeintliche Sicherheit meines Zimmers zurück.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich alles gerade so richtig in den Sand gesetzt hatte ...
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Es begann mit einem Ring
ActionWer hätte das gedacht? Eigentlich war meine Planung doch so einfach. Alles was ich wollte, war: 1. In Ruhe gelassen werden. 2. mir mindestens drei Katzen zulegen. 3. ja niemandem auffallen. 4. mich soweit wie irgendmöglich mich von meiner Alkoholi...