Uns gehört die Nacht, Teil 3

393 27 6
                                    


POV Timi
Die Taxifahrt verlief schweigend. Lukas und ich saßen zwar beide hinten, jedoch trennte uns der mittlere Sitz. Was noch dazu kam war, dass wir uns beide gegen die jeweiligen Fenster drängten – vielleicht war uns das Ganze, was vor ein paar Stunden passiert war, unangenehm, oder wir wussten selber nicht, wie wir jetzt miteinander umgehen sollten, obwohl wir uns ja noch nicht einmal geküsst hatten. Mein Herz klopfte immer schneller, je näher wir Lukas Wohnung kamen. Ich war schon so oft dort gewesen, hatte schon so oft im Gästebett, auf der Couch oder sogar in Lukas Bett geschlafen (das war nur zu besonderen Anlässen, als wirklich jede Schlafmöglichkeit besetzt war. Lukas ließ normalerweise keine Leute in sein Schlafzimmer, und wenn, dann nur für kurze Zeit). Und jetzt stand ich hinter ihm, beobachtete, wie er mit leicht zitternden Händen die Haustür aufschloss und mich an ihn vorbeiließ. Wie gerne hätte ich wieder seine Hand genommen, hätte ihn so gerne wieder berührt, geküsst und umarmt.
„Du...weißt ja den Weg", murmelte er, als ich zögerlich die hölzerne Treppe hinaufging. Lukas lebte in einem etwas älteren Gebäude, wo jedes Stockwerk nur zwei Wohnungen hatte und die Wohnungstüren schwere Holztüren waren. Es war sehr privat, ich glaubte nicht, dass er überhaupt seine Nachbarn kannte, was ihm vermutlich lieber war, als dass er sich wegen jedem Scheissdreck bei den Nachbarn melden musste.


„Kommst du?", fragte er mich, im Türrahmen stehend.
„Ähh...ja. Klar. 'Tschuldigung." Peinlich berührt und mit etwas heißen Wangen folgte ich ihm in die Wohnung und streifte meinen Mantel ab, welchen ich ausnahmsweise aufhängte, anstelle ihn – wie ich es bei mir zuhause pflegte – auf den Boden zu schmeißen. Lukas mochte nunmal Ordnung. Und das war ja auch gut so, wenn es nur einfacher wäre, mich selber in seiner Ordnung, in seinem ordentlichen Leben zu sehen. Doch das klappte einfach nicht. Sofort wurde ich deprimiert, wenn ich daran dachte, wie unterschiedlich wir beide waren und wie sehr ich Lukas nerven würde.
„Willst du...ein Bier trinken? Oder etwas anderes?"
„Ja, ein Bier. Danke." Ich blickte kurz auf die Uhr in Lukas Gang. Drei Uhr in der Früh. Naja, kann man jetzt auch nichts mehr machen. Seufzend folgte ich Lukas in seine Küche und hockte mich an den kleinen Tisch.
„Wolltest du wirklich so deinen Geburtstag feiern?", fragte ich ihn, während ich meine Flasche Bier entgegennahm.
„Nee, eigentlich...eigentlich dachte ich...ähm...egal. Meine Geburtstage scheine irgendwie immer in Drama zu enden", meinte er und setzte sich mir gegenüber.
„Drama? Heute gab es doch kein Drama."
„Naja, doch, schon irgendwie."
„Wo denn?"
„Ja, zwischen uns."
„So schlimm war das auch wieder nicht." Ich wusste nicht, woher ich diese verständnissvolle Art auf einmal herhatte. Eigentlich war ich doch derjenige, der sich konstant Sorgen machte, dem alle immer helfen mussten, der immer in Verzweiflung versank und diese dann in Drogen ertränkte. Aber anscheinend war das nicht immer der Fall.


„Nein, so schlimm war es auch nicht. Nicht so wie an meinem achtzehnten Geburstag."
„Was ist da passiert?", fragte ich ihn neugierig.
„Ich...also, meine Eltern und meine Schwester haben mir eine Party organisiert. Alle meine Freunde waren da, meine ganze Familie, es gab unheimlich viel Essen und Alkohol und eigentlich war ja alles wunderbar. Und ich dachte mir, dass das der vermutlich beste Moment wäre, meiner Familie zu offenbaren, dass ich auf Männer stehe."
„Die wussten das noch nicht?"
„Nein. Ich wusste auch nicht, wie sie reagieren würden. Zwar ist mein Vater ja unheimlich liberal, mit dem ganzen Theatergetue, aber man kann es ja trotzdem nicht wissen, wie die Eltern eben bei so etwas reagieren."
„Und wie hast du es dann gemacht?"
„Ähm..." Lukas räusperte sich und zog sich seine Ärmel über die Hände.
„Sollen...sollen wir ins Wohnzimmer gehen?", fragte er mich dann. Etwas überrascht nickte ich und folgte ihm zur Couch, wo wir uns in die jeweilige Ecke setzten, und wartete darauf, dass er mir endlich erzählte, was denn so Schlimmes an seinem Geburtstag passiert sei.

OneShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt