KAPITEL ZEHN

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Ich stieg hinten ins Auto ein, meine Bewegungen mechanisch, als ob mein Körper von einer fremden Macht gelenkt wurde. Die Dunkelheit der Nacht schien sich in das Innere des Wagens zu schleichen, drückte schwer auf meine Schultern und schloss mich in eine kalte, trostlose Umarmung. Dan setzte sich neben mich, und ich spürte seinen Blick auf mir ruhen, forschend, als könnte er jedes meiner Geheimnisse entschlüsseln.

Er lächelte, ein flüchtiges Grinsen, das nicht seine Augen erreichte. „Und jetzt zieh dir was drüber." Seine Stimme war ruhig, aber da war etwas in seinem Ton, das mich innehalten ließ. Ohne ein weiteres Wort zog er seinen Pullover aus und legte ihn mir in den Schoß. Der Geruch von Leder und einem vertrauten Aftershave stieg in meine Nase, und für einen Moment wurde ich in die Vergangenheit zurückkatapultiert.

„Zieh ihn einfach über, Izzy," wiederholte er, seine Stimme nun weicher, doch ein dunkles Flackern lag in seinen Augen. „Nicht, dass ich noch einen Steifen bekomme." Er zwinkerte mir zu, ein schmutziges Lächeln umspielte seine Lippen, als ob alles, was gerade passierte, nichts weiter als ein Spiel für ihn war.

Ein Spiel, das ich nicht gewinnen konnte.

Ich zog den Pullover über, die weiche Baumwolle fühlte sich fremd auf meiner Haut an. Ich erwiderte sein schmutziges Grinsen, zeigte ihm meinen Mittelfinger, doch meine Hand zitterte leicht. „Fick dich."

„Du bist immer noch dieselbe, Izzy," sagte er mit einem belustigten Glitzern in den Augen, während sein Blick an mir hinabglitt. „Aber sie sind größer geworden, oder?" Er deutete mit seinen Händen Brüste an, als wäre das alles, worauf es ihm ankam.

„Fick dich," wiederholte ich, doch dieses Mal klang es hohl, fast verzweifelt. Seine Nähe brachte alte Erinnerungen zurück, Erinnerungen, die ich tief vergraben hatte, um sie nie wieder hervorzuholen.

„Weiß mein Bruder, dass du hier bist?" Die Worte entglitten mir, bevor ich sie zurückhalten konnte. Die Frage hing schwer in der Luft, und ich konnte sehen, wie sich sein Grinsen langsam verflüchtigte, als ob die Realität ihn endlich einholte.

„Deswegen bin ich hier, Izzy." Sein Ton war plötzlich ernst, fast traurig, und das machte mir mehr Angst als alles andere. Es war, als ob der Mann, den ich kannte, für einen Moment durch die Maske hindurchblickte, die er immer trug.

„Warte," begann ich, während sich in meinem Kopf die Puzzleteile zusammensetzten. „Habt ihr meinen Namen in der Facharbeit geändert und die schwarze Rose vor mein Zimmer gelegt?"

Er runzelte die Stirn, verwirrt. „Was? Nein! Wie kommst du darauf?" Seine Augen durchbohrten mich, und ich wusste, dass er die Wahrheit sagte. „Izzy, du kennst uns doch. Wir machen keinen solchen Kinderkram."

„Stimmt," murmelte ich, während ein bitteres Lächeln meine Lippen umspielte. „Ihr lauert lieber den Mädchen im Club auf und verkauft Drogen."

Dan grinste, als ob das eine Art Bestätigung wäre. „Ja, und wie du siehst, hat es geklappt." Er zog einen Brief aus seiner Tasche, dazu eine kleine viereckige Schachtel. „Er wollte es dir schon vorher geben. Er wusste, dass du hier bist. Er wollte kommen, aber du weißt ja, wie es ist."

Ich starrte auf die Schachtel, mein Herzschlag beschleunigte sich, als eine vertraute Erinnerung aufblitzte. „Er wusste es?" flüsterte ich, und die Worte brannten auf meiner Zunge.

„Ja, klar. Er ist dein Bruder. Er hat diese Schachtel unter deinem Bett gefunden, bevor du abgehauen bist. Er war aufgelöst, aber er hat es dir nicht erzählt. Er wollte, dass du gehst, dass du ein besseres Leben führst als er."

Ein trauriges Lächeln huschte über meine Lippen. Natürlich wusste er es. Doch das Wissen brachte keine Erleichterung, sondern nur mehr Schmerz. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als Dans Stimme die Erinnerung zerschmetterte.

„Und warum bist du hier und nicht er? Was soll das? Ihr hättet mich einfach in Ruhe lassen können." Meine Stimme brach fast, als die Angst und der Schmerz überhandnahmen. „Was ist mit Miguel passiert?"

Dans Gesicht verdunkelte sich, und die Leichtigkeit verschwand vollständig aus seinem Ausdruck. „Er wollte zu dir, bevor es zu spät war. Er hatte schon alles geplant... und dann..."

„Was ist passiert?" Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, meine Hände zitterten vor Angst.

„Er wurde bei einem Drive-by-Shooting erschossen." Die Worte drangen wie Eis in meine Seele, und die Welt um mich herum begann zu verschwimmen.

„Nein..." Ein verzweifelter Schrei entkam meinen Lippen, als der Schmerz mich überwältigte. Ich schlug auf Dan ein, doch die Schläge fühlten sich kraftlos an, als ob die Schwere des Moments jede Energie aus mir herausgesogen hätte. „Nein, das kann nicht sein!"

Dan packte meine Handgelenke sanft, versuchte, die Schläge abzuwehren, doch in seinen Augen sah ich den gleichen Schmerz, den ich fühlte. „Izzy, bitte..." Seine Stimme war sanft, flehend. „Hör auf."

Er zog mich an sich, und ich brach in seinen Armen zusammen. Die Welt schien in sich zu zerfallen, und alles, was blieb, war der Schmerz, der sich wie ein Messer in mein Herz bohrte. Ich weinte bitterlich, mein Schluchzen drang in die Stille des Autos und vermischte sich mit dem leisen Brummen des Motors, als Tank das Auto startete und uns durch die Dunkelheit fuhr.

Ich bekam kaum noch etwas mit, ich war in seinen Armen fast eingeschlafen – erschöpft und müde. Er versuchte mich dazu zu bringen, auszusteigen. 
Dan brachte mich in mein Zimmer.

Ich zog den Pullover aus, warf ihn Dan zu und legte mich ins Bett, meine Gedanken kreisten um die schmerzliche Wahrheit. Miguel war tot. Alles, wofür ich gekämpft hatte, war in einem einzigen Moment zerstört worden.

Er zögerte einen Moment und ging dann schließlich doch aus dem Zimmer. Ich verkroch mich unter der Decke und dann passierte es wieder – meine Gedanken rasten, und ich konnte es einfach nicht glauben. 
Ist er wirklich tot? Wer hat ihn umgebracht? 

Als ich die Augen schloss, brach ich erneut in Tränen aus, mein Körper wurde von Schluchzern geschüttelt, die den Raum erfüllten. Sekunden später spürte ich, wie sich Emilias Arme um mich legten, ihre Wärme bot mir den einzigen Trost, den ich noch finden konnte. Sie hinterfragte nichts, sagte nichts – und genau dafür liebte ich sie.

Doch in mir tobte der Sturm weiter. Die Dunkelheit meiner Vergangenheit hatte mich wieder eingeholt, und ich wusste, dass es keinen Ausweg mehr gab

Black Rose: The Bloom |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt