Ich bin übrigens nicht perfekt und arbeite auch nicht daran

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POV Timi

Ich stand im Bad zuhause und betrachtete mich in meinem Spiegel. Meine Tour war gerade vorbei und ich war richtig glücklich, endlich wieder zuhause zu sein. Es war so still im Haus. Bis auf Heisenberg's Tapsen hörte ich gar nichts. Das liebte ich an dieser abgelegenen Gegend: einfach Ruhe. Man hörte keine Autos, keine Leute, gar nichts. Ich betrachtete mein Gesicht. Die Ringe und Falten unter und um meine Augen, meine eingefallenen Wangen, meine blasse Haut.

„Mann, bin ich alt geworden." Irgendetwas tat mir nicht gut, und ich wusste nicht was. Die Drogen? Wahrscheinlich. Doch da war noch etwas anderes, etwas, das mir ständig im Gedächtnis hing. Lukas. Ich wusste nicht, was es war, das mich zu ihm hinzog, doch es war verdammt verwirrend. Auch wenn ich wusste, dass ich auf Frauen – und nur auf Frauen – stand, war da irgendetwas das Lukas tat, was mich in seinen Bann zog. Ich setzte mich auf die Couch und schaltete den Fernseher an. Ich saß noch fünf Stunden, ohne mich bewegt zu haben. Ab und zu hatte ich einen Joint geraucht, doch das war so in etwa die meiste Aktivität, die ich vollbrachte. Plötzlich meldete sich mein Handy mit einer Nachricht.

Laura: Na, Süßer, was machst du gerade?

Das ging sie einen Scheissdreck an. Ich hatte Laura vor einiger Zeit kennengelernt. Sie war gut im Bett, doch ansonsten lag mir nichts an ihr. Vielleicht sollte ich sie ficken. Was anderes hatte ich eh gerade nicht zu tun. Also schrieb ihr zurück, dass ich zuhause sei und sie vorbeikommen solle. Zwanzig Minuten später klingelte es dann an der Tür. Ich hatte geduscht und mir was anderes angezogen – irgendwie war ich ihr das ja schuldig. Wir sagten eigentlich gar nichts, sondern gingen gleich zur Sache. Auf dem Weg zu meinem Schlafzimmer verloren wir alle Klamotten; ich drückte Laura aufs Bett, bevor ich mir ein Kondom überzog und in sie eindrang. Auch wenn mir das hier alles so vertraut vorkam – da sie generell mein Friday Girl war, also fast jeden Freitag vorbeikam, fühlte es sich nicht richtig an. Sie war eine unverbindliche Affäre für mich – ich konnte immer auf sie zählen, wenn ich mal jemanden in meinem Bett brauchte. Doch diesmal fühlte es sich besonders falsch an. Klar, sie war heiß – jeder andere Mann würde sich glücklich schätzen, doch mir fehlte etwas. Während sie auf mir saß, klingelte mein Handy. Ich war mir nicht sicher, was ich mir dabei dachte, als ich es beantwortete, während ich noch in Laura war, doch irgendetwas gab mir das Gefühl, es sei wichtig, vor allem als ich den Namen auf dem Bildschirm sah. Lukas.

„Hey, was geht?" fragte ich, während ich die Hand auf Laura's Mund legte. Ihr würde das sicher nichts ausmachen – sie machte eh alles, was man ihr sagte, auch wenn sie gerade etwas empört aussah.

„Hallo, ähm...ich bin gerade auf dem Weg nach Bielefeld, wegen...weil ich was machen muss. Hast du Zeit, dich zu treffen?" fragte mich Lukas.

„Äh, ja klar, ich hol dich vom Bahnhof ab. Wann kommst du denn an?" Laura fing an zu zappeln, doch ich gab ihr einen mahnenden Blick und drückte meine Hand noch stärker gegen ihren Mund.

„In einer halben Stunde." Ich verabschiedete mich und wandte mich Laura zu, die kurz davor war, einen Anfall zu bekommen.

„Sorry, ich muss los. Ich ruf dich an, ja?"

„Wie jetzt? Wir ficken noch nicht mal zu Ende?" Ich schüttelte den Kopf und rollte mich zur Seite, woraufhin Laura fast vom Bett fiel. Als ich sie quasi aus dem Haus schmiss, zog ich mich schnell an und fuhr zum Bahnhof, wo Lukas schon auf mich wartete. Ich ging auf ihn zu, der mich freudig begrüßte.

„Hey, na? Sag mal, wie siehst du denn aus? Hab ich dich bei irgendwas gestört?" grinste er mich an. Meine Haare waren anscheinend sehr verwuschelt.

„Ja, also, ist eigentlich egal, aber ich hatte grade diese Olle gefickt." Er schaute mich verstört an. Ich hatte das Gefühl, einen Funken Enttäuschung in seinen Augen zu sehen, doch ich konnte mich auch täuschen.

„Und du hast dabei dein Handy beantwortet? Tim, du bist echt..." Ich hielt ihm den Mund zu. Lukas schaute mich erwartungsvoll an. Kurz standen wir so da, einander in die Augen schauend und ich fühlte extremst hingezogen zu diesem Mann. Ich wollte ihn küssen, doch irgendetwas hielt mich ab.

„Komm, mein Auto steht da vorne." Wir fuhren schweigend den Weg zu meinem Haus zurück. Meine Hände waren schwitzig und ich war nervös. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also sagte ich erstmal gar nichts. Den Rest des Abends verbrachten wir mit trinken und quatschen. Es fiel kein Wort mehr über das Vorgefallene. Lukas fragte mich auch nicht mehr über das Mädchen aus und ich versuchte, so wenig wie möglich daran zu denken, wie gerne ich ihn anfassen und küssen wollte.


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