Kapitel 79

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Mariella und ich saßen eine Weile still da, während ich ihre Worte in meinem Kopf hin und her wälzte. Sie hatte recht, natürlich. Aber es war nicht leicht, diesen Knoten aus Gefühlen zu entwirren – die Verwirrung über Sian, die Schuld gegenüber Diana, und die Unsicherheit darüber, wie es weitergehen sollte. Schließlich atmete ich tief ein und sprach wieder.

»Ich weiß, dass es falsch ist, Mariella,« sagte ich leise, während ich mit meinen Fingern nervös an der Bettdecke spielte. »Aber es ist schwer, loszulassen. Wenn Sian bei mir ist, fühlt sich alles so richtig an. Und dann kommt dieser Moment, wo er sich zurückzieht, und ich bin völlig durcheinander. Ich weiß nicht, was ich ihm bedeute. Und ich weiß nicht, wie ich das Diana gegenüber rechtfertigen soll.«

Mariella sah mich lange an, dann legte sie ihre Hand sanft auf meinen Arm. »Isabell, Gefühle sind selten einfach. Besonders wenn es um Menschen geht, die uns so wichtig sind. Aber du darfst dich nicht selbst in der Mitte verlieren. Du musst herausfinden, was du wirklich willst – nicht nur von Sian, sondern von deinem eigenen Leben. Solange du das nicht weißt, wirst du immer in dieser Unklarheit gefangen sein.«

Ich nickte, fühlte mich aber nicht wirklich klüger. »Und was ist, wenn ich das herausfinde und es nicht das ist, was Sian will?«

»Dann wirst du lernen müssen, loszulassen,« antwortete sie sanft. »Und vielleicht bedeutet das, dass du dich für eine Weile auf dich selbst konzentrieren musst, um stark genug zu sein, mit dieser Möglichkeit umzugehen.«

Das Gespräch ging noch weiter, wir sprachen über meine Ängste und Zweifel, und Mariella hörte geduldig zu. Ich war dankbar, dass sie da war – sie half mir, die Dinge zumindest ein wenig klarer zu sehen. Doch tief in mir blieb die Unsicherheit, wie sich alles entwickeln würde.

Gegen Mittag öffnete sich plötzlich die Tür, und Sian trat ins Zimmer. Seine Präsenz füllte sofort den Raum, und obwohl er ruhig wirkte, spürte ich die Energie, die von ihm ausging. Er warf uns beiden einen kurzen, prüfenden Blick zu, bevor er sprach.

»Mariella,« begann er, »Ich wollte dich informieren, dass heute Abend dein Flug nach London geht. Ich habe alles arrangiert und du wirst pünktlich am Flughafen sein.«

Mariella nickte langsam, während ein flüchtiger Schatten über ihr Gesicht huschte. »Danke, Sian,« sagte sie ruhig. »Ich bin, glaube ich, bereit.«

Die Nachricht traf mich unerwartet. Ich hatte gewusst, dass Mariella nur für eine kurze Zeit hier sein würde, aber die Realität, dass sie schon so bald gehen würde, ließ mir das Herz schwer werden. Sie war meine Stütze in all dem Chaos, und jetzt würde sie wieder weg sein, zurück nach England, wo ich sie nicht so leicht erreichen konnte.

»Du gehst schon heute?!« Meine Stimme klang brüchiger, als ich wollte, und ich spürte, wie meine Augen sich mit Tränen füllten.

Mariella lächelte sanft und griff nach meiner Hand. »Ja, Isabell. Aber wir werden in Kontakt bleiben, das verspreche ich dir.«

Doch die Vorstellung, sie zu verlieren, traf mich härter, als ich erwartet hatte. Die Tränen begannen unaufhaltsam über mein Gesicht zu laufen. »Ich weiß, aber… ich brauche dich hier.. Zumindest noch ein wenig länger.«

Sian trat näher und kniete sich vor mich hin, sodass er auf Augenhöhe mit mir war. »Hey, kleine Wölfin,« sagte er sanft, während er meine Tränen mit dem Daumen wegwischte. »Es wird alles gut. Du bist stark, und du wirst das schaffen. Mariella mag heute gehen, aber das heißt nicht, dass du allein bist.«

Seine Zärtlichkeit brachte mich noch mehr aus der Fassung. Ich fühlte mich hin- und hergerissen zwischen seiner Nähe und dem Chaos in meinem Herzen. Sein sanfter Trost war genau das, was ich in dem Moment brauchte, aber gleichzeitig verwirrte es mich noch mehr. Wie konnte er so fürsorglich sein und gleichzeitig so distanziert bleiben?

Entführt ~ Verkauft ~ Versklavt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt