KAPITEL VIER

25 3 2
                                    

Ich saß da, mein Blick starr nach vorne gerichtet, während der Professor sprach, aber seine Worte prallten an mir ab wie Regentropfen an einem Fenster. Es war, als wäre eine unsichtbare Barriere zwischen uns, die jedes Geräusch erstickte und meine Gedanken in einen dumpfen Nebel hüllte. Neben mir saß Levin, direkt neben mir, und doch fühlte es sich an, als läge ein Ozean zwischen uns. Er war genauso verloren in seiner eigenen Welt wie ich in meiner.

Levin und ich – wir waren unzertrennlich, seit ich hierhergezogen war. Ich erinnerte mich noch genau an den Tag, an dem wir uns das erste Mal begegneten. Damals war ich neu auf dem Campus, allein und verwirrt in einer fremden Stadt, und Levin war der Erste, der den Mut aufbrachte, mich anzusprechen. Seine Anmache war so plump, dass ich nur den Kopf geschüttelt hatte, aber irgendetwas an ihm hatte mich innehalten lassen. Seitdem war er ein fester Bestandteil meines Lebens geworden, wie ein Anker in einem Meer aus Unsicherheit. Er war wie eine Familie für mich – vielleicht sogar mehr, als ich zuzugeben wagte.

Während der Professor weitersprach, bemerkte ich aus den Augenwinkeln, wie Levin durch sein Handy scrollte. Wikipedia-Artikel, Foren, Nachrichten – alles, was nicht im Entferntesten mit der Vorlesung zu tun hatte. Ab und zu streckte er sich, unterdrückte ein Gähnen, bevor er wieder zum Bildschirm zurückkehrte. Seine Finger bewegten sich schnell und gleichgültig über das Display, als wäre dies die einzige Realität, die ihn interessierte. Ein schwaches Schmunzeln huschte über mein Gesicht, doch es erreichte meine Augen nicht.

Endlich, als der Professor zum Schluss kam, atmeten wir beide erleichtert auf. „Gott sei Dank", murmelte Levin, während er sein Handy in die Tasche steckte. Ich nickte nur stumm, erhob mich und folgte ihm nach draußen. Der Campus war voller Leben – Studenten, die sich über ihre Pläne fürs Wochenende unterhielten, das Lachen, das in der Luft schwebte, und das sanfte Rascheln der Blätter in der Brise. Doch all das fühlte sich an, als käme es aus einer anderen Welt. Eine Welt, zu der ich nicht mehr gehörte.

Auf der Wiese saß Emilia bereits und wartete auf uns. Ihr Lächeln strahlte, als sie uns sah, und sie winkte uns fröhlich zu, bevor sie aufsprang und uns entgegenkam. Ihr Haar glitzerte in der Sonne, ihre Energie war wie immer ansteckend, doch heute schien es, als könnte ihre Fröhlichkeit meine innere Dunkelheit nicht durchdringen.

„Hey, ihr zwei! Schon bereit fürs Wochenende?" rief sie uns entgegen. „Treffen wir uns heute Abend wieder im Negra? Es ist Freitag! Lasst uns einfach alles vergessen und Spaß haben. Die ersten Drinks gehen auf mich!"

Levin verdrehte die Augen und ließ seinen Blick einem vorbeigehenden Mädchen folgen, das seine Aufmerksamkeit auf sich zog. „Schon wieder Negra? Gibt's nicht mal was Neues?"

Ich lächelte schwach, doch meine Gedanken waren längst woanders. Während Levin und Emilia darüber diskutierten, wo man den Abend verbringen könnte, spürte ich, wie sich mein Blick wie von selbst zur Straße zog. Ein unsichtbarer Magnet schien mich zu zwingen, hinüberzusehen.

Da war es. Ein schwarzes Auto, das am Straßenrand parkte, so unscheinbar und doch so vertraut. Meine Augen verengten sich, während ich es genauer musterte. Die Fenster waren tief getönt, bis auf das Beifahrerfenster, das einen Spalt geöffnet war. Ein eisiger Schauer kroch über meinen Rücken, als ich spürte, dass etwas nicht stimmte. Dieses Auto... Ich hatte es schon einmal gesehen. Nein, mehr als einmal.

Dann, wie ein Blitz, schossen die Erinnerungen durch meinen Kopf. Das Auto hatte schon oft vor meinem Wohnheim gestanden. Zuerst hatte ich es als Zufall abgetan, mir eingeredet, dass es nichts bedeutete. Aber jetzt, mit der schwarzen Rose und den verstörenden Erinnerungen, die mich verfolgten, wurde mir klar: Es war kein Zufall. Nichts davon war Zufall.

Mein Atem beschleunigte sich, und mein Herz schlug schneller, als sich die Puzzleteile in meinem Kopf zu einem bedrohlichen Bild zusammensetzten. Das Auto, die Rose, der Name in meiner Arbeit... Sie hatten mich gefunden. Irgendwie hatten sie es herausgefunden. Panik stieg in mir auf, als meine Gedanken sich überschlagen wollten. **Wie konnten sie mich finden? Wie konnten sie wissen, dass ich hier bin?**

Meine Finger krallten sich unwillkürlich in den Stoff meiner Jeans, während das Dröhnen meines Herzschlags in meinen Ohren lauter wurde. **Wer von ihnen wusste es? Wer hatte mich verraten?** Die Welt um mich herum begann zu verschwimmen, und meine Atmung wurde flach, als das vertraute Gefühl von Angst mich überwältigte.

Plötzlich spürte ich Emilias Hand auf meiner Schulter. Ich zuckte zusammen, als wäre ich aus einem Albtraum erwacht. Ihr Gesicht war besorgt, ihre Augen suchten meinen Blick. „Soph, ist alles in Ordnung?"

Ich öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch kein Ton kam heraus. Alles in mir schrie, dass ich weglaufen sollte, dass ich mich verstecken musste. Aber meine Beine waren wie Blei, und die Panik drohte, meine Sinne vollständig zu überfluten. Die Welt um mich herum drehte sich schneller, wurde zu einem verzerrten Strudel aus Farben und Geräuschen. Mein Herz schlug so heftig, dass es schmerzte, und meine Atmung wurde immer schneller, bis ich das Gefühl hatte, zu ersticken.

Emilia sagte etwas, aber ihre Worte erreichten mich nicht. Alles, was ich spürte, war der schwarze Abgrund, der mich in sich hineinzog. Meine Knie gaben nach, und die Welt um mich herum verschwand in einer alles verschlingenden Dunkelheit. Es war, als hätte jemand den Schalter umgelegt, und plötzlich war alles schwarz.

Black Rose: The Bloom |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt