Kapitel 24

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Die Worte von Jake hallten noch immer in meinem Kopf, während ich in den Straßen der Stadt entlangging. Die Welt um mich herum fühlte sich unwirklich an, als wäre alles, was ich bisher geglaubt hatte, nur eine Illusion gewesen, die nun zerbrach. Mein Vater lebte, und er war Delano – ein Mann, dessen Ruf in der Unterwelt so gefürchtet war, dass selbst mein Bruder gezwungen war, sich vor ihm zu fürchten, vor seinem eigenen Vater. Ich wusste nicht, ob ich wütend oder verängstigt sein sollte. Wahrscheinlich beides.

Die Suche nach dem zweiten Schließfach war alles, was zählte. Aber was würde ich dort finden? Noch mehr Lügen? Oder endlich die Wahrheit?

Auf der Suche nach Antworten wanderte ich durch die Stadt und folgte den Anweisungen meines Bruders. Das Schließfach sollte in einer kleinen Bank in einem abgelegenen Viertel sein. Die Gegend war ruhig, fast verlassen, und ich fühlte mich zunehmend unbehaglich. Doch als ich die Straßenecke erreichte und den Bankeingang sah, blieb ich stehen. Direkt vor der Tür stand jemand, den ich nur zu gut kannte: Rivera.

Seine Statur war vertraut, und seine breiten Schultern zeichneten sich klar unter seiner Lederjacke ab. Er drehte sich um, als er mich sah, und seine Augen verengten sich leicht. Ich konnte die Spannung in seinem Gesicht erkennen – etwas war anders an ihm. Sein sonst so selbstsicheres Auftreten war von einer Unruhe überschattet.

„Izzy", sagte er, als ich näher kam. Seine Stimme war ruhig, aber ich spürte die Nervosität, die er zu verbergen versuchte. „Was machst du hier?"

Ich zögerte kurz, bevor ich antwortete. „Ich suche nach Antworten, Rivera. Es gibt ein zweites Schließfach, und ich werde herausfinden, was mein Bruder mir hinterlassen hat."

Sein Gesicht verhärtete sich, und ich konnte sehen, wie seine Kiefermuskeln sich anspannten. Er wusste etwas, das war klar, und ich konnte spüren, dass er nicht wollte, dass ich es herausfand.

„Izzy, das ist gefährlich", sagte er und trat einen Schritt auf mich zu. „Dein Bruder... er hat sich mit Leuten eingelassen, die nicht nur ihn, sondern auch dich ins Visier genommen haben. Du solltest das nicht alleine machen."

„Ich habe keine Wahl", entgegnete ich und versuchte, ruhig zu bleiben, obwohl mein Herz raste. „Ich muss wissen, was hier los ist."

Rivera schien kurz nachzudenken, dann seufzte er tief. „Okay", sagte er schließlich. „Aber wenn du das wirklich durchziehen willst, dann nicht alleine. Ich helfe dir."

Obwohl ich immer noch Zweifel hatte, ob ich Rivera wirklich trauen konnte, spürte ich, dass ich keine andere Wahl hatte. Ich brauchte jemanden, der sich in dieser Welt auskannte – jemanden, der mich zumindest vorerst auf dieser gefährlichen Reise unterstützen konnte. „In Ordnung", stimmte ich zu.

Rivera nickte und sah sich um. „Bevor wir reingehen... Lass uns eine kurze Pause machen", sagte er und deutete auf ein kleines Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite. „Du siehst aus, als könntest du einen Moment brauchen, um durchzuatmen."

Widerwillig stimmte ich zu, und wir überquerten die Straße, um das kleine Café zu betreten. Es war fast leer, nur ein paar Tische waren besetzt. Die Atmosphäre war ruhig, die Luft erfüllt von dem Duft von frischem Kaffee. Wir setzten uns an einen Tisch in der Ecke, und Rivera bestellte zwei Tassen schwarzen Kaffee. Während wir warteten, spürte ich, wie sich die Anspannung allmählich löste – doch die drückende Stille zwischen uns blieb bestehen.

„Izzy", begann er nach einer Weile, während er in seine Tasse starrte. „Ich weiß, dass du viele Fragen hast. Und ich werde dir so gut es geht helfen. Aber es gibt Dinge, die..." Er stockte, und ich sah, wie er innerlich rang. „Dinge, die du vielleicht nicht wissen solltest."

Ich sah ihn scharf an. „Was meinst du?", fragte ich. „Du weißt doch etwas, Rivera. Warum hilfst du mir nicht einfach, die Wahrheit herauszufinden?"

Er sah auf, und in seinen Augen lag etwas, das ich nur schwer deuten konnte. „Ich will dich beschützen", sagte er schließlich leise. „Du weißt nicht, wie gefährlich es werden kann."

Ich hielt seinen Blick fest und spürte, wie sich mein Misstrauen vertiefte. „Warum bist du so nervös, Rivera? Was versuchst du vor mir zu verbergen?"

Er schüttelte den Kopf, als wollte er etwas verdrängen. „Es ist kompliziert, Izzy. Es gibt Dinge, die ich dir nicht sagen kann – zumindest nicht jetzt. Aber ich verspreche dir, dass ich an deiner Seite bleibe, egal was passiert."

Diese Worte beruhigten mich nicht im Geringsten. Im Gegenteil – sie machten mich nur noch misstrauischer. Was war es, das Rivera vor mir geheim hielt? Warum schien er so besorgt darüber, dass ich die Wahrheit herausfand? Ich spürte, dass er Angst hatte – aber nicht nur um mich. Er hatte Angst, dass ich etwas über ihn erfuhr.

Nach einer Weile der Stille lehnte ich mich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Gut", sagte ich schließlich. „Wir machen das zusammen. Aber Rivera, ich werde die Wahrheit herausfinden – mit oder ohne deine Hilfe."

Er sah mich an, und ich konnte die Besorgnis in seinen Augen sehen. Doch er sagte nichts weiter, sondern nickte nur stumm.

Wir tranken unseren Kaffee, und für einen Moment schien es, als wäre die Welt draußen in Ordnung – als könnte es tatsächlich einen kurzen Augenblick der Normalität geben. Doch tief in mir wusste ich, dass diese Ruhe trügerisch war. Die Gefahr lauerte immer noch, und ich war fest entschlossen, herauszufinden, was mein Bruder vor mir verborgen hatte. Und auch, was Rivera so sehr versuchte zu verschweigen.

Nach einer Weile stand Rivera auf. „Komm", sagte er ruhig, aber bestimmt. „Lass uns das Schließfach finden."

Ich folgte ihm nach draußen, und gemeinsam machten wir uns auf den Weg zurück zur Bank. Die Spannung war immer noch spürbar, doch zumindest hatte ich das Gefühl, nicht ganz allein zu sein. Rivera war an meiner Seite – auch wenn ich nicht sicher war, ob ich ihm wirklich vertrauen konnte.

Die Bank lag vor uns, und ich konnte das Knistern der Aufregung in der Luft spüren. Dieses Schließfach würde vielleicht die letzten Puzzlestücke zusammenfügen – oder noch mehr Geheimnisse offenbaren, die ich nicht erwartet hatte.

„Bereit?", fragte Rivera leise, als wir vor der Tür standen.

Ich atmete tief durch und nickte. „Ja. Lass uns das tun."

Gemeinsam betraten wir die Bank, und mit jedem Schritt, den wir dem Schließfach näher kamen, konnte ich spüren, wie sich die Dunkelheit um mich herum verdichtete. Rivera war angespannt, aber er hielt sich still, während wir auf den Bankangestellten warteten, der uns Zugang verschaffen würde.

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