„Sofia, du musst aufstehen!" Emilia schrie fast. Ihre Stimme drang durch die dicke Decke, die ich mir über den Kopf gezogen hatte. „Du kommst noch zu spät zur Vorlesung!" Ich kniff die Augen fest zusammen, versuchte, die Realität auszublenden, doch das gleißende Licht in unserem Zimmer machte es unmöglich.
Sie musste wieder die volle Beleuchtung eingeschaltet haben. Perfektes Licht für sie, um jedes Detail ihres Outfits im Spiegel zu überprüfen. Perfektion, das war Emilias Maßstab – nichts durfte falsch sitzen, nichts durfte nicht zueinander passen. Manchmal beneidete ich sie um ihre Selbstsicherheit. An anderen Tagen, wie heute, war sie einfach nur anstrengend.
„Wie spät ist es?" murmelte ich, kaum fähig, die Worte auszusprechen. Ihre genervte Antwort kam prompt. „8:30. Deine Vorlesung beginnt in anderthalb Stunden. Du solltest langsam aufstehen und dieses Chaos in Ordnung bringen." Ich hörte sie schnippisch lachen, und ihr Blick fiel zweifellos auf meine ungebändigten Haare und das zerknitterte Schlafshirt, das ich trug.
„Ich könnte auch so rausgehen, und trotzdem würden mir die Männer hinterherlaufen," erwiderte ich halbherzig, die Decke weiter über mein Gesicht gezogen. Emilia lachte, spöttisch und doch amüsiert. „Ja, klar", sagte sie, „8:34 Uhr, bis später, Süße." Sie schwang die Tasche über ihre Schulter, knallte die Tür hinter sich zu und ließ mich allein zurück.
Ich lag noch einen Moment still, lauschte den verblassenden Schritten auf dem Flur. Doch in meinem Kopf herrschte Unruhe. Etwas nagte an mir, ein dunkles Gefühl, das ich nicht loswerden konnte. Gestern. Isabella Diaz. Die Fragen wirbelten durch meinen Geist, als ich schließlich widerwillig die Augen öffnete.
Ich griff nach meinem Handy, um die Uhrzeit zu überprüfen. Keine wichtigen Nachrichten, bis auf eine von Lucas: *„Sehen wir uns heute?"* Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Wenigstens er schien immer konstant zu sein, ein sicherer Hafen in diesem Strudel von Unsicherheit. Schnell tippte ich ihm eine Antwort zurück: *„Ja, ich freu mich darauf."*
Mit einem tiefen Atemzug zwang ich mich schließlich aus dem Bett. Ich schlich ins Badezimmer, schaltete das Licht an und starrte mich im Spiegel an. Meine Augen wirkten müde, dunkle Ringe zeichneten sich darunter ab. Ich hatte die ganze Nacht kaum geschlafen, immer wieder war ich aufgewacht, das Gefühl, beobachtet zu werden, ließ mich nicht los. Aber da war niemand. Niemand außer mir und der Stille, die mich fast erdrückte.
Nachdem ich mich fertig gemacht und meine Tasche gepackt hatte, schlüpfte ich in meine Schuhe und ging zur Tür. Ich hatte es fast geschafft, als mir plötzlich etwas ins Gedächtnis schoss. Die Facharbeit. **Verdammt!**
Gestern Nacht hatte ich sie noch überarbeitet und den richtigen Namen eingetragen. Doch ich hatte sie oben auf meinem Schreibtisch liegen lassen. Hektisch wirbelte ich herum und rannte die Treppen hinauf. Mein Herzschlag beschleunigte sich, als ich die letzten Stufen nahm.
Als ich die letzte Stufe erklomm, blieb ich abrupt stehen. Ein Klingeln durchbrach die Stille des Flurs. Mein Handy war es nicht. Ich lauschte einen Moment, zögerte. Die Schritte einer anderen Person waren kaum zu hören, aber sie waren da – leise, behutsam. Ich blieb regungslos, lauschte weiter. Dann hörte ich die Stimme. Tief, männlich, fast flüsternd.
Ich versuchte, seine Worte zu verstehen, doch mein Atem war so laut in meinen Ohren, dass ich nur einzelne Fetzen aufschnappte. Spanisch. „Lo tengo." – „Ich hab es." Die Worte schienen durch den Flur zu hallen. Doch was hatte er? Und wer war er? Mein Herz begann, schneller zu schlagen, während ich weiter in der Dunkelheit des Treppenhauses verharrte.
