Eigentlich bist du mir egal

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(und in jedem Fall bin ich überhaupt nicht in dich verliebt)

POV Sudden
Ich liebe Sommergewitter. Es ist warm, aber nicht zu heiß, es regnet und ein bestimmter Geruch liegt in der Luft. Man kann entweder auf dem Balkon oder am offenen Fenster sitzen und das Gewitter beobachten. Den Blitz, den Donner, die Regentropfen. Der Geruch des Regens erinnerte mich immer an die Festivalzeiten, die ich schon so oft mit den Jungs erlebt hatte. Wenn man im Tourbus oder im Zelt sitzt und die Festivalbesucher beim durch den Matsch stampfen beobachtet und mit leichter Häme im Trockenen an seinem Bier nippt. Vor kurzem hatte ich eine neue Seite von Basti entdeckt, eine Seite, die ich mir bei ihm nie hatte vorstellen können, weil sie so konträr zu seinem Charakter – zumindest den, den ich seit acht Jahren kannte – war und mich immer wieder verwirrte. Seitdem ein guter Freund von ihm betrunken im Regen gefahren war und einen Zusammenstoß mit einem anderen Auto hatte, wodurch er tödlich verunglückte, konnte Basti nicht mit Regen umgehen. Beziehungsweise mit Gewitter. Jedes mal wenn es gewitterte, wickelte er sich in eine Decke, rollte sich auf der Couch oder im Bett zusammen und blieb ganz still. Er wollte immer, dass ich bei ihm sei, ihn umarmte, ihn einfach nur Sicherheit bot, ihn streichelte, ihm beruhigende Worte zusprach, wie bei einem Kind. Dies musste ich erst lernen – anfangs lachte ich noch, nahm ihn nicht ernst, oder war auch einfach nur total verwirrt. Es war so ein seltsames Benehmen, von welchem auch nur ich wusste – der Rest der Band, Tim, Lukas, Vortex, kannten oder wussten von Bastis sensible(r) Seite überhaupt nicht. Ob er das absichtlich machte, wusste ich nicht. Manchmal kam es mir so vor, als wollte er, dass sie uns beim Sex überraschen, oder ihn zufällig in einer seiner verletzlichen Situationen finden, damit er es nicht selber demonstrieren musste, damit die Jungs es irgendwie so herausfanden. Damit er es ihnen nicht selber sagen musste, sich somit verletzlich zu zeigen.

„Alles ok?", fragte ich Basti, als er wieder zusammengekauert im Bett lag.
„Natürlich, was soll denn schon sein?", fauchte er leicht zittrig zurück. Ich wollte etwas Gemeines antworten, doch ein weiterer Donnerschlag löste ein Zusammenzucken in ihm ein. Ich seufzte und setzte mich aufs Bett neben ihn, meine Hand streichelte seine Wange.

„Lass das."
„Nein."
„Doch. Ich will..." Er zuckte wieder zusammen.

„Warum lässt du mich nicht ran, Basti?"
„Weil ich nicht will."
„Willst du schon."
„Nein."
„Bitte." Er drehte sich von mir weg, verkroch sich unter der Decke. Ich wusste nicht, warum er oft so abweisend war, aber es verletzte mich unendlich.

Es gab ein paar seltene Momente, in denen er wirklich zärtlich sein konnte: nach dem Sex und wenn es einem von uns schlecht ging. Diese Momente konnten jedoch nur kurz anhalten – oft nie länger als zehn, fünfzehn Minuten – und dann würde er meine Hand wegschlagen, aufstehen, sich anziehen oder einfach wortlos gehen. Es konnte nicht daran liegen, dass er sich für uns schämte, weil jeder von unserer Beziehung wusste, die wir eh nie geheim gehalten hatten. Es gab keinen Grund, sie geheimzuhalten. Ich fragte mich, ob er immerschon so gewesen war, ob vielleicht etwas in seinem Leben passiert war, das ihn so barsch gemacht hatte. Ich legte mich neben Basti und zog ihn näher an mich. Er wehrte sich erst wie eine sich sträubende Katze, ließ jedoch bald nach. Ich küsste seinen Nacken und seine Wange und beobachtete, wie er die Augen genießerisch schloss.

„Du magst es doch." Er schlug die Augen erschrocken auf.
„Tu ich nicht!"

„Wieso musst du immer so sein?"

„Wie bin ich denn?"
„Abweisend."
„Gar nicht."
„Du benimmst dich wie ein Teenager." Basti dreht sich zu mir um, grinst mich an und legt sich dann auf mich. Endlich. Vielleicht würde das hier ihn auf andere Gedanken bringen. Irgendwann liege ich nackt auf ihm und küsse seinen Nacken. Ich kann sein Herz hören, wie schnell es schlägt. Er wird plötzlich wieder zärtlich, erwidert jede meiner Berührungen, lässt seine Finger an meiner Wirbelsäule entlangfahren, greift mir bestimmt in die Haare, fährt meine Muskeln nach und küsst mich. Immer und immer wieder. Hoffentlich wird er das hier nicht wieder abbrechen. Das Gewitter ging immer weiter, jedoch schienen weder er noch ich viel davon mitzubekommen.


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