___Dan's Sicht___Ich stand in der stillen, schwülen Nachtluft und starrte auf die leeren Straßen von San Almenda. Das Flackern der alten Straßenlaternen und das ferne Bellen eines Hundes waren das Einzige, was die Dunkelheit belebte.
Ich fühlte mich verloren, wie ein Kapitän ohne Kompass auf einem endlosen Ozean.
Seit Stunden war ich unterwegs, durch Viertel gefahren, durch Gassen gelaufen, immer auf der Suche nach einem Zeichen. Aber es gab nichts – keine Spur von Izzy.
Verdammt, wie hatte es so weit kommen können?
Ich trat wütend gegen eine Mülltonne, die scheppernd gegen die Wand eines alten Backsteingebäudes krachte. Adrenalin rauschte durch meine Adern, mein Herz hämmerte wild in meiner Brust. Izzy war verschwunden, und die Zeit lief uns davon. Jede Sekunde, die verstrich, brachte sie weiter weg von mir. Wenn ihr irgendetwas passiert wäre...
Ich durfte nicht daran denken. Ich durfte mir nicht ausmalen, was diese Bastarde mit ihr anstellen könnten. Der bloße Gedanke daran trieb mir die Wut ins Gesicht und machte es schwer, klar zu denken.
Rivera hatte mir gesagt, ich solle mich beruhigen, einen kühlen Kopf bewahren. Doch wie zur Hölle sollte ich das tun? Izzy war nicht irgendeine Person. Sie war...
*Scheiße*, dachte ich und rieb mir energisch über das Gesicht, als wollte ich die Gedanken aus meinem Kopf wischen.
Sie war alles.
Ich sprang wieder in mein Auto, startete den Motor und donnerte los, während meine Gedanken sich im Kreis drehten. Sie hatten sie direkt von der Beerdigung weg verschleppt, direkt vor meiner Nase, und niemand hatte es kommen sehen. Ich hätte es sehen müssen. Ich hätte sie beschützen sollen.
Während ich durch die leeren Straßen raste, kreisten meine Gedanken immer wieder um die gleiche Frage: *Wer hatte sie entführt?*
Ich wusste, dass es kein Zufall war. Das hier war geplant, strategisch. Es musste jemand sein, der genau wusste, wann und wo Izzy sein würde. Jemand, der Zugang zu uns hatte, ohne dass es auffiel. Doch jede Spur führte ins Nichts, jedes Puzzleteil, das ich in meinem Kopf zusammensetzen wollte, blieb unvollständig. Die üblichen Verdächtigen hatten keine Spuren hinterlassen. Es gab keinen Hinweis darauf, dass eine rivalisierende Gang sie in die Finger bekommen hatte. Aber etwas stimmte nicht.
Dann dachte ich an Miguel.
Er hatte mir kurz vor seinem Tod etwas Wichtiges sagen wollen, aber er hatte nie die Chance dazu bekommen. Miguel hatte sich verändert in den letzten Monaten vor seinem Tod, war unruhiger geworden, ängstlicher, als ob er auf der Flucht vor einem Geist war, den niemand außer ihm sehen konnte. Immer wieder hatte er mir angedeutet, dass „etwas Großes" bevorstand, dass es „jemanden" gab, den ich im Auge behalten sollte. Aber jedes Mal, wenn ich nachgefragt hatte, war er ausgewichen, hatte das Thema gewechselt oder war einfach verschwunden.
Und jetzt war Miguel tot, und Izzy war verschwunden. Zwei Schläge, die mich fast in die Knie gezwungen hätten. Doch jetzt musste ich stärker sein als je zuvor. Denn wenn ich eines wusste, dann, dass das alles zusammenhing.
Es war kein Zufall.
*Jemand spielt ein verdammtes Spiel mit uns*, dachte ich düster, während ich in die Kurve schoss, das Auto kaum unter Kontrolle haltend. *Und ich werde herausfinden, wer es ist.*
Meine Gedanken sprangen plötzlich zurück zu einem Gespräch, das ich vor Wochen mit Miguel geführt hatte. Es war spät gewesen, mitten in der Nacht, und er war unerwartet zu mir gekommen – nervös, verärgert, fast paranoid. Wir hatten über alte Zeiten gesprochen, über die Gang, über die Geschäfte... und dann hatte Miguel den Namen fallen lassen: * Michael DeLuca.*
Damals war ich mir nicht sicher gewesen, warum Miguel diesen Namen erwähnt hatte. Michael DeLuca war für mich nichts weiter als eine alte Geschichte, eine längst vergessene Erinnerung. Michael , der Vater von Izzy und Miguel , hatte die Familie verlassen, als Izzy noch ein kleines Kind gewesen war. Er hatte sich damals aus dem Staub gemacht, als die Dinge kompliziert wurden, und niemand hatte seither von ihm gehört. Izzy sprach nie über ihn, und Miguel hatte ihn immer als den „feigen Bastard" bezeichnet, der seine Familie im Stich gelassen hatte.
Aber jetzt... jetzt machte es plötzlich Sinn. Michael DeLuca Alias Delano. Das Gesicht, das seit all den Jahren aus der Dunkelheit aufgetaucht war und langsam Form annahm. Michael war nicht nur weg – er war zurück.
Ich zog scharf die Luft ein, als die Puzzleteile in meinem Kopf zusammenklickten. Michael musste es sein.
Miguel hatte etwas gewusst, etwas über ihn. Er hatte wahrscheinlich herausgefunden, dass sein Vater zurück war, und es hatte ihn in den Wahnsinn getrieben. Das war die Sache, über die er hatte sprechen wollen. Aber bevor er es tun konnte, war er tot. Und jetzt hatte Delano Izzy.Ich schlug mit der Faust auf das Lenkrad. Ich hatte es kommen sehen, und trotzdem hatte ich nichts dagegen getan. Ich hätte es verhindern müssen. Michael war eine tickende Zeitbombe gewesen, die ganze Zeit über – und jetzt hatte er Izzy in seinen Fängen.
*Wo versteckst du dich, du verdammter Bastard?* dachte ich, während ich durch die Stadt raste, meine Augen scannten jede dunkle Ecke, jedes Gebäude, jedes verlassene Lagerhaus. Michael hatte immer Kontakte in den Untergrund gehabt, er war gut darin, sich zu verstecken, und er wusste, wie man sich aus dem Blickfeld der Leute hielt. Aber er konnte nicht für immer im Schatten bleiben.
Ich fuhr schneller, die Straßen flogen an mir vorbei, während mein Verstand auf Hochtouren lief. Wenn Er Izzy entführt hatte, dann musste es einen Grund geben. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es nur aus purer Rache war. Delano war gerissen – er hatte immer einen Plan. Aber was konnte das Ziel sein? Was wollte er von Izzy? War es Geld? Macht? Oder etwas ganz anderes?
Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Ich griff zu meinem Handy und wählte eine Nummer, die ich schon seit Jahren nicht mehr benutzt hatte. Sie gehörte einem alten Kontakt, einem Informanten, der tief in der Unterwelt von San Almenda verstrickt war. Wenn jemand wusste, wo Delano sich aufhielt, dann er.
Das Handy klingelte einmal, zweimal, dreimal... und dann hörte ich eine tiefe, raue Stimme am anderen Ende der Leitung. „Wer zum Teufel..."
„Es ist Dan", unterbrach ich ihn schnell, bevor er auflegen konnte. „Ich brauche Informationen. Und zwar jetzt."
Der Mann am anderen Ende schwieg für einen Moment, dann seufzte er schwer. „Was willst du wissen, Dan?"
„ Michael DeLuca. „ sagte ich, die Worte scharf wie Messer. „Ich brauche seinen Aufenthaltsort. Sofort."
Ein leises Lachen kam aus dem Telefon. „Der alte Delano, hm? Warum interessiert dich der plötzlich wieder?"
Ich knirschte mit den Zähnen. „Weil er Izzy entführt hat. Und ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, wenn du mir nicht hilfst, werde ich..."
„Beruhig dich", unterbrach der Informant mich wieder. „Ich hab schon von den Gerüchten gehört. Er treibt sich in letzter Zeit wieder rum, das stimmt. Aber er ist schwer zu fassen. Der Typ weiß, wie man unsichtbar bleibt."
Ich schloss die Augen und kämpfte gegen die aufsteigende Wut. „Hast du irgendwas für mich? Irgendwas, was mir helfen kann?"
Ein weiteres Schweigen, dann das Geräusch von Papierrascheln. „Es gibt Gerüchte, dass er sich in einem alten Lagerhaus im Industrieviertel versteckt hält. Irgendwo am Hafen. Es könnte eine Falle sein, oder er könnte wirklich da sein. Du weißt, wie diese Dinge laufen."
Ich nickte, obwohl der Mann es nicht sehen konnte. „Danke", sagte ich knapp und legte auf.
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Black Rose: The Bloom |
RomantikSofia Martinez hat alles hinter sich gelassen, um an der Universität ein neues Leben zu beginnen. Doch als ein alter Bekannter plötzlich auftaucht, scheint ihre sorgfältig aufgebaute Tarnung zu bröckeln. Sie wird unerwartet mit ihrer düsteren Vergan...