Die Schritte wurden leiser, die Stimme verklang. Vorsichtig trat ich vor, blickte um die Ecke. Der Flur war leer. Nichts als Stille und die kühle Luft, die über den Boden strich. Ich atmete tief durch, doch die Unruhe ließ mich nicht los.
Mit zitternden Händen griff ich nach meinem Schlüssel und steuerte auf meine Zimmertür zu. Doch noch bevor ich sie erreichte, erstarrte ich. Da lag etwas vor der Tür. Eine schwarze Rose. Ihr Stiel war perfekt, ihre Blütenblätter dunkel, beinahe wie aus Samt. Mein Atem stockte.
Ich spürte, wie Panik sich in mir ausbreitete, wie meine Brust sich zusammenzog, als mir klar wurde, was das bedeutete. Wer... hatte sie hier hingelegt? Und warum?
Die Panik kroch über meine Haut, legte sich wie eine schwere Decke um meine Gedanken. Unfähig, klar zu denken, hob ich die Rose auf und warf sie hastig in den Mülleimer im Flur. Meine Hände zitterten, als ich die Tür aufschloss, die Facharbeit vom Schreibtisch schnappte und ohne einen Blick zurück aus dem Zimmer stürzte.
Ich lief durch die Flure, die Welt um mich herum verschwamm. Die Rose, die seltsame Stimme, die andauernde Verwirrung – es war zu viel. Ich musste hier raus. Ich brauchte Luft.
Als ich das Gebäude endlich verließ, spürte ich, wie die kühle Morgenluft meine Lungen füllte, doch die Panik wollte nicht weichen. Mein Atem ging flach und schnell. Meine Beine zitterten, und als ich die Bushaltestelle erreichte, brach ich fast zusammen.
Mit zitternden Händen setzte ich mich auf eine der kalten Metallbänke. Tränen rannen über meine Wangen, und ich wischte sie hastig ab, doch die Angst ließ sich nicht so leicht abschütteln. Was zur Hölle passierte hier? Wer hatte mich gefunden? Wer von ihnen wusste es?
Verzweifelt grub ich meine Fingernägel in meine Handflächen, spürte den Schmerz, wie er mich zurückholte, Stück für Stück. Meine Atmung beruhigte sich langsam, doch der Knoten in meinem Magen blieb. Ich zog eine Zigarette aus meiner Tasche, steckte sie zwischen meine Lippen und suchte hektisch nach einem Feuerzeug. Nichts. **Verdammt.**
Ich warf die Hände in die Luft, seufzte lautstark. Doch dann, plötzlich, schob sich ein Lichtschein vor mein Gesicht. Jemand hatte von hinten ein Feuerzeug hervorgeholt und hielt es mir hin.
„Ich dachte, du wolltest aufhören", sagte eine vertraute Stimme. Ich erstarrte und blickte über meine Schulter. Lucas. Seine Augen funkelten im grauen Morgenlicht, als er das Feuerzeug anzündete und die Flamme meiner Zigarette entgegenhielt.
Er setzte sich neben mich, und ich nahm einen tiefen Zug. Der Rauch erfüllte meine Lungen, und für einen Moment schien die Welt wieder in Ordnung zu sein. Doch dann spürte ich sein wachsames Auge auf mir.
„Ist alles in Ordnung, Babe?" Seine Stimme war sanft, und doch wusste ich, dass er mich durchschaut hatte.
Ich zwang mich zu einem Lächeln, obwohl mein Inneres wie zerrissen war. „Ja", log ich, „ich hatte nur einen schlechten Start in den Tag."
Lucas legte seinen Arm um meine Schultern, zog mich näher. „Möchtest du darüber reden?"
Ich schüttelte den Kopf und lehnte mich gegen ihn, spürte die Wärme seines Körpers durch meine Kleidung. „Nein", sagte ich leise, „nicht jetzt."
Er akzeptierte es und presste einen Kuss auf meine Stirn. Ich lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter, nahm einen weiteren Zug von meiner Zigarette und versuchte, die Dunkelheit, die sich über meinen Verstand gelegt hatte, zu ignorieren.
Doch ich wusste, dass sie nicht verschwand. Sie war immer noch da, lauernd, wartend. Irgendetwas war geschehen. Irgendetwas Dunkles. Und es würde mich nicht so leicht loslassen.
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Black Rose: The Bloom |
RomansaSofia Martinez hat alles hinter sich gelassen, um an der Universität ein neues Leben zu beginnen. Doch als ein alter Bekannter plötzlich auftaucht, scheint ihre sorgfältig aufgebaute Tarnung zu bröckeln. Sie wird unerwartet mit ihrer düsteren Vergan...