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Das musste ich dann erstmal verdauen

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Das musste ich dann erstmal verdauen ... ungläubig starrte ich auf meine süße kleine unschuldige Schwester, die anscheinend doch nicht ganz so unschuldig war.
Vermutlich ging ich gerade als abstruse Kreuzung zwischen Karpfen und Eule durch, denn ich glotzte mit weit aufgerissenen Augen schielend durch die Gegend, während mein Mund auf und zuging, da ich zwar wirklich dringend etwas sagen wollte, aber leider nicht wusste, was!
Helena warf mir einen entschuldigenden Blick zu und schritt hoheitsvoll ins Wohnzimmer. Maxim hob lediglich eine Augenbraue, Diego gähnte demonstrativ, kratze sich die Nase und brummelte etwas von „zu viele Nervensägen„, „Garten", „Frust" und „Beine brechen" und walzte an dem breit grinsenden Sergej vorbei.
Mrs. Suderow seufzte leise und drückte mir kameradschaftlich ein weiteres Glas Wodka in die Hand.
Ich beschloss, dass Selbstmedikation jetzt durchaus angebracht und zudem extrem nötig war und exte das Zeug in einem Zug.
Wortlos zeigte Raphael mir seine Unterstützung, indem er seine beiden Hände auf meinem Schultern ruhen ließ.
Das, gepaart mit dem flüssigen Mut stabilisierte mich so weit, dass ich mich dieser neuesten Entwicklung in meinem Leben stellen konnte ... mit Anmut, Grazie und Ruhe, wie es sich für eine Bratwaprinzessin geziemte!

„WAS ZUM ARSCH GEFICKTEN TEUFEL IST HIER BITTE SCHÖN LOS?"

Helena setzte sich neben mich und nahm meine Hände.
„Sarina, bitte lass mich erklären ...", flüsterte sie und ich knurrte wie eine Katze, die man gegen den Strich auf Krawall bürstete.
„Erklären? Ja, das wär doch mal eine gute Idee! Dann erklär mal, Schwesterherz und das am besten, bevor ich hier völlig ausraste! Ich bin todmüde, angeschossen, habe solch einen Kohldampf, dass mein Magen kurz davor ist sich selbst zu verdauen, der Stellvertreterfrosch da vor mir grinst sich gerade die Ohren weg und meine ehemalige Verlobtenfamilie scheint nicht sonderlich überrascht zu sein. Was irgendwie impliziert, dass ich die einzige Hohlnuss bin, DIE MAL WIEDER KEINEN PLAN HAT, WAS HINTER IHREM RÜCKEN PASSIERT!"
Rafa entfernte sich mit schnellen Schritten. Der Mann kannte mich und wusste schließlich, was gut für ihn war, denn mein Frustrationslevel nahm sekündlich zu und pendelte sich just bei „Benzin ausgießen und gackernd wie eine Gewitterhexe mit 'nem Feuerzeug spielen" ein!
Helena seufzte leise, warf jedoch dem feixenden Sergej einen derart scharfen Blick zu, sodass dieser fix das wissende Grinsen abschraubte.
Was auch wesentlich gesünder für ihn war, da ich ungefähr drei Komma acht Sekunden davon entfernt war, diesen Arsch mit einem Sofakissen so lange zu verprügeln, dass man meinen konnte, ein Fuchs sei in einen Hühnerstall eingebrochen, derart würden hier die Federn fliegen!
„Hör zu ... es tut mir unendlich leid, dass ich dich so lange angelogen hab. Du bist echt der letzte Mensch auf dieser Welt, den ich verletzten wollte! Ich liebe dich so sehr, Sarina. Ich hoffe, wenigstens das weißt du."

Ich grummelte gereizt vor mich hin ... mein Magen grummelte gereizt vor sich hin ... Meine innere Stimme grummelte gereizt vor sich hin ...
Ich holte bereits wieder tief Luft, um irgendwelche unflätigen Dinge in die Gegend zu brüllen, da stopfte mir jemand ohne Vielerlesendes einen Keks in die Futterluke. Danach war zumindest nun mein Magen ansatzweise zufrieden, vor allem weil dem ersten Gebäck direkt das nächste nachfolgte.
Ich schielte zu dem edlen Spender und sah meinen Geliebten und Bodyguard mit einem riesigen Teller voller Köstlichkeiten schräg hinter mir stehen.
Wenigstens einer in dieser Schlangengrube, der meine Love-Language sprach!
Rafa stellte den Teller vor mir auf dem Glastischchen ab und ich langte ordentlich zu. Mit vollen Backen blinzelte ich zu meiner kleinen Schwester hin und fuchtelte mit einem Schokoladenplätzchen bewaffnet vor ihrem Gesicht herum.
„Wasch' wolltescht du mir schagen?"
Helena mopste sich den Keks - MEINEN KEKS  WOHLGEMERKT - und schon war der in ihrem Mund verschwunden.
„Mit vollem Mund sprischt man nischt!", schmatzte sie zurück und hielt meinem wütendem Gefunkel stand.
Schließlich gab ich auf und kicherte.
Ganz egal, was sie mir vorgespielt hatte, ... Sie war meine kleine Schwester und ich liebte sie, also reichte ich ihr zum Zeichen der Versöhnung ein weiteres Plätzchen und lehnte mich zurück in die Kissen.
Helena spiegelte meine Bewegung und drehte das Gebäck unschlüssig in der Hand.

„Es war einfach leichter, weißt du? Auf diese Weise haben unsere Alten mich zumindest die meiste Zeit in Ruhe gelassen. Mir ist schon klar, dass du dadurch die Hauptlast der elterlichen Fürsorge abbekommen hast und das tut mir unfassbar leid! In den ersten Jahren hatte ich einfach nur Angst vor den beiden und dann hab ich zufällig gehört, wie unser Erzeuger davon gesprochen hat, mich mit Giovanni Battarelli zu verheiraten, um in Sizilien Fuß zu fassen. Der Kerl war achtzig zu der Zeit. ACHTZIG! Jetzt ist er Gott sei Dank tot, weil seine letzte Ehefrau ihn vergiftet hat. Vermutlich konnte sie den ganzen Missbrauch und sein sadistisches Verhalten nicht mehr ertragen."
Mir klappte der Unterkiefer runter.
Woher zum Geier wusste sie das alles?
Als die Heiratspläne für sie gemacht wurden, war sie wie alt?
Acht?
Doch dann erinnerte ich mich ... kurz nach den Verhandlungen war ihr Verhalten tatsächlich auffällig geworden.
Helena war davor immer ein stilles Kind gewesen. Sehr introvertiert, in sich zurückgezogen.
Ich hatte irgendwie stets den Verdacht gehabt, dass sie autistische Züge hatte ... noch am Tag nach dem unser Alter sich mit den Battarellis getroffen hatte, hatte sich ihr Wesen vollkommen geändert.
Sie tanzte oft glücklich durch die Gegend, umarmte selbst die grimmigsten Arschlöcher, die unsere Soldatentruppe ihr Eigen nannte und plapperte mit ihrer süßen, kindlichen Stimme irgendwelche Geschichten vor sich hin.
Nachdem sich dieses Verhalten über die folgenden Jahre nicht geändert hatte, zog Vater den Familienarzt zurate und der stellte dann die nicht zutreffende Diagnose, dass Helena geistig zurückgeblieben sei.
Der alte Sack drehte sich gerade vermutlich wie ein Spießbraten im Grabe herum ... so ein dämlicher Volltrottel! Das brachte mich auf eine glorreiche Idee und ich hopste wie ein Flummi auf Koks völlig aufgeregt auf dem Sofa auf und ab.

„Oh, oh, oh ... brillanter Einfall! Bevor Maxim unsere Erzeuger in die Ewigkeit schickt, müssen sie unbedingt die Wahrheit darüber erfahren! Ich will, dass Vater sich buchstäblich in den Arsch beißt, weil er dem alten Quacksalber vertraut hat, anstatt einen teuren Facharzt zu konsultieren ... hätte er das gemacht, wäre sofort aufgefallen, dass Helena alles andere als geistig verwirrt ist und er hätte die volle Unterstützung der Battarellis in diesem Konflikt gehabt. So Sau dämlich! Ich wieher' mich in die Ecke! Wenn man bedenkt, dass sie diesen ganzen Scheiß mithilfe der Sizilianer hätte gewinnen können und nur seine verschissene Dagobert Duck Einstellung daran schuld ist, dass Mutter und er sich jetzt die Radieschen von unten betrachten können!"
Helena spingste mich mit einem zaghaften Lächeln von der Seite an und fragte unsicher: „Bist du sehr böse auf mich?"
Ich winkte ab.
Wenn ich ehrlich sein sollte, so war nur mein extrem leerer Magen schuld an meiner super schlechten Laune gewesen.
Okay, ja, der Blutverlust durch die Schusswunde war auch alles andere als schön, aber wenn ich rational darüber nachdachte, konnte ich Helena verstehen.
Wenn ich vor diese Entscheidung gestellt worden wäre, wer weiß, was ich angestellt hätte.
Sie hatte sich selbst beschützt und das auf eine so brillante Art und Weise, wie ich es einer Achtjährigen niemals zugetraut hätte.
Und selbst wenn ich nicht mein halbes Leben geglaubt hätte, dass sie geistig verwirrt wäre, ich hätte dennoch alles in meiner Macht Stehende getan, um meine süße kleine Schwester zu beschützen.
Insofern war's für mich einerlei. Trotzdem fixierte ich sie mit leicht zusammengekniffenen Augen nun.
„Von jetzt an keine Lügen mehr", knurrte ich, und Helena beeilte sich eifrig zu nicken.
Jepp, damit konnte ich leben.
Ich gähnte ausgiebig und bekam davon fast eine Maulsperre.
„Nun, ich denke, alles andere können wir auch morgen noch besprechen, wenn Sarina wieder einigermaßen hergestellt ist", zwitscherte Maxims Mutter und sah mich liebevoll an. „Ich habe die Zimmer neben Alessia für dich vorbereiten lassen. Schlaf dich aus, erhole dich gut und danach besprechen wir wie es weitergeht."
Ich nickte eifrig, gähnte erneut und Raphael hob mich in die Arme.
Leise grunzend vergrub ich mich in seinem warmen Hemd und bekam nur noch halbwegs mit, wie er sich nach dem Weg zu meinem Bett erkundigte und dann losmarschierte.
„Nicht so viel schaukeln", maulte ich, kurz davor in meinem halb ohnmächtigen Zustand auch noch seekrank zu werden und das leise Lachen meines Liebsten lullte mich in den Schlaf noch bevor wir das Treppenhaus erreicht hatten.

Es begann mit einem RingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt