Steck deine Hand in meine Tasche, Teil 1

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POV Emma

Ich musste heute nach Berlin fahren um ein Interview zu führen. Mit einem Musiker. In seiner Wohnung. Ich war richtig nervös – auch wenn es nicht mein erstes Interview war, war es mein erstes mit einem sehr bekannten Musiker: Alligatoah. Wochen zuvor hatte ich mir Interviews mit ihm angeschaut, um mir Fragen auszudenken, die noch keiner gefragt hatte, um zu sehen, wie er generell auf Fragen reagierte, bei welchen Themen er keine Antworten gab und über was er gerne zu sprechen schien. Es war richtig Stalkerhaft – obwohl ich mein googlen vor meinem besten Freund (der schwul ist und mir immer die besten Ratschläge gab) als Recherche tarnte, der mich nur mit hochgezogenen Augenbrauen anschaute und mir dann folgendes entgegenwarf:

„Süße, du musst echt aufhören, dich wie ein Teeniemädchen zu benehmen. Mann könnte echt denken, dass dir deine ganze Kindheit die du hinter Bühnen und auf Festivals verbracht hast, gar nichts gebracht hat!" Er hatte ja recht: mein Vater war Küntleragent, für Comedians und Musiker. Durch ihn durfte ich viele bekannte Menschen kennenlernen, mit denen im Backstage abhängen und konnte mich mit denen bei uns zuhause unterhalten, wenn sie vorbeikamen, deswegen hatte ich jedoch nicht diesen Job angenommen, sonder weil mich Musik immer schon interessiert hatte. Warum war ich dann jetzt so nervös? Vielleicht lag es daran, dass ich seit dem Spack! Festival 2013 ein richtiger Fan von Alligatoah geworden war. Damals war ich eigentlich wegen Jennifer Rostock von München nach Wirges gepilgert und verabscheute alles, was da so auf der Bühne herumsprang: von den 257ers bis zu Trailerpark dachte ich echt, ich wäre im falschen Film. Doch ein paar Wochen später ging ich auf Youtube und tippte „Alligatoah" ein, woraufhin Willst du sofort auftauchte, mit ein paar Millionen Klicks – auch wenn es DAS Mainstreamlied schlechthin war, gefiel es mir sehr. Ein paar Monate später war ich immernoch nicht vollkommen überzeugt von Trailerpark, hatte mich jedoch in Alligatoahs Musik verliebt. Nun stand ich also vor der Adresse, die mir mein Chef gegeben hatte, vor einem schönen Apartmentgebäude. Ich schaute auf die Klingelschilder.

„Strobel, Strobel, Strobel, wo bist du?", lies ich mir selber vor, bevor ich seine Klingel fand. Tief durchatmen, er ist ja auch nur ein Mensch. Ich schaute auf mein Handy. Ich war zehn Minuten zu früh da. Typisch deutsch. Sollte ich trotzdem klingeln? Ich stand noch ein paar Minuten vor der Tür, bis ich es endlich wagte, bei Lukas Strobel zu klingeln. Ich war eh schon erstaunt, dass dieser sonst so private Künstler ein Interview bei sich zuhause führen würde. Wahrscheinlich weil er wusste, dass bei mir keine Kameras dabeisein würden und ich eh Anfänger war.

„Ja?" meldete sich eine Stimme durch die Sprechanlage.

„Ähh...hallo, hier...hier ist Emma. Für das...Interview?" Ich klang ganz schon selbstbewusst.

„Oh, ja klar, komm hoch". Der Türbuzzer ertönte und ich schob die schwere Tür auf und machte mich auf in den vierten Stock. Ich schaute mich um: kein Aufzug. Na toll. Auch wenn ich mehrmals die Woche ins Fitness ging, war meine Kondition praktisch nicht-existent. Schnaufend kam ich schließlich bei seinem Apartment an, wo die Tür angelehnt war und Musik aus dem Apartment tönte. Ich atmete noch einmal tief ein, bevor ich die Tür aufschob und schüchtern „Hallo?" in die Wohnung rief. Da kam er auf mich zu, die Haare etwas verwuschelt, in den gleichen unscheinbaren Klamotten, die er immer anhatte.

„Hi, ich bin Lukas!" Er reichte mir die Hand mit einem freundlichen Lächeln.

„Emma, hallo."

„Na, wo sollen wir das Interview denn führen?" Das weiß ich doch nicht!

„Ähh...keine Ahnung...wo fühlst du dich denn wohl?" Scheisse, das klang echt komisch! Er lachte.

„Küche?" Und deutete auf den Raum zu seiner Rechten. Wir setzten uns hin und ich fummelte in meinem Ordner herum, um das Aufnahmegerät und meine Notizen rauszuholen, bevor mir ein Kondom rausfiel.

